Beschluss vom 14.03.2017 -
BVerwG 4 BN 40.16ECLI:DE:BVerwG:2017:140317B4BN40.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.03.2017 - 4 BN 40.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:140317B4BN40.16.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 40.16

  • OVG Koblenz - 13.10.2016 - AZ: OVG 1 C 11118/15

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan "Alter Sportplatz, 2. Änderung" der Antragsgegnerin wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für unwirksam erklärt. Der Plan sei nicht für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich. Alleinige städtebauliche Zielsetzung der Antragsgegnerin sei die Errichtung eines Seniorenpflegeheims auf der gesamten bebaubaren Fläche des Plangebiets. Die Verwirklichung dieses Planungsziels sei mit der Festsetzung eines Mischgebiets nicht zu vereinbaren, weil die geplante Errichtung eines Seniorenpflegeheims eine Wohnnutzung darstelle und für eine ins Gewicht fallende gewerbliche Nutzung wegen der beabsichtigten vollständigen Ausnutzung der bebaubaren Flächen des Mischgebiets für dieses Einzelvorhaben kein Raum mehr bliebe. Faktisch zielten die Planungsvorstellungen der Antragsgegnerin auf die Etablierung eines Sondergebiets "Seniorenpflegeheim". Unabhängig davon sei das Plankonzept widersprüchlich, weil die Antragsgegnerin einerseits ein Mischgebiet mit seiner breiten Variation unterschiedlicher Nutzungen zulasse, andererseits aber nur die Ansiedlung eines konkreten Altenpflegeheims auf der gesamten Mischgebietsfläche im Auge habe.

3 Ist die vorinstanzliche Entscheidung wie hier auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt es nicht, die Revision wegen der ersten Begründung zuzulassen. Es kann daher offen bleiben, ob hinsichtlich der zweiten Begründung ein Revisionszulassungsgrund dargelegt und gegeben ist.

4 Die Antragsgegnerin versucht durch die Gliederung ihrer Beschwerdebegründung den Eindruck zu erwecken, sie greife beide Begründungen des Oberverwaltungsgerichts mit jeweils einer Divergenzrüge und hilfsweise einer Grundsatzrüge an. In Wahrheit bringt sie gegen die erste Begründung keinen Grund für die Zulassung der Revision in Stellung, weil keine ihrer Rügen auf die vom Oberverwaltungsgericht als fehlerhaft beanstandete Ausweisung eines Mischgebiets statt eines gewollten, aber nicht festgesetzten Sondergebiets "Seniorenpflegeheim" gemünzt ist. Die Rügen auf den Seiten 6 bis 13 (Teil III) der Beschwerdebegründung beziehen sich ebenso wie die Rügen auf den Seiten 14 bis 19 (Teil IV) allein auf die zweite Begründung.

5 Die Divergenzrüge auf Seite 6 ff. nimmt Bezug auf Seite 8 des Urteils. Dort (UA S. 8) habe das Oberverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass sich die Antragsgegnerin bei einem projektbezogenen Angebotsbebauungsplan zur städtebaulichen Rechtfertigung des Plans nicht auf seinen Angebotscharakter berufen könne. Dem liege der Rechtssatz zugrunde, ein projektbezogener Bebauungsplan sei nur dann im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt, wenn die Gemeinde ihre planerische Zielsetzung mit der konkreten Planung vollständig umsetze. Dieser Rechtssatz weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2015 - 4 CN 8.14 - (BVerwGE 153, 16), namentlich von dem darin enthaltenen Rechtssatz ab, die Gemeinde betreibe auch dann noch eine von der gesetzlichen Ermächtigung in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB getragene städtebauliche Planung, wenn die getroffenen Festsetzungen jedenfalls geeignet seien, einen Beitrag zur Förderung der Planungsziele zu leisten.

6 Seite 8 des Urteils befasst sich allein mit der zweiten Begründung. Die erste Begründung endet auf Seite 7. Aber nicht nur formal, sondern auch inhaltlich knüpft die Antragsgegnerin die Divergenzrüge an die zweite Begründung. Gegenstand ihrer Kritik ist erkennbar das auf Seite 8 des Urteils ausgesprochene Verbot der Gemeinde, sich einmal auf den offenen Angebotscharakter des Bebauungsplans, ein anderes Mal aber auf dessen Projektbezug zu berufen, um die Rechtmäßigkeit einzelner Festsetzungen zu begründen.

7 Die hilfsweise erhobene Grundsatzrüge auf Seite 11 ff. ist ebenfalls auf die zweite Begründung zugeschnitten. Denn sie ist für den Fall formuliert, dass die Divergenzrüge nicht durchgreift, weil dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2015 - 4 CN 8.14 - (BVerwGE 153, 16) kein Rechtssatz entnommen werden kann, mit dem der beanstandete Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar ist.

8 Vor dem Hintergrund der tatsächlichen, den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wäre zur ersten Begründung an die Grundsatzfrage zu denken, ob die Festsetzung eines Mischgebiets mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB vereinbar ist, obwohl der Plangeber das gesetzlich vorgesehene gleichberechtigte Miteinander von Wohnen und Gewerbe gar nicht anstrebt. Diese Frage hat die Antragsgegnerin aber nicht gestellt. Sie wäre aller Voraussicht nach auch zu verneinen (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 17. Mai 2013 - 8 S 313/11 - ZfBR 2013, 692 <694> = juris Rn. 34; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 605)

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.