Beschluss vom 05.06.2007 -
BVerwG 7 B 25.07ECLI:DE:BVerwG:2007:050607B7B25.07.0

Beschluss

BVerwG 7 B 25.07

  • VGH Baden-Württemberg - 01.03.2007 - AZ: VGH 10 S 1873/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Krauß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1. März 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 97 543 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich als Insolvenzverwalter gegen seine Heranziehung zu den Kosten einer Ersatzvornahme. Die an die Gemeinschuldnerin gerichtete Androhung und Anordnung der Ersatzvornahme ist bestandskräftig geworden. Das Verwaltungsgericht hat den Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids als nicht hinreichend bestimmt und ermessensfehlerhaft aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zugelassen und die Klage abgewiesen: Der Leistungsbescheid sei hinreichend bestimmt und frei von Ermessensfehlern. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die in Rede stehenden Kosten als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung einzustufen seien, könne offen bleiben, weil die geltend gemachte Forderung im angefochtenen Bescheid nicht als Masseverbindlichkeit qualifiziert worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

2 Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde begründet die Rechtsgrundsätzlichkeit damit, der Verwaltungsgerichtshof habe mangels Entscheidung zur Einstufung der geltend gemachten Forderung als Masseverbindlichkeit das Recht des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt (Art. 19 Abs. 4 GG). Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Es bedarf keiner Klärung erst in einem Revisionsverfahren, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht nur den Zugang zum Gericht, sondern auch einen wirkungsvollen Rechtsschutz, d. h. eine tatsächlich wirksame Kontrolle durch die Gerichte garantiert. Dabei ist Kontrollgegenstand der behauptete Eingriff der öffentlichen Gewalt in ein Recht des Klägers. Die angegriffene Entscheidung genügt diesem Erfordernis. In den Entscheidungsgründen ist im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen der Verwaltungsgerichtshof eine Stellungnahme zur insolvenzrechtlichen Einstufung der geltend gemachten Forderung für nicht entscheidungserheblich gehalten hat. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt kein Recht auf gerichtliche Entscheidung über eine Frage, die aus der materiellrechtlichen Sicht des Gerichts nicht entscheidungserheblich ist. Ebenso wenig widerspricht es dem staatlichen Justizgewährungsanspruch oder dem Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen nur auf die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Fragen eingeht. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs waren entscheidungserheblich nur die vom Verwaltungsgericht anders beantworteten Fragen der Bestimmtheit des Leistungsbescheids und der fehlerfreien Ermessensausübung der zuständigen Behörde. Auch wenn diese Auffassung nicht zutreffen sollte, wäre der Kläger in den geltend gemachten Rechten nicht verletzt.

3 Davon abgesehen ist die Annahme der Beschwerde, die insolvenzrechtliche Einstufung von Kosten der Ersatzvornahme sei zwischen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht umstritten, nicht zutreffend. Zwischen beiden Bundesgerichten bestanden unterschiedliche Rechtsauffassungen zur insolvenzrechtlichen Einstufung ordnungsrechtlicher Pflichten (Urteil vom 22. Oktober 1998 - BVerwG 7 C 38.97 - BVerwGE 107, 299 einerseits; BGHZ 148, 252, und 150, 305 andererseits). Dieser Dissens besteht seit dem Urteil des Senats vom 23. September 2004 - BVerwG 7 C 22.03 - (BVerwGE 122, 75) nicht mehr. Das Urteil hat das Verhältnis von ordnungsrechtlichen Pflichten und insolvenzrechtlichen Vorgaben geklärt. Danach ist unter Anwendung des dafür allein maßgeblichen Ordnungsrechts darüber zu entscheiden, ob den Insolvenzverwalter die Ordnungspflicht für eine Störung trifft, die von einem Massegegenstand ausgeht. Allein das Ordnungsrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt, wie dieser Störung zu begegnen ist und wer dafür in Anspruch genommen werden kann. Knüpft die Ordnungspflicht allein an die Sachherrschaft an, ist es für die persönliche Verantwortlichkeit des Besitzers ohne Belang, ob eine von der Sache ausgehende Gefahr bereits vor seiner Inbesitznahme bestanden hat. Soweit sich die Ordnungspflicht nicht aus der Verantwortlichkeit für den aktuellen Zustand von Massegegenständen ergibt, sondern an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Gemeinschuldners anknüpft, hat die Sachherrschaft des Insolvenzverwalters keinen Bezug zu den ordnungsrechtlichen Voraussetzungen der Störereigenschaft, so dass eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters und damit eine als Masseverbindlichkeit zu erfüllende Pflicht (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) von vornherein nicht in Betracht kommt (a.a.O. S. 78 ff.).

4 Im Übrigen begnügt sich die Beschwerde damit, die angegriffene Entscheidung nach Art einer Berufungsbegründung zu kritisieren. Durch solches Vorbringen wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

5 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.