Urteil vom 12.07.2012 -
BVerwG 2 WD 31.11ECLI:DE:BVerwG:2012:120712U2WD31.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 12.07.2012 - 2 WD 31.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:120712U2WD31.11.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 31.11

  • Truppendienstgericht Nord 8. Kammer - 26.09.2011 - AZ: TDG N 8 VL 19/10

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 12. Juli 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Kapitän zur See Ackermann und
ehrenamtlicher Richter Obermaat Moritz,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Pflichtverteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 26. September 2011 im Ausspruch über die Rechtsfolge geändert.
  2. Der Soldat wird wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienstverhältnis entfernt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die dem Soldaten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden ihm auferlegt.

Gründe

I

1 Der 1982 geborene und über den Realschulabschluss verfügende Soldat trat Anfang 2005 erneut in die Bundeswehr als Unteroffizieranwärter ein, nachdem er zuvor erfolgreich zum Teilezurichter ausgebildet worden war und 2003 Grundwehrdienst geleistet hatte. Am 6. Januar 2005 erfolgte die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit. Die Dienstzeit des zuletzt im Februar 2007 zum Obermaat beförderten Soldaten würde regulär am 31. März 2013 enden.

2 Der der Verwendungsreihe „Unterwasseroperationsdienst“ angehörende Soldat bestand den allgemeinmilitärischen Teil des Unteroffizierlehrganges sowie den fachspezifischen Maatenlehrgang jeweils mit „befriedigend“. Nachdem er zum 31. Oktober 2005 auf eine Fregatte versetzt worden war, wechselte er im Januar 2007 zur AußensteIle des Ausbildungszentrums für Uboote. Seit Dezember 2009 wurde er in der Personalergänzung ... in W. verwendet. Er strebt an, im Rahmen der seit Januar 2012 in Anspruch genommenen berufsfördernden Maßnahmen an der Bundeswehrfachschule das Abitur nachzuholen.

3 In der einzigen planmäßigen Beurteilung vom 14. Dezember 2006 erhielt der Soldat sechsmal die Wertungsstufe „3“, viermal die Wertungsstufe „4“ und einmal die Wertungsstufe „5“, woraus sich ein Durchschnitt von „3,55“ ergibt. Ergänzend ist ausgeführt, der Soldat habe aufgrund seiner sehr kurzen Verwendung an Bord zwar kein ausgeprägtes Leistungsbild zeigen können, gleichwohl seien gute Anlagen, insbesondere bei der Einsatzbereitschaft, Eigenständigkeit und Auffassungsgabe, erkennbar. Er besitze ein gutes geistiges Potential sowie eine gute Auffassungsgabe, was ihm den Einstieg in den neuen Dienstposten erleichtert habe. An seinem beruflichen Selbstverständnis müsse er jedoch noch arbeiten. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dem zu.

4 Der in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht als Leumundszeuge vernommene frühere nächste Disziplinarvorgesetzte, Kapitänleutnant K., erklärte, er wisse nichts Näheres vom Soldaten. Er habe ihn aufgrund der in der Personalergänzung herrschenden Zustände selten persönlich erlebt. Der Soldat habe unauffällig seinen Dienst versehen, Klagen über ihn habe es nicht gegeben. Eine nachhaltige und sinnvolle Beschäftigung des Soldaten sei unmöglich gewesen, weil sich eine Verwendung als Sonarmaat wegen der aberkannten Sicherheitsstufe verboten habe. Diese Aussage wurde in der Berufungshauptverhandlung verlesen.

5 In der Sonderbeurteilung vom 11. November 2011 erhielt der Soldat (unter Zugrundelegung der Höchstnote „9“) im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung „2,86“. Für die Einzelmerkmale wurde zweimal die Wertungsstufe „2“, fünfmal die Wertungsstufe „3“ und einmal die Wertungsstufe „4“ vergeben. Im Übrigen ist ausgeführt, anlässlich der Tätigkeit auf der Fregatte ... habe sich der Soldat im täglichen Dienstbetrieb eher zurückhaltend gezeigt. Er sei stets freundlich und höflich gewesen, sein militärisches Auftreten habe zu Beanstandungen keinen Anlass gegeben, ansonsten habe er sich bis auf die versuchten Täuschungen neutral verhalten, sodass über ihn weder etwas herausgehoben Positives noch Negatives zu berichten sei. Der Soldat schwimme mit der Masse und sei in die Dienstgruppe der Unteroffiziere ohne Portepee voll integriert. Das fachliche Leistungsvermögen des Soldaten könne nicht verlässlich bewertet werden, weil er nicht sicherheitsempfindlich einsetzbar gewesen sei.

6 In der Berufungshauptverhandlung hat der jetzige Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Hauptmann H., ausgeführt, der Soldat versehe im Rahmen der berufsfördernden Maßnahme seinen Dienst unauffällig; er könne über ihn weder Negatives noch Positives berichten. Der Soldat nehme täglich am Unterricht teil, weise keine Fehlzeiten auf und bewege sich leistungsmäßig im mittleren Bereich. Der eigentliche Kurs beginne allerdings noch, wobei er keine Zweifel daran habe, dass der Soldat das Ziel der Maßnahme auch erreichen werde. Den Vorkurs habe der Soldat bestanden; ansonsten lägen ihm für eine Leistungsbeurteilung keine weiteren Grundlagen vor. Er, der Disziplinarvorgesetzte, beaufsichtige bis zu 500 Soldaten und kontrolliere sie engmaschig; eine unentschuldigte Abwesenheit würde ihm fünf Minuten später gemeldet werden. Von den disziplinarischen Verfehlungen seien ihm bislang nur die Fälschungen der Krankenmeldescheine bekannt gewesen; von den weiteren Verfehlungen habe er auch in einem mit dem Soldaten im März 2012 geführten Gespräch nichts erfahren.

7 Der Disziplinarbuchauszug des Soldaten vom 2. April 2012 weist aus:
1. Strenger Verweis vom 17. März 2005 wegen Missachtung eines Vorgesetzten; 2. Disziplinarbuße in Höhe von 750 € vom 20. Juni 2006 wegen unerlaubter Abwesenheit; 3. Disziplinarbuße in Höhe von 1.500 € vom 2. August 2007 wegen „Taufe“ eines Soldaten; 4. Strenger Verweis vom 4. Juli 2008 wegen verspäteten Dienstantritts; 5. Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts O. vom 10. August 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung. Verhängt wurde eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von acht Monaten; 6. Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts B. vom 8. Dezember 2010 wegen gemeinschaftlicher Beleidigung. Verhängt wurde eine Geldstrafe von siebzig Tagessätzen zu je 30 €; 7. Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts W. vom 16. Mai 2011 wegen dreifacher Urkundenfälschung und zweifacher eigenmächtiger Abwesenheit. Verhängt wurde eine - nachträglich - zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

8 Die letztgenannten drei strafgerichtlichen Verurteilungen weist auch die Auskunft aus dem Zentralregister vom 27. März 2012 aus.

9 Die Personalakte des Soldaten enthält unter dem 3. August 2006 den ausdrücklichen Hinweis der Stammdienststelle der Marine (SDM), bei einem weiteren Dienstvergehen habe der Soldat mit der fristlosen Entlassung zu rechnen; die Disziplinarbuße vom 2. August 2007 wurde später darin einbezogen.

10 Das zunächst - unter Ziffer 2 der Anschuldigungsschrift - sachgleich angeschuldigte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung wurde vom Amtsgerichts O. im März 2010 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

11 Der ledige Soldat erhält Nettodienstbezüge in Höhe von 1721,08 €. Davon hat er 420 € für Warmmiete, 200 € für einen noch drei Monate laufenden Anschaffungskredit und etwa 280 € für sonstige Ausgaben (Versicherungen, Telefon etc.) zu begleichen.

II

12 1. In dem durch Verfügung des Befehlshabers der Flotte vom 14. Juni 2010 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren und auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift vom 15. Juli 2010 sowie der Nachtragsanschuldigungsschriften vom 20. Juli 2011 und 26. September 2011 sowie unter Ausklammerung der unter Ziffer 2 der Anschuldigungsschrift behaupteten Pflichtverletzung hat das Truppendienstgericht Nord mit Urteil vom 26. September 2011 den in der Hauptverhandlung anwaltlich vertretenen Soldaten in den Dienstgrad eines Obergefreiten herabgesetzt. In der Hauptverhandlung hatte der Soldat zur Anschuldigung, sich ein Fernbleiben vom Dienst erschlichen zu haben, unter anderem ausgeführt, ihm sei langweilig gewesen, er habe „keinen Bock auf diesen ganzen Mist“ gehabt.

13 2. Zur Begründung hat das Truppendienstgericht im Wesentlichen ausgeführt:

14 a) Durch den - gemäß Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift - angeschuldigten Faustschlag des Soldaten in das Gesicht des Geschädigten ... habe der Soldat vorsätzlich die ihm obliegende Pflicht verletzt, sich gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 SG außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigt würden. Der Sachverhalt stehe aufgrund folgender Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts O. vom 10. August 2009, von denen sich zu lösen kein Anlass bestehe, fest:
„Am 07. Januar 2009 begab sich der Angeklagte mit seinem Bruder, dem gesondert verfolgten S. von W. aus nach O., um sich dort ein Hallenfußballturnier anzuschauen. Er trug ein T-Shirt mit dem deutlich sichtbaren Aufdruck „Kat-C“. Dies ist die Abkürzung für „Kategorie C“ in der von der Polizei gewaltsuchende Fans erfasst werden, die weniger an Fußballspielen als an Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei interessiert sind, während in der Kategorie B die gewaltbereiten Fans und in der Kategorie A die friedlichen Fans erfasst werden. Die Bezeichnung steht zugleich für eine deutsche Hooligan-Rockband, die früher als rechtsextrem eingeschätzt wurde, während sich die Nachfolgeband „Kategorie C - Hungrige Wölfe“ auf ihrer Internetseite von jeglicher politischen Ausrichtung klar distanziert.
Da die von dem Angeklagten und seinem Bruder favorisierten Mannschaften SV Wilhelmshaven und Hansa Rostock auf dem Turnier nicht vertreten waren, suchten beide Anschluss bei unterschiedlichen Fangruppen, u.a. des VfI Osnabrück, wo sie aber wegen des von dem Angeklagten getragenen T-Shirts zurückgewiesen wurden. Schließlich kam es zu einer Auseinandersetzung mit den Fans des VfL Wolfsburg, worauf beide der Halle verwiesen wurden. Gegenüber der hinzu gerufenen Polizei zeigte sich der Angeklagte äußerst aggressiv und provokant. U.a. wies er den Einsatzleiter der Polizei unter Hinweis auf seinen Status als Bundeswehrsoldat unter Vorhalten des Dienstausweises lautstark an, ihn als „Bürger in Uniform“ gefälligst in Ruhe zu lassen. Vor der Halle kam es zu einem zufälligen Zusammentreffen des Angeklagten und seines Bruders mit einer fünfköpfigen Gruppe von Fans des Vereins Kickers Emden, die in den Vereinsfarben gekleidet waren. Als diese Gruppe in Gestalt der Zeugen ..., ..., ..., ... und ... neutrale Fangesänge anstimmte, entschieden sich der Angeklagte und sein Bruder, eine körperliche Auseinandersetzung mit der Gruppe anzufangen. Entweder der Angeklagte oder sein Bruder warf einen harten handballgroßen Ball in Richtung der Gruppe, der deren Köpfe knapp verfehlte, worauf der Zeuge ... fragte, was das denn solle. Während der Bruder des Angeklagten den Ball holte, ging der Angeklagte in aggressiver Haltung auf den Zeugen zu. Mitglieder des Security-Dienstes gingen aber dazwischen.
Am ... Bahnhof wollte die Fünfergruppe aus E. zum Zug gehen, als ihr der Angeklagte und sein Bruder entgegenkamen, welche nach wie vor die Gruppe gemeinsam angreifen und verletzen wollten.
Weil die Zeugen eine solche Auseinandersetzung fürchteten und meiden wollten, beschleunigten sie ihren Schritt und begaben sich auf die Aufgangstreppe zum Bahnsteig. Dort wurden sie von dem Angeklagten und seinem Bruder eingeholt, die erkannten, dass die Zeugen ihnen mangels jeden Aggressionspotentials unterlegen und willkommene Opfer sein würden, an denen sie ihre Gewaltbedürfnisse ausleben konnten. Der Angeklagte baute sich auf dem halben Treppenansatz vor dem Zeugen ... auf, während sein Bruder sich vor den Zeugen ... stellte. Der Angeklagte erklärte dem Zeugen ..., er solle nicht so frech sein. Als dieser erwiderte, er habe doch gar nichts gesagt, schlug ihm der Angeklagte mit der rechten Faust gegen die linke Gesichtshälfte, wodurch der Zeuge ... Schmerzen erlitt. Als der Zeuge ... rief „Ey, was soll das?“, bekam er von dem gesondert verfolgten ... einen Faustschlag in die linke Gesichtshälfte. Bevor er noch wusste, was ihm geschah, schlug ... ein zweites Mal zu, wodurch ... zu Boden ging und das Bewusstsein verlor. Der Angeklagte und sein Bruder liefen schnell zum Hauptausgang Richtung K.straße, wo sie jedoch von der Polizei gestellt werden konnten.
Der Angeklagte und sein Bruder hatten bereits seit morgens zahlreiche Biere getrunken. Das Blut des Angeklagten wies um 23.21 Uhr, also 1 Stunde und 10 Minuten nach dem Vorfall einen Alkoholwert von 1,58 Promille auf.“

15 b) Zusätzlich habe der Soldat, wie in Ziffern 1 - 3 der die Nachtragsanschuldigungsschrift vom 20. Juli 2011 konkretisierenden Nachtragsanschuldigungsschrift vom 26. September 2011 angeschuldigt, mittels von ihm gefälschter Krankenmeldescheine den Disziplinarvorgesetzten dreimal veranlasst, ihn jeweils vom militärischen Dienst freizustellen. Dadurch habe er jeweils vorsätzlich gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG) und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), verstoßen. In tatsächlicher Hinsicht stehe aufgrund der geständigen Einlassungen des Soldaten, der Aussage des Zeugen Kapitänleutnants K. sowie der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Urkunden fest:
„.... Aufgrund der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung wegen seines Verhaltens zu Ziffer 1 der Anschuldigung war der Soldat als Angehöriger der Personalergänzung ... des ... Fregattengeschwaders wegen Entzuges der notwendigen Sicherheitsstufe nicht mehr an Bord von Fregatten einsetzbar. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass der tägliche Dienstablauf des Soldaten äußerst eintönig war. Abgesehen von der Teilnahme an den im Routinedienstplan festgelegten Zeiten für Sport und Unterricht wurde der Soldat mit keinerlei Tätigkeiten betraut, mithin verbrachte er seine Tage in der Personalergänzung überwiegend beschäftigungslos, was der einvernommene Zeuge KptLt K. bestätigte. Dieser Befund sei systembedingt, so der Zeuge weiter, seine Bemühungen, den Soldaten einer sinnvollen und nachhaltigen Beschäftigung zuzuführen, seien letztlich erfolglos geblieben. Am 12. Oktober 2010, am 01. November 2010 sowie am 17. November 2010 ließ sich der Soldat jeweils im Geschäftszimmer der Wachtmeisterei den aktuellen Krankenmeldeschein aushändigen. Anschließend nahm er auf seinem Dienstzimmer, in welchem er alleine untergebracht war, darin eigenhändig die in Ziffern 1. - 3. der Nachtragsanschuldigung vom 26. September 2011 beschriebenen wahrheitswidrigen Eintragungen vor. Den auf diese Weise gefälschten Krankenmeldeschein übergab er jeweils noch am selben Tage seinem Disziplinarvorgesetzten in dessen Dienstzimmer. Im Vertrauen darauf, dass die Angaben im Krankenmeldeschein der Wahrheit entsprechen, genehmigte der Disziplinarvorgesetzte dem Soldaten die Freistellung vom Dienst für die im jeweiligen Krankenmeldeschein eingetragenen Zeiten der Krankschreibung. Am Montag, den 22. November 2010, entnahm KptLt K. einem Artikel im Lokalteil der Wilhelmshavener Zeitung vom gleichen Tage, dass der Soldat am Wochenende als Mitwirkender an einem Fußballspiel teilgenommen hatte (‚ ... und anschließend konnte der wachsame ... die prekäre Situation klären. ...’). Die von KptLt K... daraufhin umgehend unter Einschaltung des Sanitätsbereichs veranlasste Überprüfung der Krankenmeldescheine ergab, dass die angeschuldigten Eintragungen incl. der Unterschriften der behandelnden Ärzte sämtlich gefälscht waren. Die von KptLt K. um Amtshilfe ersuchten Feldjäger überstellten den Soldaten der Einheit noch am selben Tage gegen 15:15 Uhr.“

16 c) Der Soldat habe dadurch ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, welches seinen Schwerpunkt in den erschlichenen Freistellungen vom Dienst finde. Damit habe er im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Verstoße ein Soldat in Vorgesetztenstellung gegen seine Dienstleistungspflicht, büße er in erheblichem Umfang an Achtung und Vertrauen bei seinen Vorgesetzten ein und beeinträchtige nicht minder sein dienstliches Ansehen sowie seine Autorität bei Untergebenen. Dies gelte verstärkt, wenn der Soldat sich die Vorzüge durch Dokumentenfälschungen erschleiche. Bei der zusätzlich begangenen Körperverletzung handele es sich ebenfalls um ein nicht zu tolerierendes Verhalten. Auch wenn es im außerdienstlichen Bereich gezeigt worden sei, habe es auf den dienstlichen Bereich Rückwirkungen. Das strafrechtlich geahndete Handeln des Soldaten beeinträchtige dessen dienstliches Ansehen. Es sei geeignet, ernsthafte Zweifel an der charakterlichen Integrität und damit auch an der dienstlichen Zuverlässigkeit des Soldaten aufkommen zu lassen.

17 Der Soldat habe jeweils vorsätzlich gehandelt. Anhaltspunkte für eine zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen eingeschränkte oder fehlende Schuldfähigkeit lägen nicht vor; entsprechendes gelte auch für Milderungsgründe in der Tat. Eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat könne schon deshalb nicht vorliegen, weil der Soldat disziplinar vorbelastet sei. Die Beweggründe für das Fehlverhalten beruhten auf eigennützigen Motiven, wobei dem Soldaten seine zahlreichen disziplinaren Vorbelastungen und der darauf gestützte ausdrückliche Hinweis der Stammdienststelle der Marine vom August 2006 zum Nachteil gereichten. Für ihn würden sein - allerdings spätes - Geständnis und der Umstand sprechen, dass der Dienstherr außerstande gewesen sei, ihn während seiner Verwendung in der Personalergänzung nachhaltig zu beschäftigen.

18 3. Gegen das Urteil hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft eine auf die Anfechtung der Maßnahme beschränkte Berufung eingelegt und sie im Wesentlichen damit begründet, die verhängte Disziplinarmaßnahme stehe zur Schwere des Dienstvergehens in keinem angemessenen Verhältnis. Ein Soldat, der derart eklatante Mängel in der Disziplin zeige, könne nicht im Dienstverhältnis verbleiben.

III

19 Die von der Wehrdisziplinaranwaltschaft gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet.

20 1. Da das Rechtsmittel ausdrücklich auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden ist, hat der Senat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und hiernach über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

21 a) Das Truppendienstgericht ist zu der (Schuld-)Feststellung gelangt, dass der Soldat durch die festgestellten Pflichtverletzungen vorsätzlich gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), die Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), und in zweifacher Hinsicht gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verstoßen und deshalb gem. § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen hat, für welches er als Vorgesetzter nach § 10 Abs. 1 SG verschärft haftet.

22 b) Die vom Truppendienstgericht zu den unter den Ziffern 1. - 3. der Nachtragsanschuldigungsschrift beschriebenen Pflichtverletzungen getroffenen Tatsachenfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei. Soweit es die zu Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift übernommenen strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen im Urteil des Amtsgerichts O. vom 10. August 2009 betrifft, bestand bereits gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO eine Bindung des Truppendienstgerichts, die lediglich unter den weder vom Soldaten noch von der Wehrdisziplinaranwaltschaft geltend gemachten und auch für den Senat nicht ersichtlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO entfallen wäre (vgl. Urteile vom 28. September 2011 - BVerwG 2 WD 18.10 - Rn. 11 ff. und vom 27. März 2012 - BVerwG 2 WD 16.11 - Rn. 19 ff.). Ob die Tat- und Schuldfeststellungen rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat grundsätzlich nicht überprüft werden (Urteil vom 16. Februar 2012 - BVerwG 2 WD 7.11 - Rn. 26). Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

23 c) Verfahrensmängel werden bei einer beschränkten Berufung regelmäßig gegenstandslos, soweit sie nicht das gesamte disziplinargerichtliche Verfahren oder den gerichtlichen Verfahrensabschnitt unzulässig machen (Urteil vom 4. Mai 1988 - BVerwG 2 WD 64.87 - S. 10 des Urteilsabdrucks). Ob vorliegend Aufklärungs- und Verfahrensmängel, die die erstinstanzlichen Tat- und Schuldfeststellungen erschüttern (Beschlüsse vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 - Buchholz 450.2 § 121 WDO 2002 Nr. 1 = juris Rn. 13, 15 und vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 - juris Rn. 15 ff.), deshalb anzunehmen sind, weil geständige Einlassungen in der Hauptverhandlung durch das Fortwirken von Belehrungsfehlern im Ermittlungsverfahren veranlasst wurden, kann dahingestellt bleiben; etwaige Verfahrensfehler dieser Art wären nicht - mehr - beachtlich. Zum einen hat der anwaltlich vertretene Soldat einer Verwertung seiner Aussagen erstinstanzlich nicht widersprochen; zum anderen hat das Truppendienstgericht die Ahndung der Körperverletzung nicht auf geständige Einlassungen des Soldaten, sondern allein auf bindende strafgerichtliche Feststellungen gestützt, und der Soldat sich beim Tatkomplex unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst nach ordnungsgemäßer Belehrung geständig eingelassen, nachdem er zuvor nicht ausgesagt hatte (vgl. Urteile vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 WD 34.10 -, vom 26. April 2012 - BVerwG 2 WD 6.11 - Rn. 16, vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 WD 8.11 - und vom 24. Mai 2012 - BVerwG 2 WD 19.11 - Rn. 24).

24 2. Bei der somit allein zu überprüfenden Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassung wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

25 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten ausgesprochen schwer. Sowohl die innerhalb des Kanons soldatischer Pflichten besonders betonte Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) als auch die Pflicht, überhaupt zur Dienstleistung präsent zu sein (§ 7 SG), bilden soldatische Kernpflichten. Demzufolge wiegt das nicht nur einmal, sondern mehrfach erschlichene Fernbleiben vom Dienst außerordentlich schwer. Die vom Soldaten zudem begangene Körperverletzung verstärkt die Schwere des Dienstvergehens ebenso wie die Vorgesetzteneigenschaft des Soldaten und der Umstand, dass der Soldat in beiden Fällen zugleich kriminelles Unrecht beging. Dass er im Rahmen des unter Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift beschriebenen Tatgeschehens gegenüber der Polizei noch ausdrücklich auf seinen Soldatenstatus hinwies und diesen zu instrumentalisieren versuchte, verleiht dem Dienstvergehen eine zusätzliche Schwere. Sie wird geradezu erdrückend dadurch, dass der Soldat sich mit dem Tragen eines T-Shirts mit der Aufschrift „Kat-C“ zusätzlich anderen Staatsbediensteten gegenüber durch Verwendung eines Spezialausdrucks der Polizei als gewaltsuchender Amtsträger zu erkennen gegeben hat, der deren Dienstleistung gezielt erschweren will. Dass sich die Abwesenheitszeit des Soldaten noch um eine Woche erhöht hätte, wenn die Fälschung der Krankschreibungen nicht aufgedeckt worden wäre, rundet das Bild eines kapitalen Dienstvergehens ab.

26 b) Das Dienstvergehen hatte massive Auswirkungen. Zu den Verletzungen des vom Soldaten geschlagenen Opfers traten folgenreiche Auswirkungen im Bereich der Personalplanung hinzu. Die erste Pflichtverletzung war Anlass für den Dienstherrn, den Soldaten aus seiner bisherigen Verwendung zu nehmen, wobei eine weitere für den Dienstherrn sinnvolle Beschäftigung des Soldaten daran scheiterte, dass er als Folge des Dienstvergehens die Sicherheitsstufe nicht mehr behielt. Soweit es die erschlichenen Freistellungen vom Dienst betrifft, schädigte der Soldat den Dienstherrn dadurch, dass er Bezüge erhielt ohne eine dienstliche Gegenleistung zu erbringen. Dieser Folge misst der Senat indes eine geringere Bedeutung bei, weil der Soldat voraussichtlich auch während dieses Zeitraums nicht hätte dienstlich beansprucht werden können.

27 c) Das Maß der Schuld wird dadurch bestimmt, dass der Soldat vorsätzlich gehandelt hat. Milderungsgründe sowohl in der Person als auch in den Umständen der Tat liegen nicht vor. Soweit eine unter Umständen alkoholbedingte Enthemmung des Soldaten anlässlich seiner Gewalttätigkeit im Raum steht, besteht kein Zweifel daran, dass er sich selbstverschuldet in diesen Zustand versetzt hat; bereits dies steht der Annahme eines schuldmildernden Umstandes entgegen (Urteil vom 27. Juli 2010 - BVerwG 2 WD 5.09 - Buchholz 450.2 § 38 WDO Nr. 30).

28 Der Soldat kann sich auch nicht erfolgreich auf ein schuldmilderndes Mitverschulden von Dienstvorgesetzten berufen. Dies gilt hinsichtlich des vorgerichtlichen Vortrags, der Disziplinarvorgesetzte habe die Fälschungen erkennen können; nichts anderes gilt auch, soweit der Soldat sich auch dahingehend eingelassen hat, durch die fehlende Beschäftigung verleitet worden zu sein, sich durch Täuschung dem Dienst zu entziehen. Der Milderungsgrund einer unzureichenden Dienstaufsicht steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2, und vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 37). Ein solcher Fall lag aber nicht vor. Der Soldat bedurfte keiner dienstaufsichtlichen Unterstützung, um zu wissen, dass er sowohl mit dem Erstellen und dem Gebrauchmachen falscher Urkunden als auch mit dem erschlichenen Fernbleiben vom Dienst gegen das Strafrecht und soldatische Pflichten verstieß.

29 Hinzu tritt, dass sich das Fernbleiben vom Dienst zur Überzeugung des Senats nicht allein mit der unbefriedigenden Beschäftigungssituation erklärt. Für eine jedenfalls nicht ausschließlich situations-, sondern auch persönlichkeitsbedingte Pflichtverletzung spricht, dass der Soldat bereits Jahre vorher wegen - zum Teil mehrtägigen - unerlaubten Fernbleibens vom Dienst disziplinar geahndet werden musste ohne dass er sich seinerzeit in einer beschäftigungslosen Situation befand. Darüber hinaus hätte es dem Soldaten freigestanden, die beschäftigungslose Zeit sinnvoll etwa zur Vorbereitung auf den Fachschulbesuch zu nutzen.

30 d) Der Soldat handelte auch aus eigennützigen Beweggründen. Das Ausleben von Gewaltbedürfnissen auf Kosten Dritter und die gezielte Suche von Konflikten hierzu sind in hohem Maße sozialschädlich. Dass ihm in seiner neuen Verwendung, in die er bereits wegen einer vorhergehenden Pflichtverletzung versetzt worden war, „langweilig“ war und er „keinen Bock auf den ganzen Mist“ hatte, ändert daran nichts. Dies gilt umso mehr, als für ihn zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung (im Herbst 2010) angesichts der nahenden berufsfördernden Maßnahmen (ab Januar 2012) bereits das Ende des Zustandes absehbar war.

31 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Führung stechen die massiven disziplinarischen Vorbelastungen hervor. Sie belegen eindringlich, dass Disziplinarmaßnahmen und selbst die Ankündigungen des Dienstherrn vom 3. August 2006 und vom 22. August 2007, ihn bei erneuten Dienstvergehen nach § 55 Abs. 5 SG zu entlassen, beim Soldaten nicht fruchteten. Die Vorbelastungen sind darüber hinaus auch einschlägig, weil die Disziplinarbußen wegen unerlaubten Fernbleibens sowie wegen Missachtung der körperlichen Integrität eines anderen - seinerzeit eines Kameraden - verhängt wurden. Die strafgerichtliche Verurteilung wegen gemeinschaftlicher Beleidigung eines Polizeibeamten bestätigt das negative Persönlichkeitsbild eines Soldaten, dessen Leistungen zu seiner aktiven Dienstzeit zu keinem Zeitpunkt auch nur durchschnittlich waren und auch gegenwärtig nur durchschnittlich sind. Dass der Soldat im Rahmen der ihm gegenwärtig zuteil werdenden Berufsförderungsmaßnahme nach Aussage des aktuellen Disziplinarvorgesetzten weder positiv noch negativ in Erscheinung getreten, er insbesondere zum Dienst erschienen ist, vermag daran nichts zu ändern. Durchschnittliche Leistungen bilden keinen Milderungsgrund.

32 Soweit das Truppendienstgericht dem Geständnis des Soldaten besonderes Gewicht beigemessen hat, hat es nicht berücksichtigt, dass ein Bestreiten angesichts der strafgerichtlichen Feststellungen ohnehin aussichtslos gewesen wäre. Dem entspricht, dass der Soldat anlässlich seiner Anhörungen zum Erschleichen von dienstfreien Tagen zunächst die Aussage verweigert und sich sodann auf Aussagen im Strafverfahren bezogen hat. Der nur in knapper Form bekundeten Unrechtseinsicht misst der Senat kein hohes Gewicht bei.

33 g) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

34 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.

35 Bei einer außerdienstlich begangenen gefährlichen Körperverletzung bildet den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienstgrad (Urteil vom 24. Mai 2012 - BVerwG 2 WD 18.11 -). Soweit sich der Soldat darüber hinaus das Fernbleiben vom Dienst erschlichen hat, bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägung die Entfernung aus dem Dienstverhältnis deshalb, weil der Soldat nicht nur wiederholt, sondern mit mehr als 11 Tagen auch für einen längeren Zeitraum dem Dienst unerlaubt ferngeblieben ist (Urteil vom 26. April 2012 - BVerwG 2 WD 6.11 - Rn. 30). Dies gilt nicht nur bei einer Gesamtbetrachtung der Abwesenheitszeiträume, sondern auch, wenn isoliert der Zeitraum 1. - 11. November 2010 in den Blick genommen wird. Da das Erschleichen der dienstfreien Arbeitstage mit der Begehung mehrerer Urkundenfälschungen einher ging, bedarf es ganz erheblicher Milderungsgründe auf der zweiten Prüfungsstufe, um von der Regelmaßnahme abzuweichen (Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - Rn. 43 f.).

36 bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die im Fall des Soldaten eine Milderung gegenüber der in Ansatz gebrachten Höchstmaßnahme verlangen (Urteil vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 3 m.w.N. sowie vom 14. April 2011 - BVerwG 2 WD 7.10 - Rn. 15).

37 Dabei ist vor allem hinsichtlich der „Eigenart und Schwere“ sowie der „Auswirkungen“ des Dienstvergehens zu klären, ob die zu verhängende Disziplinarmaßnahme zu modifizieren ist. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z. B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt versagt hat, etwa in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den „Auswirkungen“ des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte oder Untergebene, negative personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog) das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen bei der endgültigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in Betracht zu ziehen.

38 Hiernach bestehen keine Milderungsgründe, die die Entfernung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis unverhältnismäßig werden ließen. Der massiven einschlägigen disziplinaren Vorbelastung des Soldaten, die bei einem milderen Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu einer schwereren Maßnahmeart hätte führen müssen (Urteil vom 13. September 2011 - BVerwG 2 WD 15.10 - Rn. 59), stehen nicht ansatzweise Umstände gegenüber, die eine positive Sozialprognose und die Annahme rechtfertigten, das Vertrauensverhältnis zwischen Dienstherr und Soldat sei bei objektiver Betrachtung nicht zerstört. Insbesondere die dienstrechtlich möglicherweise problematische Praxis, den Soldaten nicht auftragsgemäß beschäftigt zu haben, ist nicht annähernd von solchem Gewicht. Sie war auf sein vorangegangenes Fehlverhalten zurückzuführen. Im Übrigen ist bei etwaigen Missständen, die den Soldaten in seinen Rechten verletzen, der Rechtsweg zu beschreiten; deshalb eigenmächtig fernzubleiben, ist ihm verwehrt. Nichts anderes ergibt sich aus den partiell geständigen Einlassungen, der verbal bekundeten Unrechtseinsicht und den zeitweise wenigstens durchschnittlichen Leistungen.

39 h) Die Voraussetzungen, unter denen die Gewährung des Unterhaltsbeitrags gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 WDO wegen Unwürdigkeit auszuschließen ist, lagen noch nicht vor (Urteil vom 21. September 2004 - BVerwG 2 WD 11.04 - NZWehrr 2005, 39 f. = juris Rn. 4 und Urteil vom 27. Oktober 2005 - BVerwG 2 WD 4.05 - Buchholz 235.01 § 63 WDO 2002 Nr. 1 = juris Rn. 4).

40 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO. Es liegen keine Umstände vor, die es gerechtfertigt hätten, gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WDO die Kosten oder gemäß § 140 Abs. 3 Satz 3 WDO die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen.