Urteil vom 23.11.2004 -
BVerwG 2 C 28.03ECLI:DE:BVerwG:2004:231104U2C28.03.0

Leitsatz:

Die Zahlung einer Ausgleichszulage für eine weggefallene Ausgleichszulage setzt keine mindestens fünfjährige zulageberechtigende Verwendung voraus.

Urteil

BVerwG 2 C 28.03

  • VG Dresden - 27.05.2003 - AZ: VG 11 K 1782/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , G r o e p p e r ,
Dr. B a y e r und Dr. H e i t z
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 27. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

I


Die Klägerin ist Beamtin des Freistaates Sachsen. Sie war von April 1992 bis zum 5. April 1998, unterbrochen durch zweimaligen Erziehungsurlaub von zwei und drei Monaten, beim Sächsischen Landtag tätig. Vom 6. April 1998 bis zum 5. April 1999 war sie zum Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie abgeordnet. Aufgrund ihrer Verwendung beim Sächsischen Landtag bezog sie bis zum 31. Dezember 1997 eine Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 3 zu den Besoldungsordnungen A und B des Sächsischen Besoldungsgesetzes in der damals maßgebenden Fassung (sog. Ministerialzulage). Als Ausgleich für den Wegfall dieser Zulage aufgrund des Zweiten Besoldungsänderungsgesetzes (Sachsen) erhielt sie gemäß Art. 2 dieses Gesetzes ab dem 1. Januar 1998 bis zu ihrer Abordnung an das Landesamt für Umwelt und Geologie eine Ausgleichszulage. Während der Tätigkeit beim Landesamt wurde ihr bis zum 31. Januar 1999 die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 2 BBesG gezahlt.
Mit dem angefochtenen Bescheid forderte der Beklagte die Ausgleichszulage nach § 12 Abs. 2 BBesG mit der Begründung zurück: Seit dem Beginn der Tätigkeit beim Landesamt für Umwelt und Geologie habe der Klägerin die Ausgleichszulage nach Art. 2 des Zweiten Besoldungsänderungsgesetzes, mit der die Abschaffung der sog. Ministerialzulage habe kompensiert werden sollen, nicht länger zugestanden. Die dadurch herbeigeführte Verringerung ihrer Dienstbezüge habe jedoch keinen Anspruch auf die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 2 BBesG entstehen lassen. Nach dem zutreffenden Verständnis von § 13 Abs. 2 Satz 3 BBesG werde nämlich der Wegfall einer Stellenzulage nur ausgeglichen, wenn der Beamte mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen zulageberechtigt verwendet worden sei. Die Klägerin sei nicht ohne Unterbrechung fünf Jahre lang beim Sächsischen Landtag beschäftigt gewesen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt: § 13 Abs. 2 Satz 6 BBesG a.F. dürfe nicht dahin ausgelegt werden, dass auch eine der Kindererziehung dienende Unterbrechung einer mindestens fünfjährigen zulageberechtigenden Verwendung dem Erhalt der Ausgleichszulage als Kompensation der abgeschafften Stellenzulage entgegenstehe. Dies verbiete Art. 6 Abs. 2 GG.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und begehrt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 27. Mai 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren.

II


Die Sprungrevision, über die der Senat gemäß §§ 141, 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Die Sprungrevision ist vom Verwaltungsgericht im Urteil zugelassen worden (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). Da der Begriff der Zustimmung auch die vorherige Einwilligung umfasst (§ 183 Satz 1 BGB), kann das Einverständnis der Prozessbeteiligten mit der Einlegung der Sprungrevision - wie hier - bereits in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts erklärt werden (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 25. März 1993 - BVerwG 5 C 45.91 - BVerwGE 92, 220 <221 m.w.N.>). Dem Erfordernis, dass bei einer Zulassung der Sprungrevision im Urteil die Zustimmung zu ihrer Einlegung der Revisionsschrift beigefügt werden muss (§ 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO), ist dadurch genügt, dass die Zustimmungserklärung Bestandteil der Gerichtsakten geworden ist, die dem Verwaltungsgericht bei Eingang der Revisionsschrift (§ 139 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zusammen mit dieser vorgelegen haben (vgl. Beschluss vom 29. Februar 1984 - BVerwG 8 C 108.83 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 24). Die von den Beteiligten zu Protokoll des Verwaltungsgerichts abgegebene Erklärung, dass sie der "Sprungrevision zustimmen", besagt offenkundig, dass sie im Sinne des gesetzlichen Erfordernisses nach § 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO einer Einlegung der Sprungrevision zustimmen. Sie wollten erreichen, dass das Verfahren unter Übergehung der Berufungsinstanz an das Bundesverwaltungsgericht gelangt.
Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung der Ausgleichszulage.
Nach § 12 Abs. 2 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Bei dem zurückverlangten Betrag handelt es sich um Dienstbezüge i.S. dieser Bestimmung. Die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 2 BBesG gehört nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BBesG zu den Dienstbezügen. Die Ausgleichszulage ist der Klägerin jedoch nicht "zuviel gezahlt" worden. Sie ist nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden. Vielmehr hatte die Klägerin einen Anspruch auf diese Besoldungsleistung.
Nach § 13 Abs. 2 BBesG i.d.F. des Gesetzes vom 16. Mai 1997 (BGBl I S. 1066), in der die Vorschrift vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Dezember 1998 galt - BBesG F. 1997 - und i.d.F. vom 3. Dezember 1998 (BGBl I S. 3434), die in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2001 maßgebend war - BBesG F. 1998 -, erhält ein Beamter eine Ausgleichszulage, wenn sich seine Dienstbezüge aus anderen als den in § 13 Abs. 1 BBesG aufgeführten dienstlichen Gründen verringern.
Die Dienstbezüge der Klägerin hatten sich infolge des Beginns ihrer Tätigkeit am Landesamt für Umwelt und Geologie am 6. April 1998 verringert. Zunächst hatte die Klägerin die Stellenzulage nach der Vorbemerkung Nr. 3 des Sächsischen Besoldungsgesetzes i.d.F. vom 23. Januar 1997 (SächsGVBl S. 81) - SächsBesG a.F. - aufgrund ihrer Verwendung beim Sächsischen Landtag bezogen. Vom 1. Januar 1998 an, als die Abschaffung dieser Stellenzulage durch Art. 1 Nr. 4 Buchst. a des 2. Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 12. Dezember 1997 - 2. SächsBesÄndG - (SächsGVBl S. 657) wirksam geworden war, bis zum 5. April 1998 erhielt die Klägerin die - als Kompensation für den Verlust der Stellenzulage geschaffene - Ausgleichszulage nach Art. 2 dieses Gesetzes. Diese Ausgleichszulage stand der Klägerin nicht mehr zu, als sie am 6. April 1998 ihre Tätigkeit beim Landesamt aufnahm. Die Ausgleichszulage nach Art. 2 2. SächsBesÄndG erhielt ein früherer Empfänger der abgeschafften Stellungszulage nämlich nur für die Dauer des Fortbestehens seiner früheren Verwendung. Durch diesen Verlust der Ausgleichszulage nach Art. 2 2. SächsBesÄndG erlitt die Klägerin die nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BBesG F. 1997 und F. 1998 erforderliche Verminderung der Dienstbezüge. Dienstbezüge im Sinne dieser Bestimmung sind nach § 13 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 BBesG F. 1997 und F. 1998 ausdrücklich auch Ausgleichszulagen, soweit sie wegen Wegfalls von Stellenzulagen gewährt werden. Schließlich ist auch der Grund für den Verlust der Ausgleichszulage nach Art. 2 2. SächsBesÄndG, nämlich das Ende der "entsprechenden Verwendung", ein anderer dienstlicher Grund i.S. des § 13 Abs. 2 Satz 1 BBesG F. 1997 und F. 1998, da die Klägerin aus einem "dienstlichen Bedürfnis" (vgl. § 36 Abs. 1 SächsBG) an das Landesamt für Umwelt und Geologie abgeordnet worden ist.
Der Anspruch der Klägerin auf die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 2 BBesG F. 1997 und F. 1998 war nicht nach § 13 Abs. 2 Satz 6 BBesG F. 1997 und F. 1998 ausgeschlossen. Diese Ausschlussregelung erfasst von vornherein nicht die Besoldungsverringerung, von der die Klägerin betroffen war.
Nach § 13 Abs. 2 Satz 6 BBesG F. 1997 und F. 1998 wird der Wegfall einer Stellenzulage nicht ausgeglichen, wenn der Beamte weniger als fünf Jahre zulageberechtigend verwendet worden ist. Danach ist die fünfjährige zulageberechtigende Verwendung nur dann Voraussetzung für den Erhalt der Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 2 BBesG F. 1997 und F. 1998, wenn der Wegfall einer Stellenzulage auszugleichen ist. Die Zulage, die die Klägerin durch die Beendigung ihrer Tätigkeit beim Sächsischen Landtag am 5. April 1998 verloren hat, war keine Stellenzulage, sondern eine Ausgleichszulage. Die Zulage nach Art. 2 2. SächsBesÄndG ist im Gesetz ausdrücklich als "Ausgleichszulage" bezeichnet. Der begrifflich-definitorischen Funktion des Wortlauts bei einem gesetzlichen Terminus kommt gerade bei der Auslegung besoldungsrechtlicher Bestimmungen gesteigerte Bedeutung zu (vgl. zu der dem Wortlaut verpflichteten Auslegung des Besoldungs- und Versorgungsrechts u.a. Beschluss vom 2. September 1994 - BVerwG 2 B 51.94 -; Urteil vom 25. Juni 1992 - BVerwG 2 C 13.91 - Buchholz 239.2 § 11 SVG Nr. 6). Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 6 BBesG F. 1997 und F. 1998 einerseits und Art. 2 2. SächsBesÄndG andererseits kann das Erfordernis einer mehrjährigen "zulageberechtigenden Verwendung" nur für den Bezug einer Stellenzulage gelten. Diese wird für eine bestimmte, nämlich eine gegenüber den sonst dem betroffenen Statusamt zugeordneten Aufgaben herausgehobene Funktion gezahlt (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG) und ist an die Wahrnehmung der herausgehobenen Funktion durch den Beamten gebunden (vgl. § 42 Abs. 3 Satz 1 BBesG). Zulageberechtigende Verwendung ist deshalb eine den Anspruch auf eine Stellenzulage auslösende Verwendung. Mit dem Erfordernis einer Mindestdauer der zulageberechtigenden Verwendung und damit des Bezugs der Stellenzulage beschränkt § 13 Abs. 2 Satz 6 BBesG F. 1997 und F. 1998 den Kreis derjenigen, die bei Wegfall der Stellenzulage Anspruch auf die Ausgleichszulage nach § 13 Abs. 2 BBesG haben. Anspruchsberechtigt ist nur, wer sich wegen der langandauernden Wahrnehmung der herausgehobenen Funktion auf die erhöhte Besoldung eingestellt hat. Ihn will der Gesetzgeber in seinem Vertrauen schützen. Von dieser Art ist nicht der Vertrauensschutz, den die Klägerin genießt. Dem Vertrauensschutz der sächsischen Beamten, die von der Abschaffung der Stellenzulage nach dem Sächsischen Besoldungsgesetz - Sächsische Besoldungsordnungen A und B - Vorbemerkung Nr. 3 a.F. betroffen waren, ist in der Weise Rechnung getragen, dass ihnen für die Zeit einer "entsprechenden Verwendung" die Ausgleichszulage nach Art. 2 2. SächsBesÄndG gewährt wurde. In dieser Regelung stellt der Gesetzgeber für den Vertrauensschutz auf die weitere "entsprechende Verwendung" ab: Ist der ehemalige Bezieher einer Stellenzulage - aufgrund seiner weiteren entsprechenden Verwendung - bereits in die Rechtsstellung des berechtigten Empfängers der Ausgleichszulage nach Nr. 2 2. SächsBesÄndG gelangt, steht damit die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens außer Diskussion. Dann aber besteht beim dienstlich veranlassten Wegfall auch dieser Ausgleichszulage kein Grund, für die Kompensation dieser Einbuße zwecks - nochmaliger - Einbeziehung von Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes eine Mindestzeit vorauszusetzen, in der die weggefallene Ausgleichszulage bezogen wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.