Beschluss vom 27.04.2017 -
BVerwG 1 B 6.17ECLI:DE:BVerwG:2017:270417B1B6.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.04.2017 - 1 B 6.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:270417B1B6.17.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 6.17

  • VG Saarlouis - 04.01.2016 - AZ: VG 3 K 340/15
  • OVG Saarlouis - 25.10.2016 - AZ: OVG 2 A 86/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. April 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

2 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

3 Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die Beklagte seit dem 6. August 2016 durch § 31 Abs. 3 AsylG verpflichtet ist, bei wegen anderweitiger Flüchtlingsanerkennung unzulässigen Asylanträgen zu prüfen, ob für den Betreffenden ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Hinblick auf den Drittstaat besteht, und bei fehlender Prüfung und Feststellung die Abschiebungsandrohung aufzuheben ist.

4 Zur Begründung des Klärungsbedarfs trägt sie vor, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 - 2 LA 60/16 - eine Berufung zur Klärung der Frage zugelassen, ob die Regelung des § 31 Abs. 3 AsylG überhaupt auf Drittstaaten zugeschnitten sei oder sich nur auf die Herkunftsstaaten beziehen solle. Es komme auch in Betracht, dass die in § 31 Abs. 3 AsylG n.F. vorgenommene Erstreckung der Pflicht zur Prüfung nationaler Abschiebungsverbote auf alle unzulässigen Asylanträge "ins Leere gehe" bzw. ein "gesetzgeberisches Redaktionsversehen" sei.

5 Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Revision, denn die aufgeworfenen Fragen sind zwischenzeitlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Senat hat mit Beschluss vom 3. April 2017 - 1 C 9.16 - den ersten Teil der Frage im Sinne des hier angefochtenen Berufungsurteils beantwortet: Er hat ausgeführt, dass sich die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht das Herkunftsland betreffen kann, sondern nur den Zielstaat der (potentiellen) Abschiebung, also den Dritt- bzw. Mitgliedstaat, in den eine Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinne auch: VGH München, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 20 B 15.30049 - juris Rn. 41; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 31 AsylG Rn. 44a; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn. 13). Hinreichende Anhaltspunkte für ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen hat der Senat nicht gesehen. Das Bundesamt ist mithin durch § 31 Abs. 3 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung verpflichtet, in allen Fällen unzulässiger Asylanträge zusätzlich festzustellen, ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen; diese Prüfung bezieht sich in den in der vorliegenden Frage bezeichneten Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf den Mitgliedstaat, der dem Antragsteller internationalen Schutz gewährt hat.

6 Der zweite Teil der aufgeworfenen Frage - ob "bei fehlender Prüfung und Feststellung die Abschiebungsandrohung aufzuheben ist" - ist in der zitierten Entscheidung des Senats - abweichend vom hier angegriffenen Berufungsurteil - im verneinenden Sinne geklärt worden. Zwar dürfte das Vorliegen eines Abschiebungsverbots in Bezug auf den Mitgliedstaat, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG führen, weil nur dieser Staat in solchen Fällen als Zielland einer Abschiebung in Betracht kommt, in einer Abschiebungsandrohung aber ein Staat, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf, gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu bezeichnen ist. Das führt der Sache nach dazu, dass eine Abschiebungsandrohung unterbleiben muss, wenn in Bezug auf den einzig in Betracht kommenden Zielstaat Abschiebungsverbote vorliegen. Eine Abschiebungsandrohung (bzw. -anordnung) ist aber jedenfalls nicht allein deshalb aufzuheben, weil das Bundesamt das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote nicht (ausdrücklich oder erkennbar) geprüft oder gesondert deren Nichtvorliegen festgestellt hat. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung gegebenenfalls selbst vorzunehmen und die Sache spruchreif zu machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 2017 - 1 C 9.16 - Rn. 10). Dies gilt - soweit die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung oder -anordnung (vgl. insoweit § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon abhängt - unabhängig von § 31 Abs. 3 AsylG, setzt also nicht voraus, dass der Kläger die in § 31 Abs. 3 AsylG vorgesehene Feststellung nationaler Abschiebungsverbote mit einem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag beantragt hat.

7 Insoweit kommt eine Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren auch nicht unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Divergenz in Betracht. Zwar kann eine Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen sein, wenn die in der Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnete Grundsatzfrage nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in einem anderen Verfahren geklärt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2009 - 10 B 62.08 - juris Rn. 5). Das setzt aber voraus, dass die Grundsatzrüge auch zu dieser Teilfrage ordnungsgemäß dargelegt worden ist. Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung enthält keinerlei Darlegungen dazu, warum die Frage, ob bei fehlender Prüfung und Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten die Abschiebungsandrohung aufzuheben ist, für klärungsbedürftig gehalten wird.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.