Urteil vom 17.03.2008 -
BVerwG 6 C 22.07ECLI:DE:BVerwG:2008:170308U6C22.07.0

Leitsatz:

Erhält ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, der zugleich als Hochschullehrer in beschränktem Umfang tätig sein darf, für seine Hochschultätigkeit eine reduzierte Vergütung, so ist diese teilweise auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen.

  • Rechtsquellen
    AbgG § 9 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Satz 1

  • OVG Berlin-Brandenburg - 11.01.2007 - AZ: OVG 3 B 32.05 -
    OVG Berlin-Brandenburg - 11.01.2007 - AZ: OVG 3 B 32.05

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 17.03.2008 - 6 C 22.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:170308U6C22.07.0]

Urteil

BVerwG 6 C 22.07

  • OVG Berlin-Brandenburg - 11.01.2007 - AZ: OVG 3 B 32.05 -
  • OVG Berlin-Brandenburg - 11.01.2007 - AZ: OVG 3 B 32.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn,
Dr. Graulich, Vormeier und Dr. Bier
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Anrechung eines Teils der von ihm für seine Tätigkeit als Hochschullehrer bezogenen Vergütung auf seine Abgeordnetenentschädigung. Er gehörte in der Zeit vom 17. Dezember 1990 bis zum 17. Oktober 2002 dem Deutschen Bundestag als Abgeordneter an. Gleichzeitig war er an der Ludwig-Maximilian-Universität München als Hochschullehrer tätig. Hierfür erhielt er eine gemäß § 9 Abs. 2 AbgG gekürzte Vergütung in Höhe von 25 v.H. der Dienstbezüge, die aus dem Professorendienstverhältnis zu zahlen gewesen wären.

2 Mit Schreiben vom 19. Dezember 2001 teilte die Verwaltung des Deutschen Bundestages dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, das Einkommen aus seiner Tätigkeit als Hochschullehrer teilweise auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen. Dem trat der Kläger entgegen.

3 Die Verwaltung des Deutschen Bundestages setzte mit Bescheid vom 18. April 2002 die Abgeordnetenentschädigung des Klägers ab Mai 2002 neu fest. Hierbei rechnete sie die Bezüge des Klägers als Hochschullehrer auf der Grundlage einer Mitteilung der Bezirksfinanzdirektion München vom März 2002 teilweise an und kürzte unter Berufung auf § 29 Abs. 1 AbgG die dem Kläger zustehende Abgeordnetenentschädigung um monatlich 541,99 €.

4 Der Kläger hat Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids vom 18. April 2002 erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend gemacht hat, § 9 Abs. 2 AbgG stelle für den Berufsstand der Hochschullehrer eine abschließende Anrechnungsregelung dar, neben der § 29 AbgG nicht zusätzlich Anwendung finden dürfe. Werde neben der Kürzung seiner Vergütung für seine Tätigkeit als Hochschullehrer noch die Anrechnungsregelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG angewandt, so führe dies zu einer doppelten Anrechnung, die etwa im Hinblick auf Regierungsmitglieder gleichheitswidrig sei. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen sei, dass für Hochschullehrer die allgemeine Anrechnungsregelung des § 29 AbgG gelten solle, so hätte er es im Text der Vorschrift ausdrücklich anordnen müssen. Im Übrigen bedürfe die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Kürzungsbetrages der Überprüfung.

5 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, eine Ungleichbehandlung von Hochschullehrern und Regierungsmitgliedern liege nicht vor, da beide Gruppen der Anrechnungsregelung des § 29 Abs. 1 AbgG unterfielen. Bei § 9 Abs. 2 AbgG handele es sich nicht um eine spezielle Anrechnungsvorschrift, die derjenigen des § 29 Abs. 1 AbgG vorgehe. Auch im Hinblick auf die in § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG geregelte Hinzuverdienstgrenze liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht vor. Die ungleiche Behandlung von Regierungsmitgliedern einerseits und Hochschullehrern andererseits beruhe auf sachlichen Gründen.

6 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 9 Abs. 2 AbgG stelle keine abschließende spezialgesetzliche Regelung dar, welche die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 AbgG ausschließe. Die Vorschriften regelten jeweils andere Sachverhalte. Dies ergebe sich aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 AbgG und der systematischen Auslegung der Vorschriften. Die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 AbgG auf den Kläger verletze nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

7 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen: Die Anrechnung der Vergütung, die der Kläger aus seiner neben dem Abgeordnetenmandat ausgeübten Tätigkeit als Hochschullehrer erziele, finde ihre rechtliche Grundlage in § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG. Danach werde die in § 11 AbgG bestimmte Abgeordnetenentschädigung um 50 v.H. gekürzt, wenn ein Mitglied des Bundestages neben der Abgeordnetenentschädigung Anspruch auf Einkommen aus einem Amtsverhältnis oder aus der Verwendung im öffentlichen Dienst habe. Der Kürzungsbetrag dürfe jedoch 30 v.H. des Einkommens nicht übersteigen. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift seien erfüllt. Ausweislich der Bezügemitteilungen der zuständigen Besoldungsstelle handele es sich bei der von dem Kläger für die Tätigkeit als Hochschullehrer bezogenen Vergütung um Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst. Damit sei diese Vergütung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen.

8 Dies führe nicht zu einer doppelten Anrechnung der aus der Tätigkeit als Hochschullehrer bezogenen Vergütung. Vielmehr erfolge eine solche Anrechnung nur im Rahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG. § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG stellte keine Anrechnungsregelung dar, sondern die Bestimmung einer Hinzuverdienstgrenze. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG könnten Hochschullehrer eine Tätigkeit in Forschung und Lehre sowie die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden während der Mitgliedschaft im Bundestag wahrnehmen. Damit nehme sie das Gesetz von der in § 5 AbgG normierten grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Abgeordnetenmandats mit einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis aus.

9 Eine Ungleichbehandlung des Klägers finde gegenüber der von ihm in diesem Zusammenhang genannten Vergleichsgruppe der Bundesminister und Parlamentarischen Staatssekretäre nicht statt. Deren Bezüge seien als Einkommen aus einem Amtsverhältnis nach dem klaren Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen. Diese Anrechnung werde nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten von der Verwaltung des Deutschen Bundestages auch tatsächlich vorgenommen. Nichts anderes geschehe hinsichtlich der Vergütung des Klägers für seine neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeit als Hochschullehrer.

10 Dass § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG verfassungswidrig sei, wolle der Kläger ausdrücklich nicht geltend machen. Hierfür sei unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Abs. 1 GG auch nichts ersichtlich. Das Fehlen einer dem § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG vergleichbaren Hinzuverdienstgrenze für Regierungsmitglieder, die zugleich Bundestagsabgeordnete seien, verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr rechtfertigten sachliche Gründe diese unterschiedliche Behandlung. Die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG diene dem Zweck, die zeitliche Inanspruchnahme des Abgeordneten durch eine Hochschullehrertätigkeit neben dem Bundestagsmandat in einem überschaubaren Umfang zu halten. Dies werde von Regierungsmitgliedern, insbesondere den Bundesministern, gerade nicht erwartet. Deren Aufgabe bestehe darin, im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen. Ihre Amtstätigkeit nehme ihre Arbeitskraft typischerweise vollkommen, zumindest weit überwiegend in Anspruch. Diese zwingend mit der Übernahme eines Regierungsamtes einhergehende Belastung bilde einen ausreichenden sachlichen Grund dafür, den Umfang der von dieser Personengruppe „neben“ dem Bundestagsmandat geleisteten Amtstätigkeiten nicht durch eine den § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG vergleichbare Regelung zu beschränken. Dass Regierungsmitglieder zugleich ein Bundestagsmandat innehaben dürften, entspreche der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland und dem traditionellen deutschen Verfassungsverständnis seit der Weimarer Zeit. Eine gleichheitswidrige Benachteilung des Klägers im Hinblick auf die Frage der Anrechnung einer Vergütung für die neben dem Mandat ausgeübte Hochschullehretätigkeit auf die Abgeordnetenentschädigung folge daraus nicht.

11 Die Beklagte habe ihre Berechtigung, die vom Kläger für seine außerparlamentarische Tätigkeit bezogene Vergütung auf die ihm zustehende Abgeordnetenentschädigung anzurechnen, für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum nicht verwirkt.

12 Die Berechnung des Kürzungsbetrages von 541,99 € gebe keinen Anlass zur Beanstandung. Die Beklagte habe auf der Grundlage der Bezügemitteilung vom März 2002 die Vergütungsbestandteile Grundgehalt, Familienzuschlag und ruhegehaltsfähige Überleitungssonderzuschüsse mit zusammen 1 806,63 € in Ansatz gebracht und hieraus den in § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG genannten Betrag von 30 v.H. rechnerisch richtig mit 541,99 € ermittelt.

13 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision. Der Kläger macht unter Wiederholung und Vertiefung seiner Rechtsauffassung geltend, das Oberverwaltungsgericht habe das Verhältnis der Regelungen in § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG einerseits und § 29 Abs. 1 AbgG andererseits verkannt und damit revisibles Bundesrecht verletzt. Außerdem habe das Berufungsgericht nicht geprüft, ob er als Professor überhaupt in einem Dienstverhältnis zum Freistaat Bayern gestanden habe. Er müsse wie ein Honorarprofessor angesehen werden, der ohne Lehrauftrag nicht im öffentlichen Dienst verwendet werde. Außerdem habe die Beklagte eine Befugnis zur Anrechnung der Einkünfte aus der Professorentätigkeit auch verwirkt. Er habe seit seiner Wahl in den Deutschen Bundestag im Jahre 1990 der Bundestagsverwaltung seine Tätigkeit an der Universität München als Hochschullehrer stets ordnungsgemäß angezeigt. Dennoch habe die Bundestagsverwaltung erst am 5. Dezember 2001 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Einkommen aus seiner Tätigkeit als Hochschullehrer auf die Abgeordnetenentschädigung anzurechnen.

14 Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt die Rechtsausführungen des angefochtenen Urteils.

II

15 1. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Parteien sich damit einverstanden erklärt haben (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

16 2. Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Revision muss daher zurückgewiesen werden.

17 a) Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der Vergütung, die der Kläger aus seiner neben dem Abgeordnetenmandat ausgeübten Tätigkeit als Hochschullehrer erzielt hat, hat ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz - AbgG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 (BGBl I S. 326), hier anzuwenden mit den Änderungen durch Art. 4 des Gesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl I S. 693). Danach wird die in § 11 AbgG bestimmte Abgeordnetenentschädigung um 50 v.H. gekürzt, wenn ein Mitglied des Bundestages neben der Abgeordnetenentschädigung Anspruch auf Einkommen aus einem Amtsverhältnis oder aus der Verwendung im öffentlichen Dienst hat; der Kürzungsbetrag darf jedoch 30 v.H. des Einkommens nicht übersteigen.

18 aa) Die Vergütung, die der Kläger für die Tätigkeit als Hochschullehrer bezogen hat, stellt Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst dar. Die Verwendung im öffentlichen Dienst bestimmt sich gemäß § 29 Abs. 9 AbgG nach § 53 Abs. 8 BeamtVG. Danach ist die Verwendung im öffentlichen Dienst jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände; ausgenommen ist die Beschäftigung bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden. Der Freistaat Bayern gehört zu den in § 53 Abs. 8 BeamtVG genannten juristischen Personen. Der Kläger wurde im öffentlichen „Dienst“ verwendet. Kennzeichnend für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst ist ein Abhängigkeitsverhältnis, kraft dessen der Beschäftigte dem Dienstherrn zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet ist und grundsätzlich bezüglich der Art und Weise seiner Tätigkeit Weisungen des Dienstherrn unterworfen ist (Urteile vom 22. Juli 1965 - BVerwG 2 C 22.64 - BVerwGE 22, 1 <3>, vom 29. Juni 1970 - BVerwG 6 C 41.66 - Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 19 S. 15 und vom 7. Januar 1980 - BVerwG 6 C 110.78 - Buchholz 235 § 28 BBesG Nr. 2 S. 3 f.). Dabei ist die Weisungsgebundenheit zwar ein Indiz, nicht aber ein essenzielles Merkmal der Verwendung im öffentlichen Dienst (so Bayer in: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, § 53 BeamtVG Rn. 50c). Wesentlich ist vielmehr eine Eingliederung in die Organisation der genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Das wird bestätigt durch den Umstand, dass Richter im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, obwohl die rechtsprechende Tätigkeit weisungsfrei ausgeübt wird. Als Gegensatz ist namentlich die Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Selbstständiger anzusehen, etwa als Rechtsanwalt. Die Verpflichtung zu Dienstleistungen kann aus einem Beamtenverhältnis oder auch einem privatrechtlichen Dienstverhältnis fließen. Auf die rechtliche Natur der zwischen dem Dienstleistenden und dem Dienstherrn bestehenden Beziehung kommt es nicht an, sondern nur auf die tatsächlichen Umstände der Dienstleistung (Urteil vom 7. Januar 1980 a.a.O.).

19 bb) Der Kläger stand bis zur Annahme seiner Wahl in den Deutschen Bundestag als Professor im Dienst des Freistaats Bayern (§ 46 HRG, Art. 2 Abs. 4 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer sowie des weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen <Bayerisches Hochschullehrergesetz - BayHSchLG> vom 5. September 2000 <GVBl S. 712>). Mit der Annahme seiner Wahl ruhten für die Dauer seiner Mitgliedschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AbgG seine Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG konnte der Kläger jedoch - wie geschehen - eine Tätigkeit in Forschung und Lehre sowie die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden während der Mitgliedschaft im Bundestag wahrnehmen. Die Vergütung für die Tätigkeit als Hochschullehrer war nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbgG entsprechend den tatsächlich erbrachten Leistungen zu bemessen und durfte nach Satz 3 der Bestimmung 25 v.H. der Bezüge, die aus dem Dienstverhältnis als Hochschullehrer zu zahlen gewesen wären, nicht übersteigen.

20 (1) Für diese Tätigkeit hat der Kläger ausweislich des Schreibens der Bezirksfinanzdirektion München tatsächlich 25 v.H. der Dienstbezüge aus dem Professorendienstverhältnis erlangt. Dies setzt voraus, dass er eine entsprechende Dienstleistung erbringen musste. Er war frei darin, die in § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG umschriebenen Tätigkeiten zu übernehmen. Nachdem er aber freiwillig die Tätigkeiten übernommen hatte und dafür eine Vergütung erhielt, war er verpflichtet, sie auszuüben und entsprechend der Höhe der Vergütung etwa ein Viertel der von einem beamteten Hochschullehrer geforderten Leistungen zu erbringen. Er hatte zudem nach § 9 Abs. 1 AbgG einen Anspruch darauf, nach Beendigung des Mandats im bisherigen Amt an der gleichen Hochschule wiederverwendet zu werden. Daraus folgt, dass seine grundsätzliche Einbindung in die Hochschule - wenn auch in reduziertem Umfang - fortbestand.

21 (2) Diese Rechtsstellung, die gekennzeichnet ist durch eine Kontinuität seiner Zugehörigkeit zur Hochschule, unterscheidet den mandatierten Professor von derjenigen eines Honorarprofessors ohne Lehrauftrag, von dessen ggf. vorliegender Vergütung angenommen worden ist, dass es sich dabei nicht um ein Einkommen aus einem Amtsverhältnis oder einer Verwendung im öffentlichen Dienst handelt, weil es - anders als bei dem Lehrbeauftragten (dazu Urteil vom 21. Dezember 1982 - BVerwG 6 C 68.78 - BVerwGE 66, 324 <326 ff.>) - an dem nötigen Abhängigkeitsverhältnis fehlt (Urteil vom 22. Juli 1965 a.a.O.). Das Bayerische Hochschullehrergesetz sieht vor, dass der Honorarprofessor mit seiner Bestellung Mitglied der Hochschule wird, dass die Begründung eines Dienstverhältnisses mit der Bestellung nicht verbunden ist, kein Anspruch auf Dienst- und Versorgungsbezüge besteht, und keine Anwartschaft auf Bestellung zum Professor begründet wird (Art. 29 Abs. 1 BayHSchLG). Honorarprofessoren sind berechtigt, im Rahmen der verfügbaren Räume und Ausstattung in ihrem Fachgebiet Lehrveranstaltungen zu halten; sie haben ihre Lehrveranstaltungen an den Anforderungen des Fachs sowie an den Studien- und Prüfungsordnungen auszurichten. Für Lehrveranstaltungen, die zur Vollständigkeit des Lehrangebots erforderlich sind, erhalten sie eine Lehrvergütung. Eine Unterscheidung zwischen Honorarprofessuren mit und ohne Lehrauftrag sieht das Gesetz nicht vor. Ob bei ihnen eine Anrechnung einer etwaigen Vergütung auf die Abgeordnetenentschädigung erfolgen kann, kann daher zumindest fraglich sein. Demgegenüber ist die Rechtsstellung des mandatierten Hochschulprofessors wie des Klägers gerade durch die Fortdauer seiner Zugehörigkeit zur Hochschule gekennzeichnet. Er ist verpflichtet, Lehrveranstaltungen entsprechend der ihm gewährten Vergütung abzuhalten. Seine Vergütung ist unabhängig davon, ob die Lehrveranstaltungen zur Vollständigkeit des Lehrangebots erforderlich sind. Seine Betätigung in Forschung und Lehre ist ein Ausfluss aus seiner Berufung zum beamteten Hochschullehrer. Nur weil er diese Rechtsstellung hatte und die Rechte aus dem Dienstverhältnis nicht aufgehoben sind, sondern nur ruhen, kann er von der ihm zustehenden Befugnis des § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG Gebrauch machen. Damit werden einzelne Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis beibehalten, es entsteht eine „Teilzeitbeschäftigung“ (so BTDrucks 8/4114 S. 6).

22 cc) § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass bei Professoren, die von der Befugnis des § 9 Abs. 2 AbgG Gebrauch gemacht haben, eine Anrechnung deshalb nicht zu erfolgen hat, weil ihre Vergütung für die in § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG umschriebene Tätigkeit bereits nach § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG zu reduzieren ist. § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG stellt nämlich keine Anrechnungsregelung dar, sondern eine Bestimmung, die mittelbar die Grenze des Umfangs der neben einem Abgeordnetenmandat ausgeübten Professorentätigkeit regelt. Fehlt es an einer zweifachen Anrechung, kommt eine teleologische Reduktion des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG nicht in Betracht.

23 (1) Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG ergibt nicht, dass die Anrechnung vom Einkommen oder Vergütungen auf die Abgeordnetenentschädigung geregelt wird. Der Begriff „Anrechnung“ ist in der Bestimmung ebenso wenig enthalten wie eine Regelung über das Maß einer Anrechnung. Die Bestimmung gibt ihrem Wortlaut nach nur die Grenze vor, bis zu der die parallel zum Abgeordnetenmandat ausgeübte Nebentätigkeit als Hochschullehrer vergütet werden darf. Diese Grenze wird durch einen prozentualen Anteil der Bezüge aus dem Dienstverhältnis als Hochschullehrer bestimmt, nicht etwa durch einen Vomhundertsatz der Abgeordnetenentschädigung. Dies zeigt, dass die Höhe der Abgeordnetenentschädigung nicht Gegenstand der Regelung ist.

24 (2) Gegen den Charakter einer Anrechnungsregelung spricht auch die systematische Stellung des § 9 Abs. 2 AbgG im Dritten Abschnitt des Abgeordnetengesetzes, der die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes betrifft. Hochschullehrern wird abweichend von der grundsätzlichen Inkompatibilität der Ausübung eines Mandats und einer Beamtentätigkeit eine berufliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst gestattet. Hochschullehrer unterfallen, wenn sie Beamte sind, grundsätzlich den §§ 5 ff. AbgG, die sich ebenfalls im Dritten Abschnitt des Gesetzes befinden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AbgG ruhen die Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines in den Bundestag gewählten Beamten mit bestimmten Ausnahmen vom Tag der Annahme der Wahl an. Damit trägt § 5 AbgG der grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Abgeordnetenmandats mit einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Rechnung. Demgegenüber berücksichtigt § 9 Abs. 2 Satz 1 AbgG das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre aus Art. 5 Abs. 3 GG dahin, dass Hochschullehrer auch während der Mitgliedschaft im Bundestag in ihrem Beruf tätig sein können. Das ist eine Folge des Umstandes, dass beim Hochschullehrer nach der Art seiner Aufgabe in Forschung und Lehre die Möglichkeit einer Interessenkollision ausscheidet (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1964 - 2 BvR 319/61 - BVerfGE 18, 172 <185>) oder doch jedenfalls in nur eingeschränktem Umfang besteht. Damit weicht diese Vorschrift von der Grundregelung des § 5 AbgG ab. Für die Tätigkeit als Hochschullehrer kann der Abgeordnete jedoch keine Dienstbezüge erhalten, soweit die Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis ruhen. Darauf bezieht sich die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG, die bestimmt, dass und in welchem Umfang Hochschullehrer für die Hochschultätigkeit eine Vergütung erlangen dürfen. § 9 Abs. 2 AbgG muss daher vor allem in seiner privilegierenden Funktion gegenüber der Regelung des § 5 AbgG gesehen werden, indem dem Hochschullehrer eine, wenn auch eingeschränkte, Tätigkeit an der Hochschule neben dem Abgeordnetenmandat gestattet wird. Da der Bundesgesetzgeber nicht bestimmen konnte, in welcher Höhe der mandatierte Hochschullehrer eine Vergütung von dem Land erhält, an dessen Hochschule er tätig ist, musste sich das Gesetz darauf beschränken zu bestimmen, in welchem Umfang eine Betätigung neben dem Abgeordnetenmandat hingenommen werden soll. Dies ist mittelbar durch die Festlegung eines Vomhundertsatzes der Vergütung bestimmt worden.

25 Die Anrechnung beim Zusammentreffen mehrerer Bezüge aus öffentlichen Kassen ist demgegenüber im Siebenten Abschnitt des Gesetzes geregelt. Die Systematik des Gesetzes spricht damit gegen die Vorstellung, auch § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG stelle eine Bestimmung dar, die im Falle des Zusammentreffens mehrerer Bezüge aus öffentlichen Kassen regele, in welchem Umfang eine Anrechnung erfolgt.

26 dd) Sinn und Zweck von § 9 Abs. 2 AbgG bestehen darin, dem Hochschullehrer im Sinne von § 42 HRG, der die in Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre für sich in Anspruch nehmen kann, im Gegensatz zu den übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes die teilweise Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit weiterhin zu ermöglichen. Da andererseits der Abgeordnete seine Aufgaben in Parlament, Fraktion, Partei, Wahlkreis und bei Wahlvorbereitungen nur unter erheblichem Zeitaufwand bewältigen kann, will er sie nicht vernachlässigen (vgl. schon BVerfG, Schlussurteil vom 5. November 1975 - 2 BvR 193/74 - BVerfGE 40, 296 <312>), ist im Gesetz für die Tätigkeit als Hochschullehrer pauschalierend gleichsam eine Verträglichkeitsgrenze bestimmt worden. Da davon ausgegangen werden kann, dass der Hochschullehrer seine diesbezüglichen Tätigkeiten in etwa an der dafür entrichteten Vergütung zeitlich ausrichten wird, beschränkt das Gesetz die Höchstgrenze der Einkünfte aus dieser Tätigkeit mit einem Vomhundertsatz und erreicht damit mittelbar, dass der Abgeordnete für sein parlamentarisches Amt mindestens etwa drei Viertel der zur Verfügung stehenden Zeit aufwenden kann. Damit soll ein verträglicher Ausgleich zwischen den Funktionen als Abgeordneter einerseits und Hochschullehrer andererseits geschaffen und gewährleistet werden, dass während der Dauer des Mandats die Wahrnehmung der damit verbundenen Aufgaben in jeder Hinsicht im Vordergrund steht.

27 Der Sinn des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG besteht hingegen darin, bei einem Zusammentreffen mehrerer Bezüge aus öffentlichen Kassen, das trotz der grundsätzlich gegebenen Inkompatibilität von Amt und Mandat in einigen Konstellationen, u.a. bei Hochschullehrern, möglich ist, eine mehrfache vollumfängliche Alimentierung aus öffentlichen Kassen zu verhindern. Gewährt der Staat dem Abgeordneten eine Entschädigung, die auf eine volle Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie gerichtet ist, so ist es immerhin naheliegend, für den Fall des Zusammentreffens der Abgeordnetenentschädigung mit Bezügen aus anderen öffentlichen Kassen ähnlich wie im Beamtenrecht deren Anrechnung vorzusehen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 91.87 - Buchholz 120 Recht der Abgeordneten Nr. 6; BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <341>).

28 Verfolgen somit § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG einerseits und § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG andererseits unterschiedliche Ziele, so ist es nicht verfehlt, sondern geboten, beide Vorschriften kumulativ anzuwenden. Damit wird keine zweifache Anrechnung erzielt, sondern zum einen die anderweitige Tätigkeit des Abgeordneten im öffentlichen Dienst beschränkt und zum anderen eine übermäßige mehrfache Alimentation aus öffentlichen Kassen vermieden.

29 ee) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt dieses Verständnis.

30 (1) In § 12 des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1976 (BTDrucks 7/5525) war vorgesehen, dass die Länder durch Gesetz bestimmen konnten, dass einzelne Rechte und Pflichten eines in den Bundestag gewählten Professors an einer Hochschule erhalten blieben. Dabei sollten die festzusetzenden Bezüge ein Drittel der bisherigen nicht übersteigen. Damit sollte zwar auch für Hochschullehrer eine Inkompatibilität von Amt und Mandat gelten. Die Länder sollten aber ermächtigt sein, den Professoren zu gestatten, einige Rechte, insbesondere die Durchführung von Lehrveranstaltungen und die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden weiterhin wahrzunehmen. Die Vergütung sollte nach der erbrachten reduzierten Leistung erfolgen (s. Materialien zu dem Gesetzentwurf in BTDrucks 5531 S. 18). Diese Konzeption wurde nach entsprechendem „Bericht und Antrag“ des 2. Sonderausschusses zu dem Gesetzentwurf (BTDrucks 7/5903 S. 11 f.) mit gewissen redaktionellen Änderungen als § 9 AbgG Gesetz (Art. 1 § 9 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1977 <BGBl I S. 297>). In dem „Bericht und Antrag“ wird erwähnt, dass der Höchstbetrag der Anrechnung von dreißig vom Hundert des Einkommens mit Rücksicht auf die Bezieher relativ niedriger Bezüge neben dem Mandat erforderlich sei, wobei in einem Klammerzusatz ausdrücklich auf die Bestimmung des § 9 AbgG über die zulässige Betätigung von Hochschullehrern verwiesen wird (BTDrucks 7/5903 S. 15). Daraus folgt ohne Weiteres, dass seinerzeit von der Anwendung der Anrechnungsregelung gerade auch in Fällen der Einkünfte von Hochschullehrern ausgegangen worden ist.

31 (2) Nachdem die Länder von dem vorgesehenen Instrumentarium keinen ausreichenden Gebrauch gemacht hatten (so Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24. Juni 1980, BTDrucks 8/4293), gab der Entwurf des (Ersten) Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. Mai 1980 (BTDrucks 8/4114) dieses Konzept auf und ordnete „die weitere Ausgestaltung der Rechtsstellung der Hochschullehrer im Bundestag“ (BTDrucks 8/4114 S. 2) in das Abgeordnetengesetz ein. Entsprechend der Beschränkung der Arbeitszeit wurde eine „zeitanteilige Bemessung der Bezüge“ (BTDrucks 8/4114 S. 6) vorgesehen. In der Fassung des Gesetzes vom 22. September 1980 (BGBl I S. 1752) wurde eine Vergütungsregelung allerdings nur bezüglich der Lehrtätigkeit getroffen.

32 (3) Weil sich in der Praxis Schwierigkeiten bei der Vergütung für Forschungsleistungen sowie Doktoranden- und Habilitandenbetreuung ergeben hatten, sah das Siebente Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 16. Januar 1987 (BGBl I S. 143) die Einbeziehung dieser Leistungen in die Regelung des Abgeordnetengesetzes unter Beschränkung der Gesamtvergütung auf 25 v.H. der Professorenbezüge vor. Die in der Neufassung festgelegte Höchstgrenze für die Vergütung der neben dem Mandat ausgeübten Tätigkeit eines Hochschullehrers orientierte sich an einem an den tatsächlichen Erfahrungen ausgerichteten Prozentsatz, der die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Professur neben der Mandatstätigkeit berücksichtigt. Damit sollte einer ungerechtfertigten Privilegierung der Professoren gegenüber anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes vorgebeugt werden (BTDrucks 10/5734 S. 6 und 10/6685 S. 10).

33 (4) § 29 Abs. 1 AbgG ist im Zuge der Änderungen durch das 1. und 7. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes hinsichtlich der Vergütung der Professoren nicht an die Novellierungen des § 9 AbgG angepasst worden.

34 (5) Diese gesetzgeberischen Erwägungen deuten darauf hin, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG nicht als Anrechnungsvorschrift konzipiert ist, sondern dass mit der Vorschrift der Umfang der neben dem Bundestagsmandat ausgeübten Hochschullehrertätigkeit zugunsten der Wahrnehmung und Ausübung des Mandats eingeschränkt werden soll. Für die Bemessung der Vergütung einer neben dem Mandat ausgeübten Hochschullehrertätigkeit bleibt das jeweilige Landesbesoldungsrecht im Zusammenhang mit dem Umfang der vereinbarten Hochschullehrertätigkeit maßgebend, auf das die Vorschrift mit der Wendung „Bezüge, die aus dem Dienstverhältnis als Hochschullehrer zu zahlen wären“ zumindest indirekt verweist, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat. Die Regelung über die zulässige Höchstvergütung ist nicht absolut, sondern durch einen prozentualen Anteil an den Professorenbezügen getroffen worden. Darin kann eine Regelung zur Beschränkung der Hochschultätigkeit gesehen werden, die zur zeitlichen Begrenzung der Betätigung an der Hochschule wirkungsvoll beiträgt. Zugleich lassen die Motive erkennen, dass die Anrechnungsregelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG auch in den Fällen der mandatierten Hochschullehrer anwendbar sein soll.

35 (6) „Bericht und Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts“ (BTDrucks 12/5020 S. 17), auf die sich der Kläger beruft, kommen zu der Empfehlung einer Neuregelung des Abgeordnetenrechts der mandatierten Professoren auch hinsichtlich der Anrechnung der Professorenbezüge, die danach entfallen sollte. Dem ist der Gesetzgeber indessen nicht gefolgt. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 und des § 29 Abs. 1 AbgG durch das Änderungsgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl I S. 1037) hat die Empfehlungen der Unabhängigen Kommission insoweit nicht aufgegriffen. Das bestätigt, dass der Gesetzgeber weiterhin der Auffassung ist, dass die Anrechnung der Vergütung nach § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG zu erfolgen hat.

36 b) Die sich aus der Auslegung der § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 und des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG ergebende Anrechenbarkeit der Vergütung der Hochschullehrer auf die Abgeordnetenentschädigung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

37 aa) Der Kläger sieht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass bei dem gefundenen Ergebnis eine doppelte finanzielle Einbuße erfolge, nämlich durch Reduzierung der Hochschullehrerbezüge auf 25 v.H. und der Abgeordnetenbezüge nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG. Eine derartige doppelte Anrechnung werde sonst bei keiner Gruppe der Abgeordneten vorgenommen.

38 Der Ausgangspunkt der Vergleichsbetrachtung des Klägers ist jedoch unzutreffend. Wie dargelegt, verfolgen § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 AbgG einerseits und § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG andererseits unterschiedliche Ziele, so dass ihre kumulative Anwendung zur Erreichung der Gesetzeszwecke geboten ist. Da dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Doppelzahlungen aus öffentlichen Kassen gegenüber dem Gesichtspunkt der Begrenzung der Nebentätigkeit (als Professor) eine selbstständig tragende Bedeutung zukommt (ebenso zum Nebentätigkeitsrecht der Beamten BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 2007 - 2 BvR 1188/05 - NVwZ 2007, 571), wird der Gleichbehandlungsgrundsatz durch die parallele Anwendung auch der Anrechnungsvorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 AbgG nicht verletzt. Eine zu weitgehende Kürzung der Bezüge des betroffenen Abgeordneten, die im Blick auf dessen Verhältnis zum „normalen“ Abgeordneten ohne eine vergütete Zusatztätigkeit Bedenken erwecken könnte, wird durch die in § 29 Abs. 1 Satz 1 a.E. AbgG bestimmte Abrechnungsgrenze von 30 v.H. des weiteren Einkommens verhindert. Diese Grenze bewirkt, dass der Abgeordnete, der in dem durch § 9 Abs. 1 Satz 3 AbgG vorgegebenen Höchstumfang neben seinem Mandat als Professor tätig ist, insgesamt eine monatliche Vergütung erhält, die der Abgeordnetenentschädigung zuzüglich 17,5 v.H. des Professorengehalts entspricht (25 v.H. Professorengehalt + Abgeordnetenentschädigung - 7,5 v.H. Professorengehalt <= 30 v.H. von 25 v.H.>). Ihm verbleibt also trotz der Anrechnung ein nicht unerhebliches Entgelt für seine Professorentätigkeit.

39 bb) Der Kläger sieht eine weitere Ungleichbehandlung darin, dass die Bezüge von Honorarprofessoren ohne Lehrauftrag nicht beschränkt werden, wenn sie zu Mitgliedern des Bundestags gewählt worden sind. Professoren, deren Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis ruhen, unterscheiden sich jedoch, wie oben ausgeführt, von Honorarprofessoren ohne Lehrauftrag. Daher verstößt auch ihre unterschiedliche Behandlung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

40 cc) Das Fehlen einer dem § 9 Abs. 2 Satz 3 AbgG vergleichbaren Hinzuverdienstgrenze für Regierungsmitglieder, die zugleich Bundestagsabgeordnete sind, verstößt, wie das Oberverwaltungsgericht mit Recht ausgeführt hat, ebenfalls nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das wird von dem Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Dass Mitglieder der Bundesregierung, die zugleich Abgeordnete des Bundestages sind, nicht zweifach voll alimentiert werden, ergibt sich aus § 29 Abs. 1 AbgG.

41 c) Die Beklagte hat ihre Berechtigung, die vom Kläger für seine außerparlamentarische Tätigkeit bezogene Vergütung auf die ihm zustehende Abgeordnetenentschädigung anzurechnen, für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum nicht verwirkt. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Urteile vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343 f.> = Buchholz 427.3 § 342 LAG Nr. 11 und vom 9. Dezember 1998 - BVerwG 3 C 1.98 - BVerwGE 108, 93 <96> = Buchholz 451.512 MGVO Nr. 131). Nach diesen Grundsätzen liegt eine Verwirkung nicht vor. Ob der Kläger für die Zeit bis zum Zugang der Mitteilung vom 19. Dezember 2001 darauf vertrauen durfte, dass eine Anrechnung der Einkünfte aus seiner Professorentätigkeit nicht erfolgen würde, kann hier auf sich beruhen. Jedenfalls nachdem die Bundestagsverwaltung die Anrechnung mit dem angeführten Schreiben in Aussicht gestellt hatte, durfte der Kläger für die Zukunft und mithin für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum nicht mehr darauf vertrauen, dass die Beklagte die ihr nach § 29 Abs. 1 AbgG zustehende Befugnis nicht ausüben werde, die zugleich eine Verpflichtung darstellt.

42 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
Vormeier Dr. Bier
B e s c h l u s s:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 3 000 € festgesetzt.
G r ü n d e:

1 Die Wertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG. Der angefochtene Bescheid betrifft den Zeitraum ab 1. Mai 2002 bis zur Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers im Deutschen Bundestag am 17. Oktober 2002. Bei einem Betrag von 541,99 € pro Monat ergibt sich für 5,5 Monate eine streitige Summe von rund 2 981 €, so dass der Streitwert entsprechend der dafür eingreifenden Wertstufe auf 3 000 € festzusetzen war.