Verfahrensinformation

Die Kläger in beiden Verfahren sind Grundeigentümer von Flurstücken in Thüringen, die mit Stallgebäuden bebaut sind, die im (nach dem Recht der ehemaligen DDR möglichen) Gebäudeeigentum eines Dritten (der Beigeladenen) stehen. Für die Flurstücke ist ein Flurbereinigungsverfahren eingeleitet. Sowohl die Kläger als auch die Beigeladenen haben Anträge gemäß § 64 LwAnpG auf Zusammenführung des Boden- und Gebäudeeigentums jeweils in ihrer Hand gestellt. Da eine einvernehmliche Lösung darüber nicht zustande kam, hat das Flurneuordnungsamt in dem hier angefochtenen Änderungsbeschluss zu dem Flurbereinigungsverfahren angeordnet, dass die Flurbereinigung unter entsprechender Anwendung der Vorschriften des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes durchgeführt werden soll; es strebt an, auf diese Weise innerhalb des Flurbereinigungsverfahrens auch eine Lösung des Konflikts zwischen den Boden- und Gebäudeeigentümern herbeizuführen. Das Oberverwaltungsgericht (Flurbereinigungsgericht) hat diese Anordnung aufgehoben, weil das Gesetz eine solche Verfahrensweise nicht vorsehe. Hiergegen wendet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision der beklagten Flurneuordnungsverwaltung.


Urteil vom 14.12.2005 -
BVerwG 10 C 6.04ECLI:DE:BVerwG:2005:141205U10C6.04.0

Leitsatz:

Bundesrecht - insbesondere § 63 Abs. 3 LwAnpG - verbietet es nicht, ein Flurbereinigungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz und ein Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz in der Weise miteinander zu kombinieren, dass die Verfahren parallel betrieben und die zu treffenden Entscheidungen gebündelt werden. Voraussetzung ist, dass die in dem jeweiligen Verfahren geltenden formellen und materiellen Voraussetzungen beachtet werden und der Betroffene durch die Kombination der Verfahren nicht schlechter gestellt wird, als wenn die Verfahren getrennt und nacheinander durchgeführt und abgeschlossen würden.

Urteil

BVerwG 10 C 6.04

  • OVG Weimar - 04.11.2003 - AZ: OVG 7 F 293/02 -
  • Thüringer OVG - 04.11.2003 - AZ: OVG 7 F 293/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2005
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r , Prof. Dr. R u b e l ,
Prof. Dr. E i c h b e r g e r und D o m g ö r g e n
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts - Flurbereinigungsgerichts - vom 4. November 2003 wird aufgehoben, soweit darin Ziff. 2 des Änderungsbeschlusses Nr. 5 des Flurneuordnungsamtes Gera (jetzt Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung Gera) vom 9. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt vom 26. März 2002 aufgehoben worden ist.
  2. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
  3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

I


das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts - Flurbereinigungsgericht - vom 4. November 2003 aufzuheben, soweit darin Ziff. 2 des Änderungsbeschlusses Nr. 5 des Flurneuordnungsamtes Gera (jetzt Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung Gera) vom 9. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt vom 26. März 2002 aufgehoben worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
die Revision zurückzuweisen.

II


Ramsauer, a.a.O., § 9 Rn. 46; P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9 Rn. 190). In diesem Sinne wird auch die Ziff. 2 des Änderungsbeschlusses Nr. 5 erkennbar von der Zielsetzung getragen, auf möglichst einfachem, zweckmäßigem und zügigem Wege eine Entscheidung über die Zusammenführung des bislang auseinander fallenden Gebäude- und Bodeneigentums der beiden Flurstücke herbeizuführen. Dabei sieht der Beklagte den entscheidenden Vorzug eines kombinierten Verfahrens darin, dass bei einer größeren Fläche des Verfahrensgebiets auch die Chancen steigen, geeignete und akzeptable Ersatzflächen für denjenigen Betroffenen (Gebäude- oder Bodeneigentümer) zu finden, der infolge einer für ihn nachteiligen Zusammenführungsentscheidung einen Rechtsverlust erleidet. Letztlich läuft die hier umstrittene Verfahrensweise darauf hinaus, dass die Flurneuordnungsbehörde in einem Entscheid mehrere Regelungen (Verwaltungsakte) zusammenfasst, indem sie in dem letztlich ergehenden Beschluss über den Flurbereinigungsplan zugleich die Entscheidung über die Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum trifft. Insoweit ist kein (verfahrens-)rechtlicher Hinderungsgrund zu erkennen, warum diese Verwaltungsakte nicht in einem kombinierten Verfahren, quasi im Verbund, vorbereitet und in einem Beschluss zusammengefasst werden sollten, sofern ihre jeweiligen formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen. Es handelt sich der Sache nach um eine Bündelung von Verfahren und Verwaltungsakten. Das Bundesverwaltungsgericht hat es in der erwähnten Entscheidung zur Zulässigkeit der Kombination von Regel- und Unternehmensflurbereinigung schon genügen lassen, dass die aus dem Zweck der beiden Verfahren sich ergebenden Aufgaben und Befugnisse der Flurbereinigungsbehörde sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern infolge der doppelten Zielsetzung des kombinierten Verfahrens um die Befugnisse des weiteren Verfahrens erweitert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1982, a.a.O., S. 230). So liegt es auch hier: Die Aufgaben und Befugnisse der nach beiden Gesetzen zuständigen (Flurbereinigungs-/Bodenordnungs-)Behörde schließen sich nicht aus - im Gegenteil, sie sind ähnlich: In beiden Fällen geht es um die Neuordnung des Verfahrensgebietes: Im Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz geht es (als spezifisches Problem der neuen Länder) um die Herstellung BGB-konformer Eigentumsverhältnisse an einer (in der Regel) kleineren Fläche von Grundstücken, im Flurbereinigungsverfahren um die Neuordnung der Grundstücke gemäß dem umfassenderen Gestaltungsauftrag dieses Gesetzes, jeweils mit der gleich gelagerten Zielstellung einer Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktions- und Arbeitsbedingungen (vgl. zum einen § 3 LwAnpG, zum anderen §§ 1, 37 Abs. 1 FlurbG).