Urteil vom 28.04.2004 -
BVerwG 2 WD 20.03ECLI:DE:BVerwG:2004:280404U2WD20.03.0

Urteil

BVerwG 2 WD 20.03

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 28. April 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Denzin,
Oberleutnant Schlossmacher
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Peiser, Hamburg,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Wehrdisziplinaranwalts wird das Urteil der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 7. Juli 2003 aufgehoben.
  2. Dem früheren Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens die Übergangsbeihilfe um die Hälfte gekürzt.
  3. Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug hat der frühere Soldat zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zur Hälfte dem früheren Soldaten und zur Hälfte dem Bund auferlegt, der auch die Hälfte der dem früheren Soldaten im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe

I

Der 30 Jahre alte frühere Soldat besuchte das Gymnasium, das er am 26. Juni 1992 mit der allgemeinen Hochschulreife abschloss.

Zur Ableistung seines Grundwehrdienstes wurde er zum 1. Juli 1992 zur Panzerjägerkompanie ... in S./S. einberufen und aufgrund seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr und der entsprechenden Verpflichtungserklärung mit Wirkung vom 1. Juli 1993 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine zuletzt auf zehn Jahre festgesetzte Dienstzeit endete mit Ablauf des 30. Juni 2002.

Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde er am 12. Mai 1999 zum Oberleutnant befördert.

Zum 1. März 1994 wurde der zunächst bei der .../Transportbataillon ... in D. eingesetzte frühere Soldat als Schüler zur Nachschubschule des Heeres in B. zur Teilnahme am Offizieranwärterlehrgang Teil 1 versetzt, den er am 30. Juni 1994 mit der Note „gut“ abschloss. Ebenfalls mit der Abschlussnote „gut“ nahm er in der Zeit vom 31. Oktober 1994 bis 28. Februar 1995 am Offizieranwärterlehrgang Teil 2 teil. Anfang April 1995 wechselte er an die Offizierschule des Heeres in H., an der er am 18. Oktober 1995 die Offizierprüfung mit der Abschlussnote „befriedigend“ bestand. Zum 1. Oktober 1996 wurde er als Schüler an die Universität der Bundeswehr H. zur Aufnahme des Studiums der Volkswirtschaftslehre versetzt. Nach seinem Wechsel zum Studiengang Betriebswirtschaftslehre bestand er am 8. Juni 1999 die Diplomvorprüfung mit der Gesamtnote „befriedigend“. Wegen endgültigen Nichtbestehens der Diplomhauptprüfung wurde er als Nachschuboffizier und Zugführeroffizier zum 1. September 2001 zur .../Nachschubbataillon ... in N. versetzt. Im Zusammenhang mit einem vom Kompaniechef am 20. Dezember 2001 eingeleiteten Dienstunfähigkeitsverfahren war der frühere Soldat ab diesem Tag bis zum 30. Juni 2002 von allen Dienstverrichtungen befreit („krank zu Hause“).

In der planmäßigen Beurteilung vom 27. Februar 1996 wurden die dienstlichen Leistungen des früheren Soldaten in der gebundenen Beschreibung fünfmal mit „2“ und siebenmal mit „3“ bewertet. In der freien Beschreibung erhielt er für Durchsetzungsvermögen und Kameradschaft jeweils den Ausprägungsgrad „B“.

In dem Beurteilungsvermerk des Leiters der Studentenfachbereichsgruppe ... der Universität der Bundeswehr H. vom 21. September 2001 aus Anlass der Wegversetzung von der Universität wird ausgeführt:

„Oberleutnant ... ist sowohl aufgrund seiner akademischen als auch militärischen Leistungen eindeutig im hinteren Bereich des Studentenjahrgangs 1997 einzuordnen. Unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass bei ihm ein Studiengangswechsel von VWL zu BWL erfolgte, sind seine gezeigten Leistungen noch geringer zu bewerten, da er die Synergieeffekte nicht hat nutzen können. Dies liegt bei ihm sicherlich nicht am mangelnden Intellekt, sondern an seiner persönlichen Entwicklung im Studium und der dadurch bedingten Rahmenbedingungen, dass er das Studium nicht hat erfolgreich beenden können. Im Rahmen von allgemein militärischen Ausbildungsvorhaben hat er durchaus gezeigt, dass er gute Anlagen zum militärischen Führer aufweist, diese aber nicht konsequent nutzt. OLt ... bedurfte einer intensiveren Dienstaufsicht, da er sowohl militärisch als auch akademisch sich nicht hat organisieren können. Im Kameradenkreis war er anfänglich fest integriert (z.B. war er als Wohnebenenältester tätig und hierbei sehr engagiert), nach seinem Umzug auf eine andere Wohnebene war er nur sehr eingeschränkt anerkannt bzw. nur teilweise integriert, da sich einige Kameraden nicht mit seinem Verhalten identifizieren konnten. Körperlich war der Soldat wenig belastbar und zeigte auch nicht viel Ehrgeiz, um seinen Minimalverpflichtungen nachzukommen. Ebenfalls vermochte er nicht das geforderte Sprachleistungsprofil in Englisch von 3332 abzulegen. Aufgrund seines gesamten Eignungs- und Leistungsbildes wird von jeglichen Förderungsmaßnahmen abgeraten. Sein baldiges Ausscheiden aus der Bundeswehr kann aus meiner Sicht in keinster Weise als personeller Verlust bezeichnet werden. Als Reservist sollte er nicht in Betracht gezogen werden.“

Hauptmann d.R. B., ehemaliger nächster Disziplinarvorgesetzter des früheren Soldaten, sagte als Leumundszeuge vor dem Truppendienstgericht aus, man habe in der Universität Gespräche über die für die Firma ... Finanzdienstleistungen AG arbeitenden Soldaten geführt. Er, der Leumundszeuge, könne nicht ausschließen, dass in dem Zusammenhang auch über den früheren Soldaten gesprochen worden sei. Das eine oder andere Mal sei der frühere Soldat von Kameraden nach seiner Wegversetzung noch in H. gesehen worden. Mit der Maßnahme, dass der frühere Soldat sich morgens und abends bei ihm, dem Leumundszeugen, in Uniform habe melden müssen, habe er nur sicherstellen wollen, dass er sich auf dem Uni-Gelände aufhalte und seinen Dienstpflichten nachgehe, um sein Studium erfolgreich abzuschließen. Hauptmann H., Kompaniechef der .../Nachschubbataillon ... in S., dessen Vorgänger der Disziplinarvorgesetzte des früheren Soldaten bis 28. Februar 2002 war, erklärte als Leumundzeuge vor dem Truppendienstgericht, der frühere Soldat sei unmittelbar nach seiner Ablösung vom Studium Angehöriger der .../Nachschubbataillon ... geworden. Der frühere Soldat sei ca. 14 Tage im Dienst gewesen und dann „kzH“ geschrieben worden.

Der frühere Soldat erhielt am 27. Juni 1994 das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Bronze und am 12. September 1994 die Schützenschnur in Silber.

Das Zentralregister enthält keine Eintragungen über Strafen. Disziplinar wurde der frühere Soldat wie folgt gemaßregelt:

1. vom Leiter des Studentenfachbereiches ... der Universität der Bundeswehr H.

- am 18. Dezember 2000 mit einer Disziplinarbuße von 800 DM, weil er am 16. November und 30. November 2000 befehlswidrig nicht zur Abnahme des Deutschen Sportabzeichens auf dem Sportplatz erschienen und am 5. Dezember 2000 seiner täglichen Informationspflicht nicht nachgekommen war,

- am 2. März 2001 mit einer Disziplinarbuße von 2.000 DM, weil er am 15. Februar 2001 von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr unentschuldigt der allgemeinen militärischen Ausbildung ferngeblieben war,

2. durch Urteil des Truppendienstgerichts ... - ... VL .../00 - vom 6. März 2001, rechtskräftig seit dem 24. April 2001, mit einem Beförderungsverbot von zwei Jahren verbunden mit einer Gehaltskürzung von 1/20 auf die Dauer von einem Jahr. Hierbei ging es u.a. um die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit für die Firma ... Finanzdienstleistungen AG.

Die Übergangsgebührnisse des früheren Soldaten berechnen sich aus der vierten Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 10 des Bundesbesoldungsgesetzes und betrugen bis zum 31. März 2004 1.701,98 € brutto, 1.482,43 € netto. Er hat darüber hinaus eine Übergangsbeihilfe in Höhe von 12.934,22 € erdient, die noch nicht zur Auszahlung freigegeben wurde.

Über die derzeitigen persönlichen Verhältnisse des früheren Soldaten ist nichts weiter bekannt. In der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht am 26. Juni und 7. Juli 2003 in K. ist er - wie auch in der Berufungshauptverhandlung - nicht erschienen.

II

III