Beschluss vom 15.05.2008 -
BVerwG 5 B 15.08ECLI:DE:BVerwG:2008:150508B5B15.08.0

Beschluss

BVerwG 5 B 15.08

  • VG Potsdam - 14.11.2007 - AZ: VG 6 K 3538/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Mai 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Dr. Brunn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. November 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31 985 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO.

2 Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die Beschwerde in materieller Hinsicht die beiden Gesichtspunkte weiterverfolgt, welche vom Verwaltungsgericht unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sachlich zurückgewiesen worden sind, verbindet sich mit dem Streitverfahren weder eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weicht das angefochtene Urteil im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ab, noch haftet dem angefochtenen Urteil ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) an.

3 1. Die Beschwerde wiederholt und vertieft im Schwerpunkt das klägerische Vorbringen, wonach die ihr im Grunde zugebilligte Entschädigung wegen Zwangsverkaufs eines Grundstücks (zur Ermöglichung einer Ausreise aus der früheren DDR) zu niedrig bemessen sei bzw. ihr ein Anspruch auf ein so genanntes Ersatzgrundstück (§ 9 VermG a.F.) zustehe. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - (BVerfGE 102, 254) abgestellt, wonach der bundesdeutsche Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war, für Vermögensverluste eine Wiedergutmachung zu gewähren, die wertmäßig einer Restitution gleichkommt (a.a.O. S. 304), was die Klägerinnen der Sache nach verlangen; insbesondere zwingt die Verfassung nicht dazu, Fällen von Zwangsverkäufen aus Gründen der Ermöglichung einer DDR-Ausreise wertmäßig eine besondere Bedeutung zuzubilligen, die sie aus der Gruppe derjenigen Schädigungen heraushöbe, welche das Vermögensgesetz in seinem § 1 als grundsätzlich zur Zurückübertragung verpflichtende Vermögensschädigungen bestimmt hat. Die von der Beschwerde herangezogenen Bestimmungen im Zusammenhang der Menschenrechtskonvention führen zu keinem anderen Ergebnis.

4 Deshalb sind die auf Seite 16 der Beschwerdeschrift formulierten Fragen sämtlich zu verneinen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Insbesondere geht der Gedanke fehl, dass im vorliegenden Zusammenhang in der Rechtsprechung des EGMR entwickelte Grundsätze der „legitimen Erwartungshaltung“ fruchtbar zu machen seien.

5 Entsprechendes gilt für die Auffassung der Klägerinnen, sie könnten ein wertgleiches Ersatzgrundstück beanspruchen; auch insoweit hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Juni 2002 - 1 BvR 771/02 - dargelegt, dass die Streichung der Vorschrift in § 9 VermG a.F., nach welcher unter bestimmten weiteren Voraussetzungen grundsätzlich ein Ersatzgrundstück beansprucht werden konnte, weder der Eigentumsgarantie noch anderen Verfassungsbestimmungen widerspricht, insbesondere eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung nicht vorliegt. Auch insoweit folgt aus internationalem Recht nichts anderes.

6 2. Ersichtlich unzutreffend ist schließlich die Rüge, das angefochtene Urteil weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 1999 - BVerwG 3 C 31.98 - (Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 6) ab. Gegenstand des bezeichneten Verfahrens war u.a. die Frage, ob und inwieweit durch Behörden der DDR erlassene Verwaltungsakte nach dem Beitritt der DDR wirksam geblieben sind bzw. ob eine fortdauernde Wirksamkeit schon deswegen auszuschließen ist, weil der Verwaltungsakt bereits nach DDR-Recht nichtig war. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass zur Klärung solcher Fragen grundsätzlich auf die DDR-Rechtslage (unter Einfluss der gelebten Rechtswirklichkeit) zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes abzustellen ist. Um solche Fragen geht es im Streitverfahren indessen nicht; die Klägerinnen haben im Vorfeld des Entschädigungsverfahrens nicht die bestandskräftige behördliche Entscheidung des Landrats des Kreises H. vom 5. März 1997 in Frage gestellt, wonach die Rückgabe des zwangsveräußerten Grundstücks unmöglich war, weil die Erwerber redlich erworben hatten (und damit die zu DDR-Zeiten erfolgte Eigentumsübertragung nicht nichtig war und Bestand behielt), so dass die sinngemäße Forderung der Beschwerde unbegründet ist, die Erbinnen der geschädigten früheren Eigentümerin des Grundstücks müssten so gestellt werden, als wäre der Verkauf nicht erfolgt und sie deswegen Eigentümerinnen (geblieben) seien.

7 3. Schließlich ist vor dem Hintergrund des Vorstehenden der Vorwurf unbegründet, dem angefochtenen Urteil hafte ein Verfahrensmangel an. Namentlich hat das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerinnen zur Kenntnis genommen und gewürdigt, freilich ist es der Auffassung der Klägerinnen nicht gefolgt, worin kein Verfahrensmangel liegt. Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz rügt und dies damit begründet, dass das Gericht den Sachverhalt nicht hinreichend berücksichtigt und falsch gewürdigt habe (es habe einen Rechtsstandpunkt entwickelt, der denklogisch so nicht vertreten werden könne), wird bereits nicht klar, inwiefern sich die bemängelten vermeintlichen Verstöße auf die tatsächliche Würdigung durch das Gericht beschränken (und die rechtliche Subsumtion nicht berühren) sollen; nur in diesem Fall könnte ein Verfahrensfehler vorliegen (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> und Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Einen Verstoß gegen Denkgesetze legt die Beschwerde jedenfalls nicht dar; insbesondere liegt es auch im vorliegenden Zusammenhang neben der Sache, die Grundsätze einer „legitimen Erwartungshaltung“ heranziehen zu wollen.

8 Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der gemäß §§ 47, 52 GKG durchzuführenden Streitwertbemessung folgt der beschließende Senat dem Verwaltungsgericht.