Urteil vom 21.09.2005 -
BVerwG 2 WD 24.04ECLI:DE:BVerwG:2005:210905U2WD24.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 21.09.2005 - 2 WD 24.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:210905U2WD24.04.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 24.04

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 21. September 2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberst i.G. Braun,
Oberstleutnant Trautermann
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Wehrdisziplinaranwalts gegen das Urteil der 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 16. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
  3. G r ü n d e
  4. I

  5. 1
  6. Der 51 Jahre alte Soldat wurde nach bestandenem Abitur aufgrund seiner Bewerbung als Offizieranwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes am 1. Juli 1974 zum II./L...regiment ... in R. einberufen. Seine Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erfolgte am 4. Juli 1974. Am 4. April 1979 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.
  7. 2
  8. Er nahm am 29. September 1975 an der Hochschule der Bundeswehr in München das Studium der Elektrotechnik auf und legte am 23. Oktober 1978 erfolgreich die Diplomprüfung ab; der akademische Grad „Diplom-Ingenieur“ wurde ihm am 26. Oktober 1978 verliehen. Ab 1979 war er bei der T... Schule in E. zunächst als Radarleitoffizier und später als Kompaniechef einer Geräteausbildungseinheit eingesetzt. Vom 16. April bis 19. Juli 1985 besuchte er an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg den Laufbahnlehrgang der Fortbildungsstufe C, den er „befriedigend“ bestand. Ab dem 1. November 1992 war er als P...stabsoffizier im A... in O. tätig. Zum 1. April 1995 wurde er zum Stab R...abteilung ... nach C. auf den Dienstposten des stellvertretenden Abteilungskommandeurs versetzt. Vom 1. Oktober 1996 bis Ende 1999 war er als R...stabsoffizier bei der Gruppe zur W... an der R...schule in E. eingesetzt. Am 1. Januar 2000 wurde er Abteilungskommandeur der R...abteilung ... in A. Wegen der Vorgänge, die Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens sind, wurde er zum 3. April 2002 zum L... in K. kommandiert und später dorthin versetzt. Bis zum 31. Juli 2003 war er in der Abteilung Weiterentwicklung und Inspizierungen Luftwaffe eingesetzt, danach als P...stabsoffizier und Beauftragter „Ü...“ in der Abteilung L... sowie als Beauftragter für die Fähigkeitslage.
  9. 3
  10. Er wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 zum Oberstleutnant. In eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 wurde er mit Wirkung vom 1. Mai 2000 eingewiesen.
  11. 4
  12. In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 1. März 2001 als Kommandeur der R...sabteilung ... erhielt der Soldat in den Einzelmerkmalen hinsichtlich „Einsatzbereitschaft“ und „Eigenständigkeit“ die Wertung „7“, bezüglich „Fürsorgeverhalten“ und „Ausdruck“ die Wertung „5“. Alle anderen Einzelmerkmale wurden mit der Stufe „6“ bewertet. Unter „Eignung und Befähigung“ wurden sein „Verantwortungsbewusstsein“ und seine „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ mit der Wertung „E“ als sehr stark ausgeprägt hervorgehoben. „Geistige Befähigung“ sowie „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ wurden mit „D“ bewertet.
  13. 5
  14. Der Soldat wird als eine lebenserfahrene und lebensfrohe Persönlichkeit beschrieben, die von hohem Pflichtgefühl und ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein bestimmt werde. Gestützt auf soldatische Grundsätze, eigene feste Wertvorstellungen und charakterliche Integrität identifiziere er sich mit Beruf und Aufgabe und habe erkennbar Freude daran. Mit gesundem Ehrgeiz, auf hohe Fachkompetenz gründendem Selbstbewusstsein und einer tatkräftigen zielgerichteten Vorgehensweise agiere er mit großer Selbständigkeit, Umsicht sowie Handlungs- und Planungssicherheit. Schwungvoll und ideenreich verfolge er als richtig erkannte Ziele auf mitreißende Weise und lasse dabei Beharrlichkeit, Zähigkeit und Willensstärke erkennen. Aufgrund seiner hilfsbereiten und kameradschaftlichen Art und seines feinen Humors genieße er allgemeine Wertschätzung. Er überzeuge sowohl als militärischer Führer als auch als einsatzorientierter Fachmann oder innovativer, zukunftsorientierter „Vordenker“.
  15. 6
  16. Dieser Auffassung hat sich in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht auch der damalige Disziplinarvorgesetzte, Oberst i.G. W., als Leumundszeuge angeschlossen. Er sei auch während der gesamten Zeit der Zugehörigkeit des Soldaten zur R...schule dessen Disziplinarvorgesetzter gewesen und verfüge somit über fundierte Kenntnisse zu seiner Person. Er habe noch nie erlebt, dass ein Offizier durchweg von den Lehrgangsteilnehmern eine solch positive Kritik erhalten habe, wie sie dem Soldaten in E. zu Teil geworden sei. Er habe sich an der Schule einen hervorragenden Ruf erworben. Auch während seiner Zeit als stellvertretender Kommandeur in C. sei der Soldat Vorbild gewesen und sei mit seiner gesamten Familie an den Standort gezogen. Als ihm mitgeteilt worden sei, dass der Soldat wegen disziplinarer Ermittlungen von seinem Dienstposten abgelöst werden soll, habe er dieses nicht glauben können und habe spontan gesagt, er würde für den Soldaten „seine Hand ins Feuer legen“.
  17. 7
  18. In der Sonderbeurteilung vom 17. September 2004 erhielt der Soldat viermal die Wertung „7“ und zwölfmal die Wertung „6“, wobei die Wertung „Dienstaufsicht“ vom nächsthöheren Vorgesetzten von „7“ auf „6“ heruntergesetzt wurde. Bei „Eignung und Befähigung“ wurden ihm für „Verantwortungsbewusstsein“ die Wertung „D“, bei allen anderen Kategorien die Wertung „E“ zuerkannt. Unter „herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ heißt es:
  19. 8
  20. „Im Unterstellungszeitraum hat OTL ... seine ausgeprägte und beispielhafte Leistungsbereitschaft sowie Zuverlässigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Er ist ein Berufsoffizier aus innerer Überzeugung, der insbesondere bei hoher dienstlicher Belastung durch seine ausgeglichene und souveräne Ausstrahlung und weit überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft auffällt, die ihm auch im besonderen Maße das Vertrauen von Mitarbeitern und die Anerkennung durch Vorgesetzte sichern.
  21. 9
  22. Seine sehr rasche Auffassungsgabe und sein treffsicherer, analytischer Sachverstand, gepaart mit ausgesprochen hoher Eigenständigkeit und vorbildlichem Verantwortungsbewusstsein, sind Grundlage seiner stets ansprechenden, sachgerechten und praktikablen Lösungsvorschläge für Aufgaben und Probleme.“
  23. 10
  24. Für Stabs- und Lehrverwendungen hielt der Beurteilende den Soldaten für „besonders geeignet“. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der sehr guten Beurteilung weitgehend zu. Er äußerte sich dahingehend, dass der Soldat mit einem hohen Maß an Engagement seine bisher erworbene ausgezeichnete fachliche Expertise in vollem Umfang in der Abteilung L... einbringe. In einer frischen zupackenden Art arbeite er zielgerichtet, kooperativ und ausdauernd in der Analyse- und Realisierungsphase von Rüstungsprojekten. Er zeige darüber hinaus seine deutlich ausgeprägte Fähigkeit, in übergeordneten Kategorien zu denken und planerisch tätig zu sein. Sein Auftreten als Offizier und Kamerad sei beispielhaft.
  25. 11
  26. Dem Soldaten wurde am 4. März 1988 und am 11. Juli 1996 jeweils eine mit der Gewährung von Sonderurlaub verbundene förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erteilt.
  27. 12
  28. Er ist berechtigt, das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold und das Leistungsabzeichen in Silber zu tragen. Zur Vollendung einer Dienstzeit von 25 Jahren erhielt er am 1. Juli 1999 eine Dankurkunde des Bundesministers der Verteidigung, verbunden mit einer Jubiläumszuwendung in Höhe von 600 DM.
  29. 13
  30. Der Soldat ist ausweislich der Auskunft aus dem Zentralregister vom 27. Juli 2004 strafrechtlich nicht vorbelastet. Der Disziplinarbuchauszug vom 24. September 2004 weist keine disziplinare Maßregelung aus.
  31. 14
  32. Der Soldat ist verheiratet und hat zwei volljährige Töchter. Ausweislich der Bescheinigung der Wehrbereichsverwaltung Süd - Gebührniswesen - vom 26. Juli 2004 erhält er Dienstbezüge aus der 11. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 15 in Höhe von 5 094,39 € brutto und einschließlich Kindergeld 4 387,82 € netto.
  33. II

  34. 15
  35. Das mit Anschuldigungspunkt 3 sachgleiche Strafverfahren gegen den Soldaten wegen Verdachts der Untreue - 6 Cs 122 Js 13807/02 (407/03) - wurde in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts A. am 4. September 2003 unter der Auflage, einen Geldbetrag von 500 € an das Technische Hilfswerk, Ortsverband A., - Litauenhilfe - zu zahlen, gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig und nach Erfüllung der Auflage am 6. Oktober 2003 endgültig eingestellt.
  36. 16
  37. In dem mit Verfügung des Kommandeurs der 4. Luftwaffendivision vom 14. März 2002 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte der Wehrdisziplinaranwalt dem Soldaten in der Anschuldigungsschrift vom 3. März 2004 folgendes Verhalten als schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten zur Last:
  38. 17
  39. „1. Der Soldat bescheinigte als damaliger Standortältester A. ohne ordnungsgemäße Prüfung und der Tatsachenlage zuwider am 25. Oktober 2000 Oberst i.G. V., der ohne Zusage der Erstattung der Umzugskosten mit Dienstantritt am 02. Oktober 2000 zum Kommando L...division in A. als Chef des Stabes versetzt worden war, auf dessen Wunsch, dass ihm in der B.-Kaserne in A. auf Dauer keine amtliche, unentgeltliche Unterkunft zur Verfügung stehe, obwohl im Block 23 der B.-Kaserne zum damaligen Zeitpunkt insgesamt fünf Oberst i.G. V. zumutbare amtliche, unentgeltliche Unterkünfte vorhanden waren, was der Soldat hätte erkennen können und müssen. Aufgrund dieser objektiv unrichtigen Bescheinigung gewährte die Truppenverwaltung der R...abteilung ... Oberst i.G. V. zu Unrecht ein überhöhtes Trennungsgeld.
  40. 18
  41. 2. Der Soldat verhinderte es pflichtwidrig als verantwortlicher höherer Disziplinarvorgesetzter, den Schadensfall 15/01 der T... Kompanie ... (Vermögensschaden des Bundes wegen der durch Frau F. gegenüber der T... Kompanie ... geltend gemachten Mietausfallforderung in Höhe von 900,00 DM) nach den Schadensbestimmungen (VMBl 1980 S. 546 ff.) abzuwickeln.
  42. 19
  43. 3. Der Soldat gewährte als damaliger Kommandeur der R...abteilung ... dem damaligen Hauptfeldwebel B., damals R... T... Kompanie ..., H., am 28. Juni 2001 rechtsmissbräuchlich und pflichtwidrig eine Leistungsprämie über 1.500,00 DM, ohne dass hierfür in dem Leistungsbild des damaligen Hauptfeldwebels B. ‚eine herausragende besondere Einzelleistung’ erkennbar war, zu dem Zweck, zumindest in dem Wissen, dass der damalige Hauptfeldwebel B. aus der ihm zu Unrecht gewährten Leistungsprämie die in Höhe von 900,00 DM von Frau F. gegenüber der T... Kompanie ... geltend gemachten Mietausfallkosten bezahlte. Der damalige Hauptfeldwebel B. leistete daraufhin am 10. Juli 2001 900,00 DM an Frau F.
  44. 20
  45. 4. Der Soldat erklärte am 22. Januar 2002 in A., B.-Kaserne, in seinem damaligen Dienstzimmer der Wahrheit zuwider und wider besseren Wissens seinem damaligen Disziplinarvorgesetzten, dem Kommandeur des R...regiments ..., Oberst G., auf dessen entsprechende Frage im Beisein des S 4 des R...regiments ..., Oberstleutnant R., dass Frau F. auf ihre Mietausfallkosten in Höhe von 900,00 DM verzichtet habe und dass keine Zahlungen dieserhalb an Frau F. geleistet worden seien.“
  46. 21
  47. Unter Verzicht auf die Einlassungsfrist seitens der Verteidigung fasste der Wehrdisziplinaranwalt den Punkt 4 der Anschuldigungsschrift in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht durch folgende Nachtragsanschuldigung neu:
  48. 22
  49. „4. Der Soldat erklärte am 22. Januar 2002 in A., B.-Kaserne, in seinem damaligen Dienstzimmer seinem damaligen Disziplinarvorgesetzten, dem Kommandeur des R...regiments ..., Oberst G., auf dessen entsprechende Frage im Beisein des S 4 des R...regiments ..., dass Frau F. auf ihre Mietausfallkosten in Höhe von 900,00 DM verzichtet habe und dass keine Zahlungen dieserhalb an Frau F. geleistet worden seien, obwohl er zumindest hätte wissen müssen und können, dass die von Frau F. geltend gemachte Forderung durch Zahlung eines Betrages von 900,00 DM an sie beglichen worden war.“
  50. 23
  51. Die 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord verurteilte den Soldaten mit Urteil vom 16. Juni 2004 wegen eines Dienstvergehens zu einer Disziplinarbuße in Höhe von 800 €. Sie sah den in der Nachtragsanschuldigung (Anschuldigungspunkt 4) geschilderten Sachverhalt als erwiesen an und würdigte das Verhalten als Verstoß gegen die Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG), insgesamt als ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG.
  52. 24
  53. Von den übrigen Anschuldigungspunkten stellte die Kammer den Soldaten frei.
  54. 25
  55. Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 sei ihm kein fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen, da er mit der Einschaltung des zuständigen Kasernenfeldwebels unter Beteiligung des Kasernenoffiziers der ihm auferlegten Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Aus seiner Sicht habe die Ausstellung der geforderten Bescheinigung angesichts des drängenden Verhaltens des Oberst i.G. V. und aufgrund der unvollständigen Darstellung des Kasernenfeldwebels, der die Bedenken des Kasernenoffiziers nicht an den Soldaten weitergab, seine Richtigkeit gehabt. Eine Pflicht zu weiteren Ermittlungen habe er unter den gegebenen Umständen nicht gehabt; er sei auch nicht in der Lage gewesen, den wahren Sachverhalt zu erkennen.
  56. 26
  57. Die in den Anschuldigungspunkten 2 und 3 vorgeworfenen Sachverhalte sah die Kammer als nicht erwiesen an. Zwar sprächen eine Reihe von Indizien für die Richtigkeit der Anschuldigungen, jedoch habe die Kammer letztlich nicht die gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderliche Gewissheit gewinnen können, dass der Soldat insoweit ein Dienstvergehen begangen habe. Der Umstand, dass sich die Zeugen Hauptmann a.D. U. und Stabsfeldwebel Bu. bei ihren Aussagen in der Hauptverhandlung nicht mehr in dem Maße sicher gewesen seien wie zuvor, habe zur Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ und damit zur Freistellung geführt.
  58. 27
  59. Zur Maßnahmebemessung hat die Truppendienstkammer im Wesentlichen ausgeführt, dass das Dienstvergehen von derartiger Relevanz sei, dass trotz der bereits bezahlten Auflage im teilweise sachgleichen Strafverfahren eine weitere Pflichtenmahnung unerlässlich sei. Die Wahrheitspflicht gehöre immerhin zum Kernbereich des militärischen Pflichtenkatalogs. Erschwerend seien der hohe Dienstgrad des Soldaten sowie der Umstand zu berücksichtigen gewesen, dass es seinen Disziplinarvorgesetzten gerade darauf angekommen sei, in diesem Punkt die Wahrheit zu erfahren. Mildernd wurden seine bisherige tadelfreie Führung und sein berufliches Selbstverständnis, das kaum besser sein könne, gewertet. Insgesamt sah die Kammer in dem Dienstvergehen die erstmalige Entgleisung eines hoch qualifizierten, bewährten und mit hoher Berufsauffassung ausgestatteten Stabsoffiziers, der auch mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme hinreichend beeindruckt werden könne, um zukünftig von ihm pflichtgemäßes Verhalten erwarten zu können. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil Bezug genommen.
  60. 28
  61. Gegen dieses dem Wehrdisziplinaranwalt am 13. Juli 2004 und dem Soldaten am 15. Juli 2004 zugestellte Urteil hat der Wehrdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 28. Juli 2004, eingegangen beim Truppendienstgericht Nord am 29. Juli 2004, Berufung zu Ungunsten des Soldaten eingelegt. Er hat den Antrag gestellt, das Urteil aufzuheben und den Soldaten zu einer Herabsetzung in die Besoldungsgruppe A 14 zu verurteilen.
  62. 29
  63. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass den Tat- und Schuldfeststellungen sowie der rechtlichen Würdigung durch das Truppendienstgericht nicht gefolgt werden könne.
  64. 30
  65. Der zu Anschuldigungspunkt 1 aufgrund der Beweisaufnahme festgestellte Sachverhalt entspreche nicht den von derselben Truppendienstkammer im rechtskräftigen Urteil vom 22. November 2001 - N 8 VL 23/01 - gegen Oberst i.G. V. getroffenen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der Erteilung einer Bescheinigung durch den Soldaten. Während dort die Beweisaufnahme ergeben habe, dass Oberst i.G. V. keinen Eindruck vermittelt habe, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung bereits durch den Kasernenkommandanten, Oberstleutnant Ra., geprüft worden seien, habe die Kammer im Verfahren gegen den Soldaten festgestellt, Oberst i.G. V. habe „die Situation sofort bedenkenlos ausgenutzt“, indem er zumindest den Eindruck nicht korrigiert habe, er sei im Begriff, eine bereits vorhandene Bescheinigung abzuholen. Auch habe die Kammer unzutreffenderweise festgestellt, Oberst i.G. V. habe dem Soldaten einen Sachverhalt „suggeriert“ und ein „drängendes Verhalten“ gezeigt, so dass der Soldat „nicht im Stande“ gewesen sei, den wahren Sachverhalt zu erkennen. Die in dem Urteil gegen Oberst i.G. V. getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Sachverhalt und zur Beweiswürdigung hätte die Kammer im Verfahren gegen den Soldaten gemäß § 84 Abs. 2 WDO ihrer Entscheidung ohne nochmalige Prüfung nicht nur zugrunde legen können, sondern auch müssen, um widersprüchliche und nicht der Tatsachenlage hinsichtlich eines identischen Sachverhalts entsprechende Feststellungen durch dieselbe Kammer zu vermeiden. Im Übrigen sei in rechtlicher Hinsicht der von der Kammer bei der Ausstellung von Bescheinigungen durch einen Standortältesten zu beachtende Sorgfaltsmaßstab als zu gering angesetzt angesehen worden; von einem Oberstleutnant in dieser herausragenden Dienststellung (Besoldungsgruppe A 15) sei ein äußerst hohes Maß an Sorgfaltspflicht bei einer solchen Entscheidung mit weit reichenden finanziellen Folgen zu Lasten des Dienstherrn zu verlangen.
  66. 31
  67. Auch der Beweiswürdigung der Kammer zu den Anschuldigungspunkten 2 und 3 könne nicht gefolgt werden. Die von ihr den Aussagen der Hauptbelastungszeugen Hauptmann a.D. U. und Stabsfeldwebel Bu. entnommenen Zweifel seien nicht angebracht, da keine Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass die widerspruchsfreien, klaren und deutlich wiederholten Aussagen falsch gewesen seien oder dass sich die Zeugen geirrt haben. Auch die übrigen, als „Indizien“ bezeichneten Ergebnisse der Beweisaufnahme seien von der Kammer im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht zutreffend gewürdigt worden: So seien die Aussage des Zeugen Stabsfeldwebel B. unglaubhaft und die Aussage des Soldaten „In Gottes Namen, macht doch, was ihr wollt“ nicht hinreichend in die Beweiswürdigung einbezogen worden; erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Major Ru. hätten zur Überzeugung beitragen können, die Anschuldigungspunkte 2 und 3 als bewiesen anzusehen; schließlich sei die Aussage des S4-Offiziers, des Zeugen Oberleutnant H., entgegen der Auffassung der Kammer geeignet gewesen, als Beweis zum Nachteil des Soldaten herangezogen zu werden.
  68. 32
  69. Des Weiteren habe der von der Kammer hinsichtlich der Würdigung der Aussage des Oberst G. zur Rechtmäßigkeit der Erteilung der Leistungsprämie an den Stabsfelwebel B. zugrunde gelegte Sachverhalt nicht den von Oberst G. in seiner Zeugenaussage vom 16. Juni 2002 gemachten Bekundungen entsprochen.
  70. 33
  71. Aus dem zu Anschuldigungspunkt 4 festgestellten Sachverhalt und der rechtlichen Würdigung gehe nicht klar hervor, ob der Soldat die Dienstpflichtverletzung vorsätzlich oder fahrlässig begangen habe. Aus der Sachverhaltsfeststellung der Kammer ergebe sich, dass auch ein bedingter Vorsatz des Soldaten in Betracht komme; in der rechtlichen Würdigung werde dann aber auf eine fahrlässige Begehungsweise abgestellt, ohne dass erkennbar werde, aufgrund welcher Überlegungen die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung zur Annahme einer fahrlässig begangenen Pflichtverletzung gekommen sei, obwohl aufgrund der im Rahmen der Beweisaufnahme durch die Kammer getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Sachverhalt eine vorsätzliche Wahrheitspflichtverletzung durch den Soldaten nicht auszuschließen gewesen sei.
  72. 34
  73. Wegen der Einzelheiten der Begründung, insbesondere zu der von dem Wehrdisziplinaranwalt angegriffenen Beweisaufnahme der Truppendienstkammer, wird auf dessen Schriftsatz vom 28. Juli 2004 verwiesen.
  74. III

  75. 35
  76. 1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
  77. 36
  78. 2. Da das Rechtsmittel des Wehrdisziplinaranwalts ausdrücklich und nach dem wesentlichen Inhalt seiner Begründung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hatte der Senat im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
  79. 37
  80. 3. Die Berufung hat keinen Erfolg.
  81. 38
  82. a) Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke, der gemäß § 123 Satz 1 WDO verlesenen Aussagen der Zeugen Hauptfeldwebel K. und Oberleutnant H. sowie der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Oberfeldwebel ter H., Hauptmann a.D. U., Stabsfeldwebel Bu., Major Ru. und Stabsfeldwebel B. hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:
  83. 39
  84. Zu Anschuldigungspunkt 1:
  85. 40
  86. Am 25. Oktober 2000 traf der Soldat, der in seiner Eigenschaft als Kommandeur der R...abteilung ... in A. gleichzeitig Standortältester war, unvermutet in seinem Vorzimmer den Chef des Stabes, Oberst i.G. V., an. Letztgenannter, dem im Offizierheim der B.-Kaserne in A. eine dienstliche Unterkunft zugewiesen worden war, gab Zimmerschlüssel für amtliche Unterkünfte ab und wollte eine Bescheinigung abholen, in der bestätigt wird, dass ihm in der B.-Kaserne in A. auf Dauer keine angemessene amtliche Unterkunft zur Verfügung gestellt werden könne. Daraufhin rief der Soldat beim Kasernenfeldwebel, Oberfeldwebel ter H., an, teilte ihm das Anliegen des Oberst i.G. V. mit und fragte, ob ihm der Vorgang bekannt sei, was dieser bejahte. Er ordnete an, die Bescheinigung zu fertigen. Der Zeuge Oberfeldwebel ter H. rief - wovon der Soldat nichts wusste - den Kasernenoffizier, Oberleutnant P., der sich im Urlaub befand, zu Hause an. Dieser äußerte Bedenken gegen die Ausstellung der Bescheinigung. Wenn der Soldat diese dennoch ausstellen wolle, müsse dies dann aber unter dem „Kopf Standortältester“ erfolgen. Nach Rücksprache mit dem Vorzimmer des Soldaten änderte Oberfeldwebel ter H. die Unterlage entsprechend ab und legte sie anschließend dem Soldaten vor, ohne auf die von Oberleutnant P. geäußerten Bedenken hinzuweisen. Der Soldat unterschrieb die Bescheinigung, dass dem Oberst i.G. V. in der B.-Kaserne A. auf Dauer keine amtliche unentgeltliche Unterkunft zur Verfügung stehe. Tatsächlich waren zum damaligen Zeitpunkt im Offizierheim dem Chef des Stabes zumutbare, in der Anzahl nicht mehr feststellbare amtliche unentgeltliche Unterkünfte vorhanden. Die finanziellen Auswirkungen einer solchen Bescheinigung, wie u.a. erhöhtes Trennungsgeld, waren dem Soldaten bekannt. Aufgrund dieser vom Soldaten unterschriebenen unrichtigen Bescheinigung bezog Oberst i.G. V. für die von ihm in A. angemietete Wohnung einen Mietzuschuss, der ihm in Höhe des Mietzinses und der Nebenkosten von der Truppenverwaltung der R...abteilung ... gewährt wurde.
  87. 41
  88. Der Soldat hat sich unwiderlegt dahingehend eingelassen, dass er die bejahende Antwort des Kasernenfeldwebels auf seine Frage, ob diesem der Vorgang bekannt sei, als „Zusage“ dergestalt aufgefasst habe, dass die Ausstellung der Bescheinigung geklärt und rechtens sein müsse, zumal er den dafür zuständigen Kasernenkommandanten Oberstleutnant Ra. als einen sehr sorgfältigen Stabsarbeiter kenne. In Gegenwart des Oberst i.G. V. habe er am Telefon nicht direkt nach der Zulässigkeit der Ausstellung der Bescheinigung gefragt, sondern stattdessen eine „neutrale Formulierung“ gebraucht, weil er die Berechtigung dessen Anliegens nicht offen habe in Frage stellen wollen. Ob damals im Offizierheim der B.-Kaserne Stuben frei waren, habe er nicht genau gewusst; seiner Meinung nach habe es während dieser Zeit wegen des Aufwachsens des Divisionsstabes viele Zuversetzungen gegeben.
  89. 42
  90. Entgegen der Ansicht des Wehrdisziplinaranwalts in seiner Berufungsschrift vom 28. Juli 2004 waren die von derselben Truppendienstkammer im - teilweise - sachgleichen gerichtlichen Disziplinarverfahren - N 8 VL 23/01 - gegen Oberst i.G. V. getroffenen tatsächlichen Feststellungen für den Senat nach § 84 Abs. 2 WDO nicht bindend, weil sie in einem anderen - nicht den Soldaten betreffenden - Verfahren getroffen wurden. Der Senat ist ihnen im dargelegten Umfang nicht gefolgt, weil sie in dem vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahren für eine gesicherte Beurteilungsgrundlage nicht ausreichend waren.
  91. 43
  92. Zu Anschuldigungspunkt 2 und 3:
  93. 44
  94. Der Senat sah die Tatvorwürfe als nicht erwiesen an, weshalb der Soldat von diesen Anschuldigungspunkten freizustellen war. Der Senat hat nicht die gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderliche Gewissheit gewinnen können, dass der Soldat das ihm in der Anschuldigungsschrift vorgeworfene Fehlverhalten begangen hat.
  95. 45
  96. Die dem Soldaten unterstellte T... Kompanie ... in A. hatte einen R...trupp auf H., dessen Personal aus dem dort ortsansässigen Zeugen Stabsfeldwebel B. und dem kasernenpflichtigen (damaligen) Obergefreiten F. bestand, dem eine Truppenunterkunft bei der SAR-Stelle des M...geschwaders ... zugewiesen worden war. Nach einem Lehrgang sollte der Obergefreite F. am 7. Mai 2001 wieder seinen Dienst beim R...trupp auf H. antreten. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Januar oder Februar 2001 mietete der Zeuge Stabsfeldwebel B. im Auftrag seines Kompaniechefs eine Unterkunft in der Pension von Frau F. auf H. für die Zeit vom 7. bis 30. Mai 2001 zum Preis von 80 DM pro Übernachtung an, weil für den Obergefreiten F. nach seinem Dienstantritt im Mai wegen Umbauarbeiten in der SAR-Stelle voraussichtlich keine Unterkunft zur Verfügung gestellt werden konnte. Erst am 7. Mai 2001 erfuhr der Zeuge Stabsfeldwebel B., dass die Renovierungsarbeiten unvorhergesehen frühzeitiger beendet worden waren und für den Obergefreiten F. nun doch eine Truppenunterkunft in der SAR-Stelle auf H. zur Verfügung stand. Daraufhin stornierte er die Buchung des Zimmers. Anfang Mai 2001 bat der Zeuge Major Ru. - seinerzeit Kompaniechef der T... Kompanie ... - den Soldaten um Entscheidung, wie bei vorzeitigem Abschluss der Renovierung der Unterkunft verfahren werden, insbesondere ob eine Abstandzahlung an die Vermieterin in Kauf genommen werden solle. Der Soldat entschied, dass der Obergefreite F. die Truppenunterkunft beziehen und der Zeuge Stabsfeldwebel B. noch einmal mit der Vermieterin sprechen solle, ob sie vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr auch zukünftig Zimmer anmieten werde, von einer Abstandzahlung absehen könne. Der Soldat machte deutlich, dass er ansonsten die Angelegenheit im Rahmen einer Schadensbearbeitung abwickeln werde.
  97. 46
  98. Am 4. Juni 2001 machte die Vermieterin, Frau F., schriftlich Ausfallkosten in Höhe vom 900 DM gegenüber der Bundeswehr geltend, da sie für die Zeit vom 7. bis 30. Mai 2001 keinen Ersatzmieter gefunden hatte. Dieses Schreiben leitete der Zeuge Stabsfeldwebel B. an die T... Kompanie ... nach A. weiter. Am 10. Juli 2001 beglich er aus eigenen Mitteln die Ausfallkosten in Höhe von 900 DM bei Frau F. Nach seiner Einlassung tat er dies deshalb, um das Ansehen der Bundeswehr und sein eigenes bei dieser Frau zu wahren.
  99. 47
  100. Der damalige Kompaniechef, der Zeuge Major Ru., legte bezüglich dieser Forderung gegen den Bund zwar einen Schadensbericht 15/01 unter dem Datum des 28. Juni 2001 - bei seiner Kompanieübergabe - an, unterschrieb ihn jedoch nicht. Stattdessen trug er am selben Tag dem Soldaten den Fall vor, dem er gleichzeitig die Gewährung einer Leistungsprämie in Höhe von 1.500 DM für den Zeugen Stabsfeldwebel B. vorschlug. Vorher hatte er sich beim Soldaten erkundigt, ob es möglich sei, einem Untergebenen, der in einen Schadensfall verwickelt ist, eine Leistungsprämie zu gewähren; der Soldat hatte geantwortet, dass dem grundsätzlich nichts entgegenstehe. Mit der Auswahl des Zeugen Stabsfeldwebel B., der in der Vergangenheit bereits eine Leistungsprämie erhalten hatte, war er einverstanden, weil er sich selbst von dessen Engagement überzeugt hatte. Der Soldat vermerkte auf dem entsprechenden Antrag „Einverstanden am 28. Juni 2001“. Auf den Soldaten machte der damalige Kompaniechef einen noch unter Restalkohol stehenden, nahezu dienstunfähigen Eindruck, was er auf dessen Teilnahme an der Abschiedsfeier vom Vorabend zurückführte. Da gegen den Zeugen Major Ru. zu diesem Zeitpunkt in einer anderen Sache ein gerichtliches Disziplinarverfahren anhängig war, befürchtete dieser, ihm werde der Schadensfall noch persönlich nachhängen. Als er immer eindringlicher darum bat, den Schadensfall mit der Leistungsprämie zu kompensieren, brach der Soldat das Gespräch ab und sagte ziemlich ärgerlich „Macht doch, was ihr wollt“ und verließ das Zimmer. Er hatte den Eindruck, dass der damalige Kompaniechef bei einer Ablehnung seines Ansinnens einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte. Er stellte sich jedoch vor, dass der neue Kompaniechef später eine den Schadensbestimmungen entsprechende Regelung treffen werde.
  101. 48
  102. Der Soldat hat erklärt, dass der Zeuge Stabsfeldwebel B. (in seiner damaligen Funktion) sehr engagiert gewesen sei; er habe mit Erfolg Ersatzteile für die Radaranlage organisiert. Nach Aussage des Zeugen Major Ru. hat Stabsfeldwebel B. eine schwierige Aufgabe auf H. gehabt, weil er zum Teil alleine gewesen sei und umfangreichere Tätigkeiten als vergleichbare Feldwebel wahrgenommen habe. Da dieser den Anforderungen im besonderen Maße gerecht geworden sei, habe er die Gewährung einer Leistungsprämie erwogen.
  103. 49
  104. Die Zeugen Hauptmann a.D. U. und Stabsfeldwebel Bu. haben bekundet, dass sich der Soldat (zumindest sinngemäß) geäußert habe: „Wofür hat der (damalige) Hauptfeldwebel B. wohl die Leistungsprämie bekommen?! Für seine Leistungen bestimmt nicht.“ bzw. „Was meinen Sie, warum ich B. die Leistungsprämie gegeben habe?! Nicht für seine Arbeit.“ Nach Aussage des Zeugen Hauptmann a.D. U. hat Oberfeldwebel K. ihnen gegenüber geäußert, dass der Schadensfall mit einer Leistungsprämie beglichen worden sei; nach - in der Berufungshauptverhandlung verlesenen - Aussage des Oberfeldwebel K. hat er diesen Zusammenhang aber lediglich vermutet. Die Zeugen Hauptmann a.D. U. und Stabsfeldwebel Bu. haben übereinstimmend ihre früheren Aussagen bestätigt, wonach der Soldat, angesprochen auf den Schadensfall und die Verknüpfung mit der Leistungsprämie, mit großer Wahrscheinlichkeit (Zeuge Hauptmann a.D. U.: „neunzig Prozent“) gegenüber dem Zeugen Hauptmann a.D. U. (zumindest sinngemäß) nicht geantwortet habe, „auf was für ein schmales Brett“ er da kommen würde.
  105. 50
  106. Nach der verlesenen Aussage des damaligen S 4-Offiziers der R...abteilung ..., Oberleutnant H., in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht hat dieser dem Soldaten zu keiner Zeit dahingehend beraten, den Schadensfall durch die Zahlung einer Leistungsprämie abzuwickeln. Er habe vielmehr erklärt, dass der Vorgang ein klassischer Schadensfall sei und keine Haftung des Zeugen Stabsfeldwebel B. in Betracht komme.
  107. 51
  108. Das angeschuldigte pflichtwidrige Verhindern der ordnungsgemäßen Abwicklung des Schadensfalles 15/01 sowie das angeschuldigte rechtsmissbräuchliche Gewähren einer Leistungsprämie an Stabsfeldwebel B. durch den Soldaten konnte durch die Aussagen der Zeugen Hauptmann a.D. U. und Stabsfeldwebel Bu. nicht bewiesen werden.
  109. 52
  110. Zwar wollen beide Zeugen mit großer Wahrscheinlichkeit vom Soldaten gehört haben, dass er dem Stabsfeldwebel B. nicht wegen dessen Leistungen eine Leistungsprämie gewährt habe, was für deren zweckwidrige und missbräuchliche Erteilung spricht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Zeugen ihre Aussagen bereits in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht relativiert haben; so standen sie nicht mehr „einhundertprozentig“ dazu, sondern schwächten sie ab. Wie der Soldat sowie die Zeugen Major Ru. und Stabsfeldwebel B. selbst glaubhaft bekundet haben, zeigte Stabsfeldwebel B. - auch im Hinblick auf die besonderen Umstände seiner Tätigkeit auf H. - durchaus Leistungen, die mit einer Prämie gewürdigt werden durften; die ihm in der Vergangenheit bereits einmal gewährte Leistungsprämie spricht für diese Einschätzung.
  111. 53
  112. Außerdem spricht gegen die Annahme, dass der Soldat auf diese Weise den Schadensfall abwickeln wollte, der Umstand, dass dafür kein nachvollziehbares Motiv erkennbar ist. So konnte sich der Soldat zum einen auf diese Weise nicht selbst einen Vorteil verschaffen, weil er sich weder dadurch bereichern noch aufgrund seiner Zuständigkeit für die Gewährung einer Leistungsprämie (vgl. Punkt 7.2.1. der Bestimmungen über die leistungsbezogene Besoldung von Beamten und Soldaten im nachgeordneten Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung PSZ II 3 - Az 19-01-07 - vom 2. November 1998 <VMBl 1998 S. 370>) von Arbeit entlasten konnte. Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass er dadurch unterstellte Soldaten vor Nachteilen schützen wollte oder konnte. Stabsfeldwebel B., der auf Veranlassung seines Kompaniechefs Major Ru. das Zimmer bei Frau F. angemietet hatte, konnte für sein Handeln - auch nach damaliger Einschätzung der Situation - kein Vorwurf gemacht werden, der zu einer Haftung oder gar zu einer Disziplinarmaßnahme hätte führen können; dem Soldaten kann mangels vorliegender Anhaltspunkte auch nicht unterstellt werden, dass er den ihm - nur noch für einen Tag - unterstellten Major Ru. vor möglichen negativen Konsequenzen seines Handelns bewahren wollte.
  113. 54
  114. Nach alledem besteht keine hinreichende Gewissheit für eine missbräuchliche Verknüpfung zwischen einer objektiv nicht gerechtfertigten Leistungsprämie und einer aktiven Einwirkung auf eine nicht ordnungsgemäße Schadensabwicklung. Weitere Beweismittel sind nicht ersichtlich. Die verbliebenen Zweifel führen deshalb in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“, der nicht nur im Strafrecht, sondern - wie sich außer aus Art. 20 Abs. 1 und 3 GG („Rechtsstaatsprinzip“) gerade aus der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 261 StPO ergibt - auch im Wehrdisziplinarrecht gilt (vgl. Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 -, <BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 = NVwZ 2004, 354 = DVBl 2003, 757>), zu einer Freistellung.
  115. 55
  116. Zu Anschuldigungspunkt 4:
  117. 56
  118. Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 4 war der durch die Nachtragsanschuldigung unter Verzicht auf die Einlassungsfrist eingeführte Sachverhalt als erwiesen anzusehen.
  119. 57
  120. Der Soldat meldete am 22. Januar 2002 in seinem Dienstzimmer in der B.-Kaserne in A. seinem damaligen Disziplinarvorgesetzten, dem Kommandeur des R...regiments ..., Oberst G., auf dessen entsprechende Frage im Beisein des S 4-Offiziers des R...regiments .., Oberstleutnant Run., dass Frau F. auf ihre Mietausfallkosten in Höhe von 900 DM verzichtet habe und dass keine Zahlungen an sie geleistet worden seien; dieser wiederum musste in dieser Sache seinem Divisionskommandeur berichten, was der Soldat wusste. Dabei war sich der Soldat über die Richtigkeit seiner Meldung nicht sicher. Er hatte der ihm unterstehenden T... Kompanie ... den Auftrag erteilt, ihm bis zum 22. Januar 2002 - dem Termin seiner Meldung gegenüber seinem Regimentskommandeur - die Art und Weise der Schadensregulierung mitzuteilen. Es war der Einheit jedoch nicht gelungen, den Sachverhalt bis zu diesem Zeitpunkt zu ermitteln, weil sich der Zeuge Stabsfeldwebel B. zum damaligen Zeitpunkt auf dem Festland aufhielt und nicht erreichbar war. Daher waren die verschiedenen Möglichkeiten erörtert worden; der Soldat hatte sich dann für die aus seiner Sicht wahrscheinlichste entschieden, d.h. für die Variante der Nichtzahlung an Frau F.
  121. 58
  122. Am Nachmittag des 22. Januar 2002 wurde der Soldat vom Kompaniechef der T... Kompanie ... über den wahren Sachverhalt informiert. Am Morgen des nächsten Tages korrigierte er seine Meldung gegenüber seinem Regimentskommandeur, der sich währenddessen selbst informiert hatte, und teilte mit, dass die (weiterhin) von Frau F. geltend gemachte Forderung in Höhe von 900 DM durch den Zeugen Stabsfeldwebel B. beglichen worden war.
  123. 59
  124. Der Soldat hat sich diesbezüglich geständig eingelassen.
  125. 60
  126. b) Das Verhalten des Soldaten ist disziplinarrechtlich wie folgt zu würdigen:
  127. 61
  128. In Anschuldigungspunkt 1 hat der Soldat durch die Ausstellung einer objektiv unrichtigen Bescheinigung, die zu Unrecht zu einer Gewährung eines überhöhten Trennungsgeldes führte, gegen §§ 7, 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SG verstoßen.
  129. 62
  130. Er handelte dabei jeweils fahrlässig. Entgegen der Ansicht der Truppendienstkammer ist dem Soldaten nämlich eine Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht vorzuwerfen. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter - in diesem Fall der Soldat - einen Tatbestand rechtswidrig verwirklicht, indem er objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die gerade dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient, und wenn dieser Pflichtverstoß unmittelbar oder mittelbar eine Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung zur Folge hat, die der Täter (Soldat) nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vorhersehen und vermeiden konnte (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 15 RNr. 12). Der Soldat hätte als Stabsoffizier und Standortältester, der unmittelbarer Vorgesetzter des für die Ausstellung von Bescheinigungen über das Nichtvorhandensein einer angemessenen amtlichen unentgeltlichen Unterkunft zuständigen Kasernenkommandanten ist, bei Anwendung des dabei geforderten und ihm zumutbaren Sorgfaltspflichtsmaßstabes erkennen können und müssen, dass die von ihm unterschriebene Bescheinigung auf objektiv nicht zutreffenden Voraussetzungen beruhte.
  131. 63
  132. Nicht ausreichend war die Einschaltung des Kasernenfeldwebels, zumal der Soldat nicht ausdrücklich danach fragte, ob das Ausstellen der Bescheinigung vorher geprüft und vom Kasernenkommandanten genehmigt worden war. Die gebrauchte Wendung am Telefon, ob dem Zeugen Oberfeldwebel ter H. der Vorgang bekannt sei, war mehrdeutig und brauchte nicht so verstanden zu werden, dass damit allein nach der inhaltlichen Richtigkeit und Rechtmäßigkeit gefragt wurde. Der Soldat hätte außerdem bedenken müssen, dass der ihm bekannte Kasernenfeldwebel aufgrund seiner - in der Berufungshauptverhandlung deutlich gewordenen - Art und Persönlichkeit nicht unbedingt ohne kritisches Nachfragen oder notfalls auch Widerspruch eine zutreffende Sachdarstellung gewährleistete. Des Weiteren hätte er die finanziellen Folgen, die er allgemein kannte, bedenken müssen. Selbst wenn das für den Soldaten unerwartet vorgebrachte Anliegen des Chefs des Stabes bei ihm den Selbstanspruch auf schnelle und für den Vorgesetzten positive Erledigung ausgelöst haben mag, war das keine Rechtfertigung für diese nicht ausreichende Nachprüfung. Denn gerade (auch) von einem Stabsoffizier kann und muss erwartet werden, dass er Anliegen seiner Vorgesetzten nicht unkritisch und unbedacht erfüllt. Ebenso wenig kann ihn die Nichtweitergabe der Informationen des Kasernenoffiziers durch den Kasernenfeldwebel entlasten. Denn die knappe Antwort des Kasernenfeldwebels hätte, im Gegenteil, Anlass zu weiteren Nachfragen geben müssen. Seine hervorgehobene Dienststellung als Abteilungskommandeur und Standortältester sowie sein hoher Dienstgrad, verbunden mit seiner Erfahrung, hätten den Soldaten zu sorgfältigerem Handeln bewegen müssen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Oberst i.G. V., als er im Vorzimmer des Soldaten erschien, äußerte, er wolle Zimmerschlüssel für mehrere amtliche Unterkünfte zurückgeben. Der Soldat hätte daher erkennen können und müssen, dass amtliche Unterkünfte in der B.-Kaserne in A. vorhanden waren und dass die von ihm erbetene Bescheinigung inhaltlich unzutreffend sein konnte.
  133. 64
  134. In Anschuldigungspunkt 4 hat der Soldat durch Abgabe einer unrichtigen Meldung im Bewusstsein bestehender Zweifel fahrlässig gegen seine Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), und gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SG) verstoßen.
  135. 65
  136. Insgesamt hat er damit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
  137. 66
  138. d) Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
  139. 67
  140. Dem Senat erschien das Dienstvergehen nach seiner Einstufung nicht so gewichtig, dass eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme geboten gewesen wäre. Nach seiner Einschätzung ist dafür eine Disziplinarbuße (§ 24 WDO) in Höhe von 800 €, wie sie die Truppendienstkammer verhängt hat, tat- und schuldangemessen, so dass trotz Annahme einer weiteren Dienstpflichtverletzung (Anschuldigungspunkt 1) gegenüber dem Urteil des Truppendienstgerichts die Berufung des Wehrdisziplinaranwalts zurückzuweisen war.
  141. 68
  142. Der Senat hat sich bei der Bewertung des Dienstvergehens (Anschuldigungspunkt 1 und 4) von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
  143. 69
  144. aa) Die Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmt sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin nach der Bedeutung der verletzten Pflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen nicht leicht, weil der Soldat gegen wesentliche Dienstpflichten verstoßen hat.
  145. 70
  146. Die Verpflichtung zum treuen Dienen (§ 7 SG), die unter anderem jedem Soldaten gebietet, alles zu unterlassen, was dem Vermögen oder dem Eigentum des Dienstherrn Schaden zufügt, gehört zu den Kernpflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat in der Regel schon deshalb erhebliches Gewicht (Urteil vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - <BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122 = NVwZ-RR 2004, 226 [insoweit nicht veröffentlicht] = DokBer 2004, 141 > m.w.N.).
  147. 71
  148. Die Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) hat gerade im militärischen Bereich besondere Bedeutung, die schon darin zum Ausdruck kommt, dass die in keinem anderen gesetzlichen Pflichtenkatalog ausdrücklich normierte Wahrheitspflicht für Soldaten gesetzlich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nämlich nicht geführt werden, wenn die Führung sich nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen verlassen kann. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatz gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden. Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch seine Glaubwürdigkeit ein (Urteil vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 10.03 - <DokBer 2004, 193 = Blutalkohol 42, 179 [2005]>).
  149. 72
  150. Auch die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SG) ist kein Selbstzweck, sondern hat eindeutig funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrags der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (Urteil vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -). Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht darauf an, ob gegebenenfalls eine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das angeschuldigte Verhalten dazu geeignet war (Urteile vom 28. April 2004 - BVerwG 2 WD 20.03 - <ZBR 2005, 132 = DokBer 2004, 333>).
  151. 73
  152. Bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens ist ferner zu berücksichtigen, dass der Soldat als Stabsoffizier eine besondere Verantwortung trägt. Denn je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt und je mehr Verantwortung ihm dadurch übertragen wird, umso mehr Achtung und Vertrauen genießt er; umso größer sind dann auch die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt werden müssen, und umso schwerer wiegt folglich ein Dienstvergehen, das er sich zuschulden kommen lässt (Urteile vom 19. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 3.96 - <BVerwGE 103, 349 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 16 = NZWehrr 1996, 255 = NVwZ 1997, 579> und vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 2 WD 17.04 -). Mit seinem Fehlverhalten hat er nicht das von einem Vorgesetzten gemäß § 10 Abs. 1 SG verlangte Beispiel in Haltung und Pflichterfüllung, sondern im Gegenteil ein außerordentlich schlechtes Beispiel gegeben.
  153. 74
  154. bb) Zu Lasten des Soldaten wirkt sich aus, dass er wegen des Dienstvergehens von seinem Dienstposten als Kommandeur der R...abteilung ... abgelöst wurde. Diese für die Personalplanung und -führung nachteiligen Auswirkungen seines Dienstvergehens muss sich der Soldat zurechnen lassen (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - <Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127 = ZBR 2003, 392 = NVwZ-RR 2003, 366 = DokBer 2003, 91>). Des Weiteren ist zu seinen Ungunsten zu berücksichtigen, dass durch das Ausstellen einer objektiv unrichtigen Bescheinigung durch den Soldaten (Anschuldigungspunkt 1) ein Vermögensschaden zu Lasten des Bundes - in nicht bezifferter Höhe - eintrat; dieser entstand dadurch, dass dem Empfänger der Bescheinigung, Oberst i.G. V., infolgedessen von der Truppenverwaltung der R...abteilung ... zu Unrecht ein Mietzuschuss in Höhe des Mietzinses sowie der Nebenkosten der von ihm angemieteten Wohnung gewährt wurde. Die unwahre dienstliche Meldung an den Disziplinarvorgesetzten des Soldaten (Anschuldigungspunkt 4) hatte, obwohl sie auch für den Kommandeur bestimmt war, hingegen keine negativen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, weil der Auskunft verlangende Vorgesetzte eigene Erkundigungen eingeholt hatte; außerdem korrigierte der Soldat seine Meldung aus eigenem Entschluss bereits am nächsten Morgen.
  155. 75
  156. cc) Im Hinblick auf das Maß der Schuld ist dem Soldaten jeweils nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
  157. 76
  158. Schuldmilderungsgründe kommen hier ebenso wenig in Betracht wie Tatmilderungsgründe.
  159. 77
  160. Letztgenannte sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Besonderheiten sind ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen; daneben ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation oder der Umstand, dass sich der Soldat bei seinem Fehlverhalten unverschuldet einer außergewöhnlichen situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung eines dienstlichen Auftrages gegenübersah (u.a. Urteil vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 10.03 - <a.a.O.> und vom 28. April 2004 - BVerwG 2 WD 20.03 - <a.a.O.>).
  161. 78
  162. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte gegeben.
  163. 79
  164. dd) Zugunsten des Soldaten sprechen allerdings gewichtige Milderungsgründe in der Person. Er hat über einen langen Zeitraum hervorragende Leistungen erbracht, wie sich aus seinen sehr guten Beurteilungen ergibt; auch nach seiner Ablösung zeigte er auf seinem neuen Dienstposten eine ausgeprägte und beispielhafte Leistungsbereitschaft. Außerdem wurden ihm neben diversen Auszeichnungen, wie dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, zwei förmliche Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erteilt. Mildernd ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass er sich bislang tadelfrei innerhalb und außerhalb des Dienstes geführt hat.
  165. 80
  166. ee) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 handelte der Soldat im Glauben, dass der entsprechende Vorgang bereits vorher geprüft worden sei. Für das Fehlverhalten zu Anschuldigungspunkt 4 war ersichtlich der vom Soldaten empfundene Zeitdruck im Vorfeld der Abgabe der Meldung sowie sein Bemühen ursächlich, dem Vorgesetzten nicht eingestehen zu wollen, dass er keine genaue Kenntnis einzelner dienstlicher Vorgänge in seinem Zuständigkeitsbereich habe.
  167. 81
  168. ff) Unter Abwägung aller be- und entlastenden Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der erheblichen Milderungsgründe in der Person, hielt der Senat zur Ahndung des Dienstvergehens eine einfache Disziplinarmaßnahme in Form einer Disziplinarbuße in Höhe von 800 € als noch für tat- und schuldangemessen. Angesichts der gefestigten Persönlichkeit des Soldaten war eine deutlichere Pflichtenmahnung - auch im Hinblick auf den Zweck des Disziplinarrechts, nämlich Aufrechterhaltung eines geordneten und integren Dienstbetriebes - nicht erforderlich. Ohnehin ist der Soldat in finanzieller Hinsicht bereits durch den ihm bei der Einstellung des teilweise sachgleichen Strafverfahrens auferlegten Geldbetrag in Höhe von 500 € belastet worden.
  169. 82
  170. 4. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen waren dem Bund aufzuerlegen (§ 139 Abs. 2, § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO).