Beschluss vom 30.06.2017 -
BVerwG 10 BN 3.16ECLI:DE:BVerwG:2017:300617B10BN3.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.06.2017 - 10 BN 3.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:300617B10BN3.16.0]

Beschluss

BVerwG 10 BN 3.16

  • OVG Greifswald - 27.04.2016 - AZ: OVG 2 K 21/11

In der Normenkontrollsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2017 durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. April 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Einamtung der Gemeinde B., deren gewählter hauptamtlicher Bürgermeister er seit dem 1. August 2007 mit einer regulären Amtsperiode bis zum 31. Juli 2014 war. Durch Verordnung vom 4. März 2011 hob der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf Initiative der Gemeindevertretung die Amtsfreiheit der Gemeinde zum 1. Juli 2011 auf und ordnete diese dem Amt K. zu.

2 Den gegen die Verordnung gerichteten Normenkontrollantrag des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 27. April 2016 wegen fehlender Antragsbefugnis als unzulässig abgelehnt. Unabhängig davon, ob er sein statusrechtliches Amt durch die Einamtung verloren habe, komme dem Antragsteller nach dem Rechtsgedanken des § 27 Abs. 2 Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern (LBG M-V) i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) bei einer Umbildung einer Körperschaft oder Übertragung ihrer Aufgaben auf eine andere Körperschaft kein Anspruch auf dessen Beibehaltung zu. Die statusrechtlichen Konsequenzen der Einamtung für den hauptamtlichen Bürgermeister ergäben sich abschließend aus dem Landesbeamtenrecht. Auf Art. 12 Abs. 1 GG könne sich der Antragsteller nicht berufen. Der Antrag wäre bei unterstellter Zulässigkeit auch unbegründet, da die Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung nach der Kommunalverfassung erfüllt gewesen seien. Die administrative Leistungsfähigkeit der Gemeinde sei wegen der Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und der Gemeindevertretung beeinträchtigt gewesen. Die angegriffene Verordnung sei nicht deswegen unverhältnismäßig, weil sie keine Überleitungsvorschrift für den Antragsteller enthalte, da sich die beamtenrechtlichen Folgerungen der Aufgabenübertragung auf das Amt unmittelbar aus gesetzlichen Vorschriften ergäben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II

3 Die hiergegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

4 1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird von dem Antragsteller nicht schlüssig dargelegt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierzu hätte der Antragsteller eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts bezeichnen und näher darlegen müssen, inwiefern diese der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und inwiefern hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den vorliegenden Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Das leistet der Antragsteller nicht.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unzulässig angesehen, weil dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehle. Hierzu hätte er geltend machen müssen, durch die angegriffene Verordnung möglicherweise in einem eigenen subjektiven Recht verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Daran fehle es. Der Antragsteller mache nämlich nur geltend, dass er durch die Eingliederung der bislang amtsfreien Gemeinde B. in das Amt K. sein Amt als hauptamtlicher Bürgermeister verliere. Auf den Fortbestand dieses Wahlamtes aber habe er kein eigenes subjektives Recht. Ein solches ergebe sich weder aus dem Beamten- oder dem Beamtenversorgungsrecht noch aus dem Kommunal- oder dem Kommunalwahlrecht. Die Berufung des Antragstellers auf Art. 12 Abs. 1 GG gehe schon deshalb fehl, weil das Berufsrecht der Beamten grundrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geprägt werde, wodurch Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt werde.

6 An dieser Begründung des angegriffenen Urteils gehen die Rechtsfragen, die der Antragsteller zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufwirft, vorbei.

7 Die Frage, ob sich ein kommunaler Wahlbeamter für seine beamtenrechtliche Rechtsstellung auf Art. 12 Abs. 1 GG oder "nur" auf Art. 33 Abs. 5 GG berufen kann, würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Berufsrecht der Beamten werde nicht durch Art. 12 Abs. 1 GG, sondern durch Art. 33 Abs. 5 GG geprägt, war für seine Entscheidung, den Normenkontrollantrag als unzulässig anzusehen, unerheblich. Die zutreffende verfassungsrechtliche Prägung des Berufsrechts der Beamten betrifft lediglich die dienstrechtlichen Folgefragen, lässt aber die hier streitgegenständliche Organisationsentscheidung des Verordnungsgebers als solche unberührt. Für das Oberverwaltungsgericht ergibt sich weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch aus Art. 33 Abs. 5 GG ein Anhaltspunkt dafür, dass der hauptamtliche Bürgermeister einer bislang amtsfreien Gemeinde sich unter Berufung auf diese beamtenrechtliche Rechtsstellung gegen eine Organisationsentscheidung des Verordnungsgebers sollte wenden können, durch welche die Amtsfreiheit der Gemeinde aufgehoben und die Gemeinde einem Amt eingegliedert wird. Auch der Antragsteller macht hierzu nichts geltend.

8 Im Übrigen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass Art. 33 Abs. 5 GG auch gesetzliche Regelungen der Rechtsverhältnisse kommunaler Wahlbeamter erfasst (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Oktober 1957 - 1 BvL 1/57 - BVerfGE 7, 155 <163 f.> und vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <352>; BVerwG, Urteile vom 14. Juli 1978 - 7 C 45.76 - BVerwGE 56, 163 <163 f.> und vom 15. März 1989 - 7 C 7.88 - BVerwGE 81, 318 <320 ff.>, stRspr). Ebenso ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Art. 33 Abs. 5 GG nicht vollständig verdrängt wird. Vielmehr können Sonderregelungen für Berufe des öffentlichen Dienstes, die in Anlehnung an Art. 33 Abs. 5 GG geschaffen werden, die Wirkung des Grundrechts der Berufsfreiheit umso stärker zurückdrängen, je mehr in einem Beruf staatliche Aufgaben wahrgenommen werden (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 1 BvR 3017/09 - BVerfGE 131, 130 <141> m.w.N.). Der Antragsteller legt nicht dar, inwiefern diese ständige Rechtsprechung der erneuten Überprüfung bedürfte.

9 Ebenfalls unerheblich ist die andere vom Antragsteller aufgeworfene Frage, welche Bedeutung dem Begriff des Amtes im abstrakten und im konkreten funktionellen Sinne bei der Beurteilung zukommt, ob ein dem bisherigen kommunalen Wahlbeamten nach dem Wegfall dieses Amtes von einem übernehmenden Dienstherrn zugewiesenes anderes Amt mit seinem früheren Amt gleichwertig ist. Auch diese Frage betrifft lediglich die beamtenrechtlichen Folgerungen aus der Organisationsentscheidung, lässt aber die Organisationsentscheidung als solche unberührt.

10 Grundsätzliche Bedeutung erhält die Rechtssache schließlich auch nicht mit Blick auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Juni 2007 - LVG 9/06 - (BeckRS 2007, 24767). Diese betrifft einen anderen Sachverhalt; inwiefern sich hieraus offene Fragen für die vom Oberverwaltungsgericht verneinte Betroffenheit des Antragstellers in subjektiven Rechten ergeben könnten, legt der Antragsteller nicht dar. Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts betraf die Vereinbarkeit einer landesgesetzlichen Übergangsregelung, die bei einer Neugliederung kommunaler Körperschaften den Amtsverlust eines kommunalen Wahlbeamten ohne besondere beamtenrechtliche Umsetzungsentscheidung vorsah, mit höherrangigem Recht. Gegenstand des angegriffenen oberverwaltungsgerichtlichen Urteils ist eine Verordnung zur Umbildung kommunaler Körperschaften, die auf eine beamtenrechtliche Überleitung im Hinblick auf hierzu bestehende gesetzliche Regelungen verzichtet. Wegen seines abweichenden Gegenstandes wendet es daher auch keinen anderen rechtlichen Maßstab an als die in der Beschwerdebegründung genannte landesverfassungsgerichtliche Entscheidung.

11 2. Der Antragsteller legt auch den anderen Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), auf den er sich zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft, nicht hinlänglich dar. Hierzu wäre erforderlich gewesen, einen rechtlichen Obersatz, auf den das Oberverwaltungsgericht das angegriffene Urteil gestützt hat, einem ebensolchen Obersatz aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes gegenüberzustellen und näher darzulegen, inwiefern beide voneinander abweichen. Auch dies leistet der Antragsteller nicht.

12 Der Antragsteller macht geltend, das angegriffene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2007 - 2 C 30.07 - (Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 91) ab, weil es einen Anspruch eines Beamten auf Beibehaltung seines statusrechtlichen Amtes bei gesetzgeberischer Umbildung oder Übertragung der Aufgaben einer Körperschaft verneine. Demgegenüber müsse das Statusamt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zufolge auch bei Umbildung einer Körperschaft unbeeinträchtigt bleiben.

13 Die behauptete Abweichung liegt nicht vor. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betraf die Zuweisung einer Tätigkeit bei Umwandlung eines Kommunalunternehmens, für die in Art. 90 Abs. 5 der Bayerischen Gemeindeordnung und Art. 37 Bayerisches Beamtengesetz i.V.m. § 123a Abs. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) - abweichend von der allgemeinen beamtenrechtlichen Regelung über die Folgerungen der Umbildung von Behörden - gesetzlich geregelt war, dass das Amt im statusrechtlichen Sinne nicht beeinträchtigt werden durfte (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 2 C 30.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 91 Rn. 12). Für diesen Regelungszusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, der Beamte habe im Hinblick auf die statussichernden einfachgesetzlichen Bestimmungen einen durch Art. 33 Abs. 5 GG gesicherten Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 2 C 30.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 91 Rn. 15). Die § 18 Abs. 1 BeamtStG, den das Oberverwaltungsgericht in Bezug genommen hat, inhaltlich entsprechende Vorschrift des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen § 18 Abs. 2 Satz 2 BRRG war nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der dort behandelten Fallkonstellation gerade nicht anwendbar (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 2 C 30.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 91 Rn. 9 f.).

14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.