Beschluss vom 25.01.2018 -
BVerwG 6 B 38.18ECLI:DE:BVerwG:2018:250118B6B38.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.01.2018 - 6 B 38.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:250118B6B38.18.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 38.18

  • VG Düsseldorf - 15.09.2015 - AZ: VG 27 K 4824/14
  • OVG Münster - 25.09.2017 - AZ: OVG 2 A 2286/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Januar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. September 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 159,84 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich gegen zwei Bescheide, durch die der Beklagte Rundfunkbeiträge für die Monate Januar bis August 2013 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 159,84 € festgesetzt hat. Die Anfechtungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.

2 Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO vorliegen.

3 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Für eine bundesgerichtlich bereits beantwortete Rechtsfrage besteht ein Klärungsbedarf nur, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 - 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224). Den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO maßgeblichen Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

4 Der Kläger hält im Hinblick auf die von ihm angestrebte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sinngemäß die Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob
- das nordrheinwestfälische Zustimmungsgesetz zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegen Unionsrecht verstößt, weil die Beiträge nur staatlichen, nicht aber privaten Rundfunkanstalten zugute kommen;
- ein solches Gesetz der Zustimmung der EU-Kommission bedurft hätte;
- die Verwendung von Beitragsgeldern zur Schaffung eines DVB-T2-Übertragungswegs nur für deutsche Sender europarechtswidrig ist;
- es europarechtswidrig ist, dass öffentlich-rechtliche Sender ihre Forderungen selbst titulieren und unmittelbar eintreiben lassen können, während private Pay-TV-Sender den Klageweg beschreiten müssen;
- es mit dem Informationsfreiheitsrecht aus Art. 10 EMRK und Art. 4 der Grundrechtscharta vereinbar ist, dass jeder Bürger einen Beitrag zur Finanzierung bestimmter Sender leisten muss;
- es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist, dass für jeden Haushalt genau ein Beitrag zu zahlen ist und dadurch die Beitragshöhe pro Person völlig unterschiedlich hoch sein kann;
- es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist, dass Personen, die aus beruflichen Gründen einen zweiten Wohnsitz innehaben müssen, einen doppelt so hohen Beitrag zahlen;
- es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist, dass sich die Beitragspflicht nach dem Wohnsitz im Inland richtet, obwohl man vom Ausland aus auch deutsche Sender empfangen kann.

5 Soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf die in dem Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 3. August 2017 - 5 T 121/17 u.a. - enthaltenen Vorlagefragen und deren Begründung für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die angebliche Verwendung von Beitragsgeldern zur Schaffung eines DVB-T2-Übertragungswegs nur für deutsche Sender oder die Möglichkeit der öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Forderungen selbst zu titulieren und unmittelbar eintreiben zu lassen können, mit Unionsrecht vereinbar sind, ist schon nicht erkennbar, dass diese Fragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind.

6 Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass der an die Wohnung anknüpfende Rundfunkbeitrag im privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV unionsrechtskonform ist; insbesondere bedurfte die Ablösung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag nicht nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 3 AEUV der vorherigen Zustimmung der Kommission, weil diese Änderung die maßgebenden Faktoren der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht verändert hat. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen Personen herangezogen, die die Möglichkeit des Rundfunkempfangs haben. Insoweit hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Erfassung der Pflichtigen geändert. Bei der Einbeziehung der sehr kleinen Gruppe, die nicht im Besitz eines herkömmlichen oder neuartigen Empfangsgeräts, aber ebenfalls beitragspflichtig ist, handelt es sich nicht um eine Änderung der ursprünglichen Finanzierungsregelung in ihrem Kern (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​180316U6C6.15.0] - BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f.; vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​150616U6C35.15.0] - juris Rn. 53 f. und vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​250117U6C15.16.0] - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 58 f.).

7 Die Frage der Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrags mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), deren Art. 11 Abs. 1 (nicht Art. 4, wie vom Kläger angegeben) die Informationsfreiheit gewährleistet und deren Art. 21 Abs. 1 ein allgemeines Diskriminierungsverbot enthält, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta hier nicht eröffnet ist (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 61 f.): Die Charta bindet die Mitgliedstaaten gemäß Art. 51 Abs. 1 GRC ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Daher ist das Recht der Mitgliedstaaten nur dann an den Grundrechten der Charta zu messen, wenn es durch Unionsrecht determiniert ist. Diese Voraussetzung liegt in Bezug auf das Rundfunkbeitragsrecht nicht vor. Insbesondere berührt die Beitragspflicht weder die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) noch die Freizügigkeit (Art. 21 AEUV) oder die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Die Beitragspflicht verfolgt das Ziel, die Erfüllung der Aufgaben des klassischen Rundfunkauftrags zu gewährleisten. Sie stellt keine normative Einschränkung dieser Grundfreiheiten dar, weil sie ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit für alle Personen im Inland, die Inhaber einer Wohnung i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV sind, gleichermaßen gilt. Anhaltspunkte für eine tatsächliche Schlechterstellung der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber deutschen Staatsangehörigen bestehen nicht. Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union schützen regelmäßig nicht davor, durch die Wohnungsinhaberschaft in einem anderen Mitgliedstaat dort mit rechtlichen Regelungen konfrontiert zu werden, die im Staat des bisherigen Wohnsitzes nicht bestehen. Dies gilt jedenfalls für solche Regelungen, die nicht durch das Unionsrecht determiniert sind (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 62 unter Bezug auf EuGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - C-336/96 [ECLI:​EU:​C:​1998:​221], Gilly/Directeur des services fiscaux du Bas-Rhin -).

8 Im Übrigen kommt den genannten Bestimmungen der Grundrechtecharta kein weiterreichender Gewährleistungsgehalt zu als den entsprechenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Dass die Rundfunkbeitragspflicht für Wohnungsinhaber nicht gegen das Grundrecht verstößt, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ungehindert zu unterrichten (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Soweit sich die Beitragspflicht als Beschränkung des Zugangs zu anderen Informationsquellen auswirkt, ist dies hinzunehmen, um den unmittelbar durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung zu gewährleisten (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 50 und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 52). Der Schutzbereich der negativen Informationsfreiheit wird durch die Rundfunkbeitragspflicht nicht berührt, denn das Recht der Beitragspflichtigen auf eine ablehnende Haltung gegenüber bestimmten medialen Informationsquellen wird nicht eingeschränkt. Selbst wenn aber ein Eingriff in den Schutzbereich der negativen Informationsfreiheit unterstellt wird, wäre dieser - nicht anders als der Eingriff in die positive Informationsfreiheit - zur Gewährleistung des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestands des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung gerechtfertigt (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 6 B 12.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​270717B6B12.17.0] - K&R 2017, 742 Rn. 10).

9 Ebenfalls in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt ist, dass die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung einen Verteilungsmaßstab zur Folge hat, der im Hinblick auf die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers als noch vorteilsgerecht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Da es unmöglich ist, die Größe des individuellen Vorteils, das heißt die Nutzungsgewohnheiten der Rundfunkteilnehmer, zu bestimmen, können bei der Festlegung des Verteilungsmaßstabs Gründe der Praktikabilität berücksichtigt werden. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an die Wohnung hat den Vorteil, dass für die Beitragserhebung nur ein Wohnungsinhaber (Bewohner) bekannt sein muss. Ein personenbezogener Maßstab ("Pro-Kopf-Beitrag") erforderte demgegenüber einen größeren Ermittlungsaufwand, ohne zu mehr als nur geringen Verschiebungen der individuellen Beitragsbelastungen zu führen (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 43 ff. und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 45 ff.). Keine im Ergebnis andere Beurteilung gilt für die Beitragspflicht der Inhaber mehrerer Wohnungen. Ihre Inanspruchnahme für jede einzelne Wohnung ist von der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsbefugnis bei der Beitragsgestaltung gedeckt (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 - 6 C 15.16 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 79 Rn. 51 f.).

10 Das Beschwerdevorbringen des Klägers enthält keine neuen, bislang nicht bedachten Gesichtspunkte. Vielmehr setzt der Kläger den Rechtsauffassungen des Bundesverwaltungsgerichts unter Bezugnahme auf das erwähnte Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Tübingen jeweils seine eigenen abweichenden Rechtsauffassungen entgegen. Weder der Umstand, dass er mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einverstanden ist, noch der Hinweis auf die ebenfalls abweichende Rechtsauffassung eines anderen Gerichts, bei dem es sich nicht um ein oberstes Bundesgericht handelt, ist aber für sich genommen geeignet, die grundsätzliche Bedeutung seiner Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen.

11 2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Dass das Berufungsgericht davon abgesehen hat, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die vom Kläger aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen einzuholen, kann nicht mit Erfolg als Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt werden. Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet das Berufungsgericht zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur für den Fall, dass seine Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht weiter angefochten werden kann. Bei der vorliegend statthaften Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision handelt es sich jedoch um ein derartiges Rechtsmittel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 7 B 22.10 - juris Rn. 9).

12 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.