Verfahrensinformation

Die Klägerin begehrt die Rückübertragung eines Grundstücks an eine ungeteilte Erbengemeinschaft. Eine Miterbin hatte 1992 fristgemäß einen Restitutionsantrag für die Erbengemeinschaft gestellt, dem sich die Klägerin 1995 mit einem „Zusatzantrag" anschloss. 1997 nahm die Miterbin ihren Antrag zurück. Das Verwaltungsgericht hat die Klage wegen verspäteter Antragstellung der Klägerin abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu klären haben, wie sich die spätere Rücknahme eines fristgerechten Antrags eines Miterben auf den Antrag eines weiteren Miterben auswirkt, der vor der Rücknahme, aber nach Ablauf der Antragsfrist einen eigenen Antrag gestellt hat.


Beschluss vom 14.03.2008 -
BVerwG 8 B 100.07ECLI:DE:BVerwG:2008:140308B8B100.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.03.2008 - 8 B 100.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:140308B8B100.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 100.07

  • VG Chemnitz - 18.07.2007 - AZ: VG 1 K 1043/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz über die Nichtzulassung der Revision gegen sein auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18. Juli 2007 ergangenes Urteil wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ein Revisionsverfahren bietet dem Senat voraussichtlich Gelegenheit, die von der Beschwerde aufgeworfene Frage zu beantworten, wie sich die spätere Rücknahme eines fristgerechten Antrags eines Miterben auf den Antrag eines weiteren Miterbens auswirkt, der vor der Rücknahme, aber nach Ablauf der Anmeldefrist einen eigenen Antrag gestellt hat.

2 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 8.08 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 29.07.2009 -
BVerwG 8 C 8.08ECLI:DE:BVerwG:2009:290709U8C8.08.0

Leitsatz:

Der im eigenen Namen fristgemäß gestellte Restitutionsantrag eines Mitglieds einer Erbengemeinschaft kommt zwar im Fall einer Restitution den Miterben zugute; er vermittelt den Miterben aber nicht die Position eines Antragstellers. Wird der fristgemäße Antrag zurückgenommen, können die anderen Miterben nur durch einen eigenen fristgemäßen Antrag den materiellen Ausschluss des Restitutionsanspruchs verhindern.

Urteil

BVerwG 8 C 8.08

  • VG Chemnitz - 18.07.2007 - AZ: VG 1 K 1043/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Dr. Hauser und Dr. Held-Daab
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt die Rückübertragung des Grundstücks L. Straße 10 in Chemnitz, eingetragen im Grundbuch von E., Bl. ..., Flurstück ..., an eine Erbengemeinschaft, die aus ihr selbst sowie Heinz, Christoph und Dagmar W. besteht.

2 Ursprünglich befand sich das 1 110 m2 große, mit einem Mehrfamilienwohnhaus bebaute Grundstück im Eigentum der ungeteilten Erbengemeinschaft aus Elsa F., Elise S., Gertrud G. und Charlotte W. 1978 erklärten alle Mitglieder der Erbengemeinschaft den Verzicht auf das Eigentum an dem Grundstück. Der Übergang in Volkseigentum wurde am 29. September 1978 im Grundbuch eingetragen und der VEB Gebäudewirtschaft Karl-Marx-Stadt als Rechtsträger bestellt.

3 Mit Schreiben vom 14. Januar 1992 machte Charlotte W. Rückübertragungsansprüche für dieses Grundstück geltend. Darin ist u.a. ausgeführt, dass die aus ihr und ihren drei Schwestern bestehende Erbengemeinschaft „aufgrund der physischen Verfassung (alle Rentnerinnen) und der wirtschaftlichen Lage sowie der örtlichen Trennung die Bewirtschaftung und Pflege nicht mehr aufrechterhalten“ konnte. Der Versuch, das Grundstück an die Stadt zu verkaufen, sei gescheitert. „Wir waren deshalb gezwungen, aus oben genannten Gründen einer kostenlosen Übereignung zuzustimmen.“ Weiter heißt es: „Auf der Grundlage der Bestimmungen des Einigungsvertrages beabsichtige ich ... Rückübertragungsansprüche zu stellen. Die Mitglieder zu Ziffer 1 und 2 sind zwischenzeitlich verstorben.“

4 Mit Schreiben vom 12. Juni 1995 stellte die Klägerin für ihre Mutter Gertrud G. einen „Zusatzantrag zum Vorgang Nummer 15153, L. Straße 10, Chemnitz E.“. Weiter heißt es: „Hiermit stelle ich Antrag auf Reprivatisierung des o.g. Hauses und Grundstücks auf den Anteil, der mir zusteht.“ In der Folgezeit sprach die Klägerin mehrfach bei der Beklagten vor, um sich nach dem Sachstand zu erkundigen.

5 Im Dezember 1996 begann die Beklagte mit der Bearbeitung des Antrags und forderte mit gleichlautenden Schreiben Charlotte W. und die Klägerin auf, zur Frage der Überschuldung des Grundstücks vorzutragen. Die Klägerin sprach am 14. Januar 1997 bei der Beklagten vor, erhielt ausweislich einer Gesprächsnotiz Unterlagen aus der Altakte sowie die Mitteilung, welche Unterlagen noch benötigt werden. Weiter heißt es in dem Vermerk: „Sie möchte sich mit Charlotte W. in Verbindung setzen, da sie zur EG gehöre - erhält Adresse.“ Mit Schreiben vom 17. Januar 1997 teilte Charlotte W. der Beklagten mit, dass nach ihrer Kenntnis zum Zeitpunkt der Übergabe eine Überschuldung nicht vorgelegen habe. Motiv seien Altersgründe der verstorbenen Miteigentümer Elsa F. und Elise S., die im Anwesen wohnten und das Grundstück selbst nicht mehr unterhalten konnten, gewesen. Weitere Miteigentümer hätten aus persönlichen Gründen verzichtet. Aufgrund der von der Beklagten dargelegten Rechtslage zu den Voraussetzungen für eine Rückübertragung ziehe sie deshalb ihren Restitutionsantrag zurück.

6 Mit Schreiben vom 30. Januar 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Reprivatisierungsantrag zum Anwesen L. Straße 10 in Chemnitz zurückgezogen und deshalb das Reprivatisierungsverfahren eingestellt worden sei. Gegen die Einstellung erhob die Klägerin Widerspruch, auf den das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1997 die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens aufhob. Die Beklagte erhob Klage gegen den Widerspruchsbescheid. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte sie, dass das Verwaltungsverfahren der Frau G. (Rückübertragungsantrag vom 12. Juni 1995) nicht als eingestellt betrachtet und unter einem neuen Aktenzeichen fortgeführt werde. Daraufhin hob der Vertreter des Landesamtes den angefochtenen Widerspruchsbescheid auf. Anschließend erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

7 In der Folgezeit trug die Klägerin zur Überschuldung des Grundstücks vor. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 lehnte die Beklagte den Antrag der Gertrud G. auf Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks ab. Zur Begründung hieß es, der Rückübertragungsantrag sei im Juni 1995 und damit nach Ablauf der Antragsfrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG gestellt worden. Er sei damit als verfristet zurückzuweisen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2003 zurück.

8 Mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2007 ergangenem Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin, die Alleinerbin der am 14. Dezember 2002 verstorbenen Gertrud G. ist, abgewiesen. Zur Begründung heißt es insbesondere, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks an die Erbengemeinschaft, weil sie den vermögensrechtlichen Antrag nicht rechtzeitig im Sinne des § 30a Abs. 1 VermG gestellt habe. Der mit Schreiben vom 12. Juni 1995 von der Mutter und Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellte Antrag habe die am 31. Dezember 1992 abgelaufene Anmeldefrist nicht gewahrt. Ein „Beitreten“ zum Verfahren von Charlotte W., die rechtzeitig vermögensrechtliche Ansprüche für die Erbengemeinschaft angemeldet hatte, sei nicht möglich. Der Antrag führe nicht dazu, dass auch für die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft die Stellung vermögensrechtlicher Anträge als erfolgt gegolten habe. Im Fall einer geschädigten Erbengemeinschaft könne der einzelne Miterbe den Anspruch nach § 2039 BGB im eigenen Namen geltend machen und die Leistung an alle Miterben verlangen. Der anmeldende Erbe trete aber nicht als Vertreter der Erbengemeinschaft auf, vielmehr mache er die Rechte der Erbengemeinschaft im eigenen Namen geltend. Ein verwaltungsrechtliches Verhältnis bestehe allein zwischen dem antragstellenden Miterben, der Behörde und einem zwingend zu beteiligenden Verfügungsberechtigten, nicht aber mit den übrigen Erben, die keinen Antrag gestellt haben. Deshalb unterliege das jeweils eigenständige Antragsrecht des einzelnen Miterben gesondert den Antragsfristen des § 30a Abs. 1 VermG. Charlotte W. habe den zugunsten der Erbengemeinschaft wirkenden Antrag ausschließlich im eigenen Namen gestellt. Aus dem Antrag vom 14. Januar 1992 spreche nichts für die Annahme, Frau W. habe den Antrag auch für Frau G. stellen wollen. Auch Frau G. habe bei ihrer Antragstellung im Juni 1995 nicht derart auf den Antrag der Frau W. Bezug genommen, dass sie erklärt hätte, dieser Antrag sei auch in ihrem Namen gestellt worden. Vielmehr verweise die Formulierung „Zusatzantrag“ auf die erstmalige Stellung. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Anmeldefrist sei ausgeschlossen, weil es sich bei der Frist des § 30a Abs. 1 VermG um eine materielle Ausschlussfrist handele. Die Voraussetzungen einer sog. Nachsichtgewährung lägen nicht vor.

9 Die Klägerin begründet ihre vom Senat zugelassene Revision mit der Verletzung materiellen Rechts.

10 Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. Juli 2007 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 26. Juni 2003 zu verpflichten, die Rückübertragung des Grundstücks L. Straße 10 in Chemnitz, vorgetragen im Grundbuch von E., Blatt ..., Flurstück ..., an die Erbengemeinschaft, bestehend aus Frau Christine L., U. straße 53 in ... C., Herrn Heinz W., S. Allee 25 in ... L., Herrn Christoph W., G. straße 27 in ... P., Frau Dagmar W., A. 1 in ... Be., vorzunehmen.

11 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12 Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

13 Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

II

14 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt kein Bundesrecht.

15 Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks nicht zu, weil sie diesen Anspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG geltend gemacht hat.

16 Ohne Verstoß gegen die allgemeinen Auslegungsregeln von Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB hat das Verwaltungsgericht das Schreiben der Charlotte W. vom 14. Januar 1992 dahingehend ausgelegt, dass Charlotte W. den zugunsten der Erbengemeinschaft wirkenden Restitutionsantrag nur im eigenen Namen, nicht aber auch im Namen der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft gestellt hat. Zwar legt Frau W. zunächst die Historie der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück dar und verweist insoweit auf die Erbengemeinschaft. Für die konkrete Antragstellung verwendet sie aber die Ich-Form und verweist ausschließlich auf Nr. 4 der beigefügten Verzichtserklärung, wo ihr Name genannt ist. Ein Verweis (auch) auf die Nr. 3 der Erklärung, unter der die Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgeführt ist, ist nicht erfolgt. Die Nr. 1 und 2 wurden lediglich zur Klarstellung mit aufgenommen mit dem Hinweis, dass die dort genannten Mitglieder der Erbengemeinschaft schon verstorben sind. Ein konkreter Hinweis darauf, dass sie den Antrag auch für die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft stellen oder im Namen der anderen Miterben handeln wollte, findet sich in dem Schreiben nicht.

17 Zur Wirksamkeit einer Anmeldung hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Restitutionsantrag die Person des Berechtigten hinreichend konkret bezeichnen und durch eine hinter dem Rückgabeantrag stehende Willenserklärung des Berechtigten gedeckt sein muss (vgl. Beschluss vom 30. November 2000 - BVerwG 8 B 206.00 - Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 22). In dem Anmeldeschreiben der Charlotte W. ist nur sie konkret bezeichnet und auch nur ihre Willenserklärung, einen Restitutionsantrag zu stellen, erkennbar. Ein Antragswille der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft ist zum Zeitpunkt der Antragstellung durch Charlotte W. im Januar 1992 und bis zum Ablauf der Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG am 31. Dezember 1992 nicht ersichtlich. Dafür spricht auch, dass die Klägerin in dem 1995 für ihre Mutter Gertrud G. gestellten Zusatzantrag nur die Reprivatisierung „auf den Anteil, der (ihr) zusteh(e)“, begehrt. Dass eine einheitliche Willensbildung der Erbengemeinschaft, einen Restitutionsantrag zu stellen, im Januar 1992 nicht vorgelegen haben kann, ergibt sich auch aus dem Aktenvermerk vom 14. Januar 1997, demzufolge die Klägerin mit Frau W. wegen der Sache Kontakt aufnehmen wollte und dazu die Adresse der Frau W. bei der Beklagten erfragt hat.

18 Ihren im eigenen Namen gestellten Antrag konnte Charlotte W. ohne Rücksprache mit den anderen Mitgliedern der Erbengemeinschaft oder deren Zustimmung zurücknehmen.

19 Das Verwaltungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die damals noch lebende Rechtsvorgängerin der Klägerin Gertrud G., die Schwester von Charlotte W., in deren Antragsverfahren nicht einbezogen war. Eine solche Einbeziehung ergibt sich nicht daraus, dass Frau G. und Frau W. Mitglieder der geschädigten Erbengemeinschaft waren. § 2039 BGB berechtigt jeden Miterben, Ansprüche in eigenem Namen für die Erbengemeinschaft geltend zu machen. Es handelt sich um eine gesetzliche Prozessstandschaft (vgl. BGH, NJW 1966, 773; 2006, 1969), nicht etwa um eine Vertretung der übrigen Miterben und ist auch ohne deren Mitwirkung, sogar gegen deren Widerspruch möglich (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl. 2009, § 2039 Rn. 6). Insoweit ist zwischen dem formellen Recht des einzelnen Miterben, den Anspruch geltend zu machen, und dem materiellen Recht der Erbengemeinschaft, der der Anspruch zusteht, zu differenzieren. Den nicht-antragstellenden Miterben kommt der Nutzen des fristgemäßen Antrags zu, den ein Miterbe kraft seines eigenen Rechts stellen kann.

20 Die Vorschrift des § 2039 BGB gilt auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch für den Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz. Da § 2039 BGB dem Miterben ein von dem gleichen Recht der übrigen Miterben unabhängiges Sonderrecht gewährt, wirkt das im Rechtsstreit eines Miterben ergangene Urteil weder für noch gegen die übrigen Miterben (vgl. RGZ 93, 127 <129>; BFHE 156, 8 <10>). Deshalb sind solche Miterben auch keine notwendigen Streitgenossen gemäß § 64 VwGO, § 62 Abs. 1 ZPO (vgl. Beschluss vom 9. Oktober 1995 - BVerwG 7 AV 8.95 - Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 1 m.w.N.). In einem Rechtsstreit sind die Miterben auch nicht notwendig beizuladen (Beschluss vom 20.  Oktober 1997 - BVerwG 7 B 248.97 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 33). Zwar kommt eine fristwahrende Anmeldung durch einen Miterben den anderen Miterben zugute, selbst wenn dieser zunächst von seiner Alleinberechtigung ausgegangen sein sollte (Beschluss vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 8 B81.04 - juris Rn. 2). Dies bezieht sich aber nur auf die materiellrechtliche Seite insoweit, als auch ein Miterbe, der keinen oder einen verspäteten Antrag gestellt hat, durch die Restitution an die Erbengemeinschaft aufgrund des fristgemäßen Antrags eines anderen Miterben begünstigt wird. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass der Miterbe, der keinen fristgemäßen Antrag gestellt hat, die Position eines Antragstellers erhält. Eine verfahrensrechtliche Stellung im Verfahren vor dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen erlangt nur der antragstellende Miterbe selbst.

21 Eine Einbeziehung der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgängerin in das Antragsverfahren der Charlotte W. ergibt sich auch nicht aus § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB. Es gehört nicht zur Verwaltung des Nachlasses, einen Restitutionsantrag zu stellen, denn das zurückbegehrte Grundstück ist noch nicht Teil des Nachlasses. Als Geltendmachung eines zum Nachlass gehörenden Anspruchs fällt es unter die Sonderregelung des § 2039 BGB.

22 Die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin sind auch nicht deshalb in das Antragsverfahren der Charlotte W. als Verfahrensbeteiligte einbezogen, weil die Behörde sie tatsächlich so behandelt hätte. Zwar hat die Klägerin mehrfach bei der Beklagten vorgesprochen, Unterlagen aus den Bauakten erhalten und ist ihrerseits von der Beklagten aufgefordert worden, Unterlagen zur Überschuldung des Grundstücks vorzulegen. Eine fehlende oder verspätete Antragstellung kann aber selbst durch eine Prüfung der Behörde in der Sache nicht ersetzt werden. Denn auch wenn die Behörde in der Sache entschieden hätte, würde das eine Versäumung der Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG nicht heilen (vgl. Beschluss vom 26. August 1999 - BVerwG 7 B 122.99 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 15).

23 Entgegen der Auffassung der Revision war die Beklagte auch nicht aus § 24 Abs. 2 VwVfG verpflichtet, Charlotte W. zum Widerruf oder zur Anfechtung der Rücknahmeerklärung zu drängen. Unabhängig davon, ob Widerruf oder Anfechtung der Rücknahmeerklärung überhaupt möglich gewesen wären, begründet § 24 Abs. 2 VwVfG keine Hinweispflicht der Behörde, eine mit klarer Begründung (Rückübertragungsansprüche liegen nicht vor) und auch im Übrigen nicht erkennbar unter geistiger Beeinträchtigung abgefasste Erklärung in Frage zu stellen und die Erklärende zu einer Änderung ihrer Auffassung zu bewegen.

24 Deshalb kann über die von der Klägerin begehrte Restitution nur aufgrund des von ihr für ihre Rechtsvorgängerin gestellten Antrags entschieden werden. Dieser erfolgte erst mit Schreiben vom 12. Juni 1995 und damit nach Ablauf der Anmeldefrist des § 30a Abs.1 Satz 1 VermG.

25 Da es sich hierbei um eine materielle Ausschlussfrist handelt, kann die Anmeldung eines vermögensrechtlichen Anspruchs nach Ablauf der Frist nicht mehr wirksam vorgenommen werden. Der Betreffende ist mit seinem Anspruch ausgeschlossen (Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <42 f.>). Ein eventueller Anspruch des Anmeldenden ist mit Ablauf des 31. Dezember 1992 erloschen. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte materiellrechtliche Ausschlussfrist ist nicht möglich (a.a.O. S. 44).

26 Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer sog. Nachsichtgewährung verneint. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen (vgl. dazu Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - a.a.O. S. 45 m.w.N.). Im Bereich des Vermögensrechts ist eine solche Ausnahme dann anzunehmen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des § 30a VermG nicht verfehlt würde. Hier ist schon weder ersichtlich noch vorgetragen, dass das Versäumen der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen ist.

27 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.