Beschluss vom 22.07.2004 -
BVerwG 2 WDB 4.03ECLI:DE:BVerwG:2004:220704B2WDB4.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2004 - 2 WDB 4.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:220704B2WDB4.03.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 4.03

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 22. Juli 2004
b e s c h l o s s e n :

  1. Auf die Beschwerde des Wehrdisziplinaranwalts wird der Beschluss des Vorsitzenden der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 19.  November 2003 aufgehoben, soweit darin das gerichtliche Disziplinarverfahren eingestellt worden ist.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt. Im Übrigen bleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Gründe

I

Der frühere Soldat - im Zivilberuf Rechtsanwalt - absolvierte im Zeitraum vom 11. März bis 22. März 2002 bei der Schule für Feldjäger und Stabsdienst in S. in der ... Inspektion eine Einzelwehrübung als Teilnehmer am „Lehrgang S 1-StOffz/S 1-Offz (Res)“. Am letzten Lehrgangstag gingen beim Chef der V. Inspektion Beschwerden von mehreren Lehrgangsteilnehmern gegen den früheren Soldaten ein. Daraufhin vernahm ihn der Inspektionschef noch am 22. März 2002 zu den erhobenen Vorwürfen. Teilweise machte der frühere Soldat von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, teilweise äußerte er sich zu einzelnen Vorwürfen. Am 2. April 2002 nahm der Wehrdisziplinaranwalt bei dem Truppendienstgericht ... für den Bereich des Personalamtes der Bundeswehr gegen den früheren Soldaten Vorermittlungen zur Vorbereitung der Entscheidung der Einleitungsbehörde über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf. Mit Schreiben vom 30. April 2002, dem früheren Soldaten am 7. Mai 2002 durch Niederlegung zugestellt, setzte der Wehrdisziplinaranwalt den früheren Soldaten von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen in Kenntnis und gab ihm „im Rahmen“ seiner „disziplinaren Vorermittlungen“ Gelegenheit, sich zu diesen Vorwürfen schriftlich zu äußern, wobei er darauf hinwies, der frühere Soldat könne jederzeit einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen und auch eine mündliche Vernehmung beantragen. Als Frist für eine Äußerung wurde der 20. Mai 2002 angegeben. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben zeigte der Verteidiger des früheren Soldaten unter anwaltlicher Versicherung seiner Vollmacht mit Schreiben vom 20. Mai 2002, das am 23. Mai 2002 beim Wehrdisziplinaranwalt einging, an, dass der frühere Soldat ihn mit der Vertretung in der Angelegenheit beauftragt habe und beantragte Akteneinsicht, um danach entscheiden zu können, inwieweit eine Einlassung erfolgen werde.

Daraufhin leitete der Amtschef des Personalamtes der Bundeswehr mit Verfügung vom 29. Mai 2002, die am 31. Mai 2002 dem früheren Soldaten durch Niederlegung zugestellt wurde, das gerichtliche Disziplinarverfahren ein, ohne zuvor die beantragte Akteneinsicht zu gewähren.

Unter dem 11. Juni 2002 bat der Wehrdisziplinaranwalt den Verteidiger des früheren Soldaten um Vorlage einer entsprechenden Verfahrensvollmacht, damit über den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht entschieden werden könne. Die vom früheren Soldaten unterzeichnete Vollmacht ging am 24. Juni 2002 beim Wehrdisziplinaranwalt ein. Unter dem 7. August 2002 teilte der Wehrdisziplinaranwalt dem Verteidiger mit, die Ermittlungen dauerten noch an; nach Abschluss der Ermittlungen komme er unaufgefordert auf den Akteneinsichtsantrag zurück. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 übersandte der Wehrdisziplinaranwalt dem Verteidiger die Verfahrensakte zur Einsichtnahme und wies darauf hin, dass sich die mit Schreiben vom 30. April 2002 gegen den früheren Soldaten erhobenen Vorwürfe durch die Ermittlungen bestätigt hätten. Gemäß § 97 Abs. 3 WDO gab er Gelegenheit, sich abschießend bis zum 1. Dezember 2002 zur Sache zu äußern oder eine mündliche Vernehmung zu beantragen. Die gesetzte Frist verlängerte er später antragsgemäß bis zum 2. Januar 2003. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 beantragte der frühere Soldat daraufhin die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, ein Dienstvergehen liege nicht vor oder sei nicht erwiesen (§ 98 Abs. 1 Nr. 4 WDO). Dabei nahm er zu den gegen den früheren Soldaten erhobenen Vorwürfen im Einzelnen Stellung.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2003 forderte der frühere Soldat den Wehrdisziplinaranwalt auf, bis zum 10. Juni 2003 über die beantragte Einstellung des Verfahrens zu entscheiden. In einem Telefonat vom 10. Juni 2003 stellte der Wehrdisziplinaranwalt gegenüber dem Verteidiger eine abschließende Vernehmung des früheren Soldaten in Aussicht. Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 bat er den Verteidiger um „abschließende schriftliche Mitteilung“, ob der frühere Soldat mit der vorgesehenen Vorgehensweise hinsichtlich der beabsichtigten Vernehmung einverstanden sei; zugleich bat er um „Benennung eines geeignetes Zeitraums zur Vernehmung im August oder ab dem 15. September 2003“. Daraufhin teilte der Verteidiger dem Wehrdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 31. Juli 2003 mit, „nach diesseitigem Verständnis“ bedürfe es keiner erneuten Vernehmung des früheren Soldaten. Der frühere Soldat sei bekanntermaßen bereits am 22. März 2002 in S. persönlich vernommen worden und habe sich dann nochmals im Schriftsatz vom „12.12.2002 schriftlich umfassend zu allen Vorwürfen geäußert“. Bei der vom Wehrdisziplinaranwalt vorgeschlagenen Anhörung könne es sich „nur mehr um das abschließende rechtliche Gehör im Sinne des § 97 Abs. 3 Satz 1 WDO handeln“; „nur unter diesen Voraussetzungen“ sei der frühere Soldaten bereit, den vorgeschlagenen Anhörungstermin wahrzunehmen, wobei es ihm frei stünde, dann seinerseits gegebenenfalls noch weitere Ermittlungen zu beantragen.

Mit Schreiben vom 11. August 2003 beantragte der frühere Soldat die Entscheidung des Truppendienstgerichts gemäß § 101 WDO. Mit seinem Antrag machte er geltend, entgegen § 101 Abs. 1 Satz 1 WDO sei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Einleitungsverfügung eine Anschuldigungsschrift zugestellt worden. Einer abschließenden Verfügung des Wehrdisziplinaranwalts stehe - mit Ausnahme des noch nicht gewährten abschließenden rechtlichen Gehörs - nichts im Weg. Die Handhabung des Verfahrens durch den Wehrdisziplinaranwalt entspreche nicht dem gesetzlichen Beschleunigungsgebot.

Daraufhin schuldigte der Wehrdisziplinaranwalt mit Anschuldigungsschrift vom 5. September 2003 den früheren Soldaten an, in sieben im Einzelnen aufgeführten Fällen Dienstpflichten schuldhaft verletzt zu haben. Die Anschuldigungsschrift ging am 15. September 2003 beim Truppendienstgericht ... ein.

Mit Beschluss vom 16. September 2003 hat der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... das gerichtliche Disziplinarverfahren „bis zur Nachholung des Schlussgehörs gemäß § 97 Abs. 3 WDO durch den Wehrdisziplinaranwalt“ ausgesetzt. Daraufhin hat der Wehrdisziplinaranwalt dem früheren Soldaten mit Schreiben vom 8. September 2003 gemäß § 97 Abs. 3 WDO und gemäß dem Beschluss des Truppendienstgerichts „nochmals abschließendes rechtliches Gehör“ gewährt. Der frühere Soldat hat daraufhin durch seinen Verteidiger mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 beantragt, das Verfahren ohne Hauptverhandlung einzustellen; ferner hat er im Einzelnen zum bisherigen Verfahrensablauf Stellung genommen. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 hat er beim Wehrdisziplinaranwalt beantragt, das mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 gewährte Schlussgehör „auszusetzen“.

Unter dem 27. Oktober 2003 hat der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... daraufhin die Zustellung der Anschuldigungsschrift vom 5. September 2003 verfügt, die dann am 29. Oktober 2003 durch Niederlegung erfolgt ist. Mit Schreiben vom 19. November 2003 hat der Verteidiger beim Truppendienstgericht ... beantragt, die gesetzte Frist zur Stellungnahme zur Anschuldigungsschrift „um weitere 10 Tage zu verlängern“, da sich der frühere Soldat aufgrund einer Erkrankung noch nicht zu dem bereits gefertigten Erwiderungsentwurf habe äußern können.

Mit Beschluss vom 19. November 2003 hat der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren Soldaten gemäß § 108 Abs. 4 WDO eingestellt.

Gegen diesen ihm am 26. November 2003 zugestellten Beschluss hat der Wehrdisziplinaranwalt mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2003 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des Truppendienstgerichts sei der frühere Soldat mit Schreiben vom 30. April 2002 ordnungsgemäß angehört worden. Die darin gesetzte Frist sei ausreichend gewesen, was der Eingang des anwaltlichen Schreibens vom 20. Mai 2002 zweifelsfrei belege. Da die Einleitungsverfügung erst am 29. Mai 2002 erstellt worden sei, hätten eingehende Stellungnahmen ohnehin noch bis zu diesem Zeitpunkt vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens berücksichtigt werden können. Wegen der notwendigen weiteren Ermittlungen habe die erbetene Akteneinsicht nach erfolgter ordnungsgemäßer Vorlage der Vollmacht erst mit Schreiben vom 25. Oktober 2003 gewährt werden können. Im Übrigen sei eine vor Ergehen der Einleitungsverfügung unterbliebene Anhörung nachholbar. Der frühere Soldat habe nach Zustellung der Einleitungsverfügung umfassend Gelegenheit gehabt, sich zum Verfahren schriftsätzlich zu äußern. Dies habe er auch mit Schriftsätzen seines Verteidigers vom 19. Dezember 2002 und vom 11. August 2003 getan. Die Einleitungsbehörde habe in Kenntnis aller Einwendungen des früheren Soldaten vor Erstellung der Anschuldigungsschrift entschieden, dass das Verfahren durch die Anschuldigung beim Truppendienstgericht fortgeführt werden solle. Dies ergebe sich aus dem vom Amtschef des Personalamtes der Bundeswehr unterzeichneten Vermerk vom 8. Juni 2004.

Er beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 19. November 2003 Termin zur Hauptverhandlung vor dem zuständigen Truppendienstgericht ... - ... Kammer - anzuberaumen.

Der frühere Soldat ist diesem Begehren entgegengetreten. Er rügt insbesondere, er sei vor Erlass der Einleitungsverfügung nicht ordnungsgemäß gehört worden. Außerdem sei nachhaltig gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und gegen das Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 WDO verstoßen worden.

II

Die Beschwerde des Wehrdisziplinaranwalts hat Erfolg.

1. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben und vom Vorsitzenden der Truppendienstkammer dem Senat ohne Abhilfegewährung ordnungsgemäß zur Entscheidung vorgelegt worden (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 WDO).

2. Sie ist auch begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die von der Truppendienstkammer vorgenommene Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nach § 108 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 WDO liegen nicht vor, da ein Verfahrenshindernis nicht besteht.

Der Begriff eines Verfahrenshindernisses ist zwar in § 108 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 WDO nicht näher definiert. Aus dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang ergibt sich jedoch, dass unter diesen Begriff alle Umstände fallen, die der Fortführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens von Rechts wegen entgegenstehen, also diese verhindern. Dazu zählen fehlende allgemeine Verfahrensvoraussetzungen (z.B. die Verfolgbarkeit von Täter und Tat) sowie schwere Mängel des Verfahrens, die nicht auf andere Weise geheilt werden können (vgl. dazu auch Dau, WDO, 4. Aufl. 2003, § 108 RNr. 11 und § 98 RNr. 4 ff. m.w.N.).

Bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens müssen alle Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach dem Gesetz die disziplinare Verfolgung des Soldaten und des Dienstvergehens zulässig ist. Zu den Voraussetzungen eines zulässigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört eine wirksame Einleitungsverfügung, die als Prozesshandlung Bestandteil eines einheitlichen, gesetzlich geregelten Verfahrens ist. Nach der Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 3 WDO wird die Einleitung mit der Zustellung an den Soldaten wirksam. Allerdings ist der Soldat „vorher“, also vor Ergehen der Einleitungsverfügung, zu hören (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO). Diese durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften (2. WehrDiszNOG) vom 16. August 2001 (BGBl I S. 2093) in die Wehrdisziplinarordnung - neu - eingefügte Vorschrift stellt die Anhörung des Soldaten vor Ergehen der Einleitungsverfügung nicht in das Ermessen der Einleitungsbehörde, sondern schreibt sie ausdrücklich verbindlich vor. Der Senat hat hierzu in dem Urteil vom 16. März 2004 - BVerwG 2 WD 3.04 - folgendes ausgeführt:

„Die durch § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO vorgeschriebene Anhörung muss dabei gerade durch die Einleitungsbehörde erfolgen, und zwar ungeachtet einer bereits vorher erfolgten Anhörung des Soldaten im Rahmen der Ermittlungen durch den Disziplinarvorgesetzten nach § 32 Abs. 4 und 5 WDO und im Vorermittlungsverfahren (§ 92 Abs. 2 i.V.m. § 97 Abs. 3 Satz 1 WDO). Dies ergibt sich daraus, dass die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO durch das 2. WehrDiszNOG gerade ungeachtet der für die davor liegenden Verfahrensstadien bereits bestehenden Anhörungspflichten in das Gesetz eingefügt worden ist. Außerdem folgt dies aus dem Regelungszusammenhang, in dem die Vorschrift steht. Als Satz 2 schließt sie im Absatz 1 des § 93 WDO unmittelbar an den vorhergehenden Satz 1 an, der sich allein auf die durch die Verfügung der Einleitungsbehörde erfolgende Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bezieht. Indem Satz 2 des § 93 Abs. 1 WDO regelt, dass die Anhörung des Soldaten ‚vorher’ zu erfolgen hat, wird klargestellt, dass dies gerade durch die Einleitungsbehörde vor Ergehen der schriftlichen Einleitungsverfügung zu geschehen hat. Denn § 93 Abs. 1 WDO betrifft allein Verfahrenshandlungen der Einleitungsbehörde. Die in § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO normierte Verpflichtung, den Soldaten ‚vorher’ zu hören, ist darauf gerichtet, ihm Gelegenheit zu geben, gerade zu der von der Einleitungsbehörde beabsichtigten Einleitungsentscheidung Stellung zu nehmen und hierauf einzuwirken. Der normative Zweck der Regelung liegt ersichtlich darin sicherzustellen, dass der Soldat in Kenntnis der drohenden Einleitungsentscheidung alles vortragen kann, was aus seiner Sicht für die Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde von Relevanz sein kann. Gibt der Soldat hierzu eine Stellungnahme ab, ist die Einleitungsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung gehalten, diese zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es reicht nicht aus, wenn die Einleitungsbehörde lediglich diejenigen Stellungnahmen des Soldaten berücksichtigt, die er zuvor im Rahmen der Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten oder im Vorermittlungsverfahren (§ 92 Abs. 2 i.V.m. § 97 Abs. 3 Satz 1 WDO) abgegeben hat. ... Damit ist ... zwingend vorgeschrieben, dem Soldaten zur beabsichtigten Ermessensentscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift die Einleitungsbehörde von einer vorherigen Anhörung des Soldaten vor ihrer Ermessensentscheidung nicht absehen darf, ist eine ... unterbliebene Anhörung seit der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgten gesetzlichen Neuregelung durch das 2. WehrDiszNOG ein - schwerer - Verfahrensfehler. ...

Dem Gesetzeswortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO lässt sich zur Frage der Auswirkungen eines Anhörungsmangels auf die Wirksamkeit der Einleitungsverfügung keine unmittelbare Antwort entnehmen. Allerdings bezeichnet das Gesetz in § 93 Abs. 1 Satz 3 lediglich die Zustellung der Einleitungsverfügung ausdrücklich als Wirksamkeitsvoraussetzung, nicht jedoch die abschließende Anhörung des Soldaten.

Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist insoweit unergiebig. In der Begründung des Regierungsentwurfs ist lediglich davon die Rede, die neue Regelung ‚konkretisiert den Anspruch des Soldaten auf rechtliches Gehör für den Fall der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens’ (BTDrucks 14/4660, S. 34 zu Nummer 65). Auch der weitere Verlauf der Gesetzesberatungen vermittelt keine näheren Aufschlüsse.

Nach dem Regelungszusammenhang und der erkennbaren normativen Zwecksetzung ist allerdings davon auszugehen, dass dann, wenn einem Soldaten entgegen § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO keine Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Einleitungsverfügung gegeben wird, der Einleitungsbehörde eine vom Gesetz zwingend vorgegebene Entscheidungsgrundlage fehlt, die ihr bei ihrer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung vorliegen muss und die sie zu berücksichtigen hat. Die Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde ist dann notwendigerweise planwidrig unvollständig. Der normative Zweck der Anhörungsvorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO, dass die Behörde ihre Ermessensentscheidung auf der vom Gesetz vorausgesetzten vollständigen Entscheidungsgrundlage trifft, kann dann nicht erreicht werden. Eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde kann allerdings so lange noch zustande kommen, wie die Einleitungsbehörde befugtermaßen ihr Ermessen hinsichtlich der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens oder dessen Einstellung noch ausüben und dabei das Ergebnis einer nachgeholten Anhörung zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen kann. Wie sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 WDO ergibt, kann die Einleitungsbehörde eine Einstellungsentscheidung noch so lange treffen, bis der Wehrdisziplinaranwalt eine Anschuldigungsschrift dem Truppendienstgericht vorlegt. Mit dem Eingang der Anschuldigungsschrift bei dem Truppendienstgericht werden dagegen die darin erhobenen Vorwürfe rechtshängig. Vom Beginn der Rechtshängigkeit an ist nicht mehr die Einleitungsbehörde, sondern allein das Wehrdienstgericht ‚Herr des Verfahrens’. Die Einleitungsbehörde ist dann nicht mehr befugt, das Verfahren durch eine Ermessensentscheidung zu beeinflussen. Eine vor Ergehen der Einleitungsverfügung entgegen § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO unterbliebene Anhörung des Soldaten durch die Einleitungsbehörde kann mithin äußerstenfalls bis zur Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 WDO nachgeholt werden. Geschieht dies nicht, wird also die Anhörung erst später oder gar überhaupt nicht nachgeholt, fehlt es an einer unverzichtbaren Voraussetzung eines zulässigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens, sodass dieses dann gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 (1. Alternative) WDO wegen eines nicht mehr heilbaren Verfahrenshindernisses einzustellen ist (im Ergebnis ebenso: Dau, a.a.O., § 93 RNr. 3). Die Einleitungsbehörde kann dann nur noch prüfen, ob sie ein neues gerichtliches Disziplinarverfahren einleiten will, soweit nicht die Fristen nach § 17 Abs. 2 bis 5 WDO verstrichen sind.“

Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest, zumal auch die Verfahrensbeteiligten, nachdem ihnen die vorerwähnte Entscheidung zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt worden war, dagegen keine Einwände vorgebracht haben.

Zu Recht ist die Truppendienstkammer vorliegend davon ausgegangen, dass die Einleitungsbehörde den früheren Soldaten entgegen § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO vor Ergehen der Einleitungsverfügung vom 29. Mai 2002 nicht ordnungsgemäß angehört hat. Denn die Einleitungsbehörde gab ihm keine hinreichende Gelegenheit, auf der Grundlage der - von ihm beantragten - Einsichtnahme in die Verfahrensakte gerade zu der von ihr beabsichtigten Einleitungsentscheidung Stellung zu nehmen und hierauf einzuwirken. Sie versagte ihm die Möglichkeit, in Kenntnis des Inhalts der Verfahrensakten alles vorzutragen, was aus seiner Sicht für die Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde über die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens von Relevanz sein konnte. Das Schreiben des Wehrdisziplinaranwalt vom 30. April 2002, das dem früheren Soldaten am 7. Mai 2002 zugestellt wurde, erfüllte diese Anforderungen nicht. Zwar wurde der frühere Soldat darin von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen im Einzelnen in Kenntnis gesetzt. Ihm wurde auch ausdrücklich Gelegenheit gegeben, sich zu diesen Vorwürfen schriftlich zu äußern und/oder eine mündliche Vernehmung zu beantragen. Vor Ergehen der Einleitungsverfügung vom 29. Mai 2002 haben jedoch weder der Wehrdisziplinaranwalt noch die Einleitungsbehörde dem früheren Soldaten die mit Schreiben vom 20. Mai 2002 beantragte Einsicht in die Verfahrensakten gewährt. Das Recht, Einsicht in die Akten zu nehmen, steht sowohl dem Soldaten (§ 3 WDO) als auch dem Verteidiger (§ 90 Abs. 3 WDO) zu. Es ist ein gesetzlicher Anspruch und Teil der Gewährung rechtlichen Gehörs. Es bedarf keiner besonderen Genehmigung durch die Akteneinsicht gewährende Stelle. Diese bestimmt lediglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Akteneinsicht. Der Anspruch auf Akteneinsicht kann geltend gemacht werden, sobald die Ermittlungen aufgenommen wurden, deren Ergebnis Eingang in Akten oder sonstige Unterlagen gefunden hat. Der Einsicht unterliegen alle anlässlich der Ermittlungen entstandenen und für diese Zwecke beigezogenen Akten (vgl. dazu u.a. Dau, a.a.O., § 3 RNr. 4 m.w.N.). Die Akteneinsicht ist dem Soldaten gemäß § 3 Abs. 1 WDO zu gestatten, soweit dies ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks möglich ist (Satz 1); nach Zustellung der Anschuldigungsschrift (sowie - hier nicht einschlägig - bei der Anhörung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 und nach § 32 Abs. 5 Satz 1 WDO) ist ihm die Einsicht ohne diese Einschränkung zu gestatten (Satz 2). Vor Ergehen der Einleitungsverfügung vom 29. Mai 2002 ist dem früheren Soldaten und seinem Verteidiger dieses Recht auf Akteneinsicht und damit auf rechtliches Gehör vorenthalten worden, sodass es an einer hinreichenden Anhörung vor Ergehen der Einleitungsverfügung fehlt. Denn der Wehrdisziplinaranwalt hat erst mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 und damit nach Ergehen der Einleitungsverfügung die Verfahrensakte zur Einsichtnahme an den Verteidiger übersandt.

Soweit die Einleitungsbehörde - ungeachtet der vom Verteidiger im Schreiben vom 20. Mai 2002 anwaltlich versicherten Vollmacht - Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung des Verteidigers hatte, wäre sie nach dem rechtsstaatlichen Gebot zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens zumindest gehalten gewesen, den Verteidiger auf die vorhandenen Zweifel hinzuweisen und auf der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht innerhalb einer festzusetzenden Frist zu bestehen. Denn auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren ist - ebenso wie im Strafverfahren (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, Vor § 137 RNr. 9 m.w.N.) - eine besondere Form für die Beauftragung eines Wahlverteidigers nicht vorgeschrieben. Die Wirksamkeit einer Verteidigerbestellung hängt nicht von der Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ab. Für den Nachweis des Verteidigerverhältnisses genügt die Anzeige des Beschuldigten oder Verteidigers. Die Vermutung spricht angesichts der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO), seines Rechts zur Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 BRAO) sowie seiner besonderen Pflichtenbindung (§§ 43 ff. BRAO) für eine Bevollmächtigung des Rechtsanwalts, der sich als Verteidiger meldet und eine Prozesshandlung für den Beschuldigten vornimmt. Wenn im Einzelfall Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, kann die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt werden (vgl. dazu die Nachweise bei Meyer-Goßner, a.a.O.). Der Wehrdisziplinaranwalt hat zwar durch sein an den Verteidiger gerichtetes Schreiben vom 11. Juni 2002, zugegangen am 20. Juni 2002, um Vorlage einer Verfahrensvollmacht gebeten. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Einleitungsverfügung vom 29. Mai 2002 bereits ergangen.

Die Einleitungsbehörde durfte im vorliegenden Falle weder selbst noch durch den Wehrdisziplinaranwalt das Akteneinsichtsbegehren ablehnen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass damals - kurz vor Ergehen der Einleitungsverfügung - durch eine Einsichtnahme in die Akten eine Gefährdung des Ermittlungszwecks drohte. Wäre letzteres der Fall gewesen, wäre die Einleitungsbehörde oder der Wehrdisziplinaranwalt gehalten gewesen, dies dem Verteidiger mitzuteilen, damit dieser und der frühere Soldat sich darauf einstellen konnten. Dies ist jedoch nicht geschehen. Soweit der Wehrdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 7. August 2002 mitteilte, er werde „nach Abschluss“ seiner Ermittlungen unaufgefordert auf die beantragte Akteneinsicht zurückkommen, lässt sich auch daraus nicht erkennen, inwiefern seinerzeit kurz vor Ergehen der Einleitungsverfügung durch eine Einsichtnahme in die Akten der Ermittlungszweck gefährdet worden wäre. Dies macht der Wehrdisziplinaranwalt letztlich auch selbst nicht geltend.

Mit Recht hat die Truppendienstkammer auch dargelegt, dass dem Akteneinsichtbegehren des Verteidigers die im Anhörungsschreiben des Wehrdisziplinaranwalts vom 30. April 2002, das dem früheren Soldaten am 7. Mai 2002 zuging, gesetzte Äußerungsfrist (20. Mai 2002) nicht entgegengehalten werden konnte. Es handelte sich insoweit um keine gesetzliche Ausschlussfrist. Der Wehrdisziplinaranwalt hat selbst darauf hingewiesen, dass ohnehin Stellungnahmen des früheren Soldaten und seines Verteidigers bis zum Zeitpunkt des Ergehens der Einleitungsverfügung am 29. Mai 2002 noch bei der Entscheidung hätten berücksichtigt werden können, aber nicht erfolgt seien.

Nach alledem waren die erfolgte Nichtbescheidung des Akteneinsichtsbegehrens, das jedenfalls am 23. Mai 2002 beim Wehrdisziplinaranwalt einging, und die darin liegende Nichtgewährung rechtlichen Gehörs rechtswidrig.

Nach der dargelegten Rechtsprechung des Senats konnte allerdings die vor Ergehen der Einleitungsverfügung entgegen § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO unterbliebene Anhörung des früheren Soldaten durch die Einleitungsbehörde bis zur Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht, also bis zum 15. September 2003, nachgeholt werden. Dies ist hier geschehen. Aufgrund der mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 erfolgten Übersendung der Verfahrensakte durch den Wehrdisziplinaranwalt konnte der Verteidiger des früheren Soldaten in die Ermittlungsakten Einsicht nehmen und anschließend zu den erhobenen Vorwürfen im Einzelnen Stellung nehmen. Von dieser Möglichkeit hat der frühere Soldat durch seinen Verteidiger auch jedenfalls durch Schreiben vom 19. Dezember 2002 sowie 19. Mai, 13. Juni und 31. Juli 2003 Gebrauch gemacht. In diesen Schreiben ist er den gegen ihn erhobenen Vorwürfen im Einzelnen entgegengetreten und hat - wiederholt - auf Einstellung des Verfahrens gedrängt sowie entsprechende Anträge gestellt. Die Einleitungsbehörde ist diesem Begehren zwar nicht gefolgt. Sie hat es jedoch zur Kenntnis genommen und in ihre Erwägungen einbezogen; allerdings hat sie davon Abstand genommen, das Verfahren nach § 98 WDO einzustellen. Dies ergibt sich nach der Überzeugung des Senats aus dem vom Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Schriftsatz vom 17. Juni 2004 vorgelegten Vermerk des Amtschefs des Personalamtes der Bundeswehr vom 8. Juni 2004. Darin hat der Amtschef, Generalmajor G., ausgeführt,

„Bezogen auf das ... gerichtliche Disziplinarverfahren“ gegen den früheren Soldaten „stelle ich fest, dass mir durch den Wehrdisziplinaranwalt beim Personalamt der Bundeswehr fortlaufend zur Sache vorgetragen worden ist, mir alle Einlassungen des beschuldigten Soldaten vor Anschuldigung zur Kenntnisnahme gebracht worden sind und ich am 04.09.2003 verfügt habe, dass die Sache beim zuständigen Truppendienstgericht anzuschuldigen ist.“

Der Senat hat keine Veranlassung, die inhaltliche Richtigkeit dieser von Generalmajor G. abgegebenen und persönlich unterzeichneten Erklärung in Zweifel zu ziehen. Zwar hat der Verteidiger im Schriftsatz vom 8. Juli 2004 die Erklärung des Amtschefs des Personalamts der Bundeswehr vom 8. Juni 2004 „mit Nichtwissen seitens des angeschuldigten Soldaten“ bestritten. Aus seinem Vorbringen ergeben sich jedoch für den Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Erklärung von Generalmajor G. inhaltlich unzutreffend ist. Da dieser im Falle einer inhaltlich unzutreffenden Erklärung mit schwerwiegenden dienstrechtlichen und unter Umständen auch strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätte, kann ohne entsprechende konkrete Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass er diese Erklärung ohne hinreichende Prüfung des Sachverhaltes abgegeben hat. Angesichts der Befassung des Wehrdisziplinaranwalts und des Bundeswehrdisziplinaranwalts mit dem Vorgang kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Generalmajor G. diese Erklärung ohne hinreichende rechtliche Beratung unterzeichnet hat.

Sonstige schwere Verfahrensmängel, die ein Verfahrenshindernis im Sinne des § 108 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 WDO darstellen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar ist sehr zweifelhaft, ob die bisherige Gestaltung des mit der am 31. Mai 2002 erfolgten Zustellung der Einleitungsverfügung wirksam eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens dem Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 WDO genügt. Eine nähere Prüfung kann insoweit jedoch dahingestellt bleiben. Denn auch ein (mehrmonatiger) Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot stellt jedenfalls kein Verfahrenshindernis im Sinne des § 108 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 WDO dar. Wird eine disziplinare Maßregelung verzögert, kann diese allenfalls dann unzulässig werden, wenn aus den Umständen des Einzelfalles auf eine Entscheidung der Einleitungsbehörde geschlossen werden kann, dass sie von einer disziplinaren Ahndung gänzlich habe absehen wollen (vgl. dazu Beschluss vom 2. März 1977 - BVerwG 2 WDB 24.76 -; Dau, a.a.O., § 17 RNr. 13). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil der Wehrdisziplinaranwalt nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens unter anderem durch seine Schreiben vom 7. August, 25. Oktober und 12. November 2002 sowie durch das Telefonat am 10. Juni 2003 und durch das weitere Schreiben vom 18. Juli 2003 klar zum Ausdruck gebracht hat, dass das gerichtliche Disziplinarverfahren nach seiner Auffassung fortgesetzt werden soll. Diese Handlungen und Erklärungen des Wehrdisziplinaranwalts hat sich die Einleitungsbehörde ausweislich des vorerwähnten Vermerks vom 8. Juni 2004 zu Eigen gemacht. Angesichts dessen kann ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 WDO nach der Rechtsprechung des Senats allenfalls Auswirkungen auf die Maßnahmebemessung haben (vgl. dazu u.a. Urteil vom 19. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 3.96 - <BVerwGE 103, 349 [353] = Buchholz 235.0 § 34 Nr. 16 = NZWehrr 1996, 255 = NVwZ 1997, 579>; Dau, a.a.O., § 17 RNr. 13 m.w.N.).

Der Beschluss des Kammervorsitzenden vom 19. November 2003 kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 141 Abs. 1, § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WDO. Die Entscheidung über die Tragung der notwendigen Auslagen des Soldaten ergeht nach § 141 Abs. 2, § 140 Abs. 3 Satz 3 WDO. Obwohl das zu Ungunsten des früheren Soldaten eingelegte Rechtsmittel des Wehrdisziplinaranwalts erfolgreich war, wäre es unbillig, den Soldaten mit den Verfahrenskosten zu belasten. Denn der frühere Soldat hat weder durch sein Verhalten noch durch dasjenige seines Verteidigers Veranlassung zu der vom Vorsitzenden der Truppendienstkammer beschlossenen Einstellung des gerichtlichen Verfahrens nach § 108 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 WDO gegeben. Ebenso wenig hat er die Verfahrensmängel zu vertreten, die Veranlassung zu dem Einstellungsbeschluss des Vorsitzenden der Truppendienstkammer Anlass gaben.