Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten über das Begehren der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Bezug auf Eritrea vorliege.


Die im Januar 1995 geborene Klägerin ist die Mutter des im Dezember 2015 geborenen Klägers. Die Kläger sind eritreische Staatsangehörige. Mit Bescheid vom 23. August 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihnen den subsidiären Schutzstatus zu; im Übrigen lehnte es den Asylantrag ab. Von Feststellungen zu Abschiebungsverboten sah es gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG ab. Mit ihrer Klage begehren die Kläger im Kern die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise nationaler Abschiebungsverbote in Bezug auf Eritrea.


Mit dem angefochtenen Urteil vom 1. September 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Den Klägern drohe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Zwar habe der Klägerin als Familienangehöriger eines Deserteurs im Zeitpunkt ihrer Ausreise jederzeit die außergerichtliche und willkürliche Inhaftierung durch den eritreischen Staat gedroht. Die Inhaftierung knüpfe jedoch nicht an einen Verfolgungsgrund an. Auch unter Berücksichtigung ihrer Entziehung vom Nationalen Dienst, ihrer illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland knüpfe die der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr drohende Bestrafung nicht an eine von den eritreischen Behörden zugeschriebene politische Gegnerschaft oder ein anderes für den Flüchtlingsschutz relevantes Merkmal an. Ebenso wenig sei das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots bezüglich Eritreas festzustellen. Das Bundesamt habe in ermessensfehlerfreier Weise von der Möglichkeit des § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG Gebrauch gemacht.


Auf die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Kläger hin wird sich das Bundesverwaltungsgericht mit den Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie der Frage zu befassen haben, ob neben der Zuerkennung subsidiären Schutzes die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines auf dieselben Anknüpfungstatsachen gestützten nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begehrt zu werden vermag.


Pressemitteilung Nr. 24/2018 vom 19.04.2018

Subsidiär schutzberechtigte Ausländer können nicht zusätzlich auf ein nationales Abschiebungsverbot klagen

Einem Ausländer, dem bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, fehlt auch nach der Aussetzung des Familiennachzuges für diesen Personenkreis das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf die zusätzliche Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gerichtete Klage. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute auf eine von den Klägern im Dezember 2017 erhobene Sprungrevision entschieden.


Die Kläger, eine Mutter und ihr Sohn, sind eritreische Staatsangehörige. Der Ehemann der Klägerin war vom Nationaldienst in Eritrea desertiert. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte den Klägern subsidiären Schutz zu. Im Übrigen lehnte es ihre Asylanträge ab. Von Feststellungen zu Abschiebungsverboten sah es ab. Das Verwaltungsgericht hat die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gerichtete Klage abgewiesen. Zwar habe der Klägerin im Zeitpunkt des Verlassens ihres Heimatlandes jederzeit die außergerichtliche und willkürliche Inhaftierung durch den eritreischen Staat gedroht, die ihr auch im Falle einer Rückkehr nach Eritrea drohe. Eine solche Inhaftierung knüpfe indes nicht an einen Verfolgungsgrund an, insbesondere nicht an eine ihr zugeschriebene politische Überzeugung oder an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots bezüglich Eritreas festzustellen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sprungrevision zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die von ihm zur Verfolgungslage und -motivation festgestellten Tatsachen für das Bundesverwaltungsgericht bindend ohne Verstoß gegen Bundesrecht dahin bewertet, dass die drohenden Maßnahmen nicht an einen Verfolgungsgrund anknüpfen. Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist unter anderem die Würdigung der Vorinstanz, es sei unter Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der eritreische Staat sämtlichen Deserteuren und Verweigerern des Nationaldienstes sowie deren Familienangehörigen ohne weitere Anhaltspunkte eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibe und sie deswegen zu bestrafen suche. Die ihr als Ehefrau eines Deserteurs drohende Inhaftierung erfolgt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, etwa der Familie eines Deserteurs.


Soweit die Klägerin hilfsweise die Verpflichtung der beklagten Bundesrepublik begehrt, in Bezug auf ihre Person ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention festzustellen, fehlt der Klage das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Eine entsprechende Feststellung könnte ihre Rechtsstellung im Hinblick auf die bestandskräftige Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht verbessern, weil sie ihr keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil verschaffte. Die zusätzliche Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes eröffnete insbesondere ihrem Ehemann nicht die Möglichkeit eines Familiennachzuges. § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG, der derzeit den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erteilt worden ist, grundsätzlich ausschließt, sperrt im Ergebnis auch den Familiennachzug zu Inhabern einer im Einzelfall etwa zusätzlich zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.


BVerwG 1 C 29.17 - Urteil vom 19. April 2018

Vorinstanz:

VG Berlin, 28 K 166.17 A - Urteil vom 01. September 2017 -


Urteil vom 19.04.2018 -
BVerwG 1 C 29.17ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U1C29.17.0

keine zusätzliche Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes zugunsten eines subsidiär Schutzberechtigten

Leitsatz:

§ 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG hindert in aller Regel die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für das mit dem Ziel der Ermöglichung eines Familiennachzuges verfolgte Begehren eines subsidiär schutzberechtigten Ausländers, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, zusätzlich die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen.

  • Rechtsquellen
    AsylG § 3 Abs. 1 und 4, § 3a Abs. 1 und 3, § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b, Nr. 5, Abs. 2, § 26 Abs. 2 und 5 Satz 1
    AufenthG § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 Satz 1, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e, § 60 Abs. 1, 5 und 8 Satz 1 und 3, § 104 Abs. 13 Satz 1, 2 und 3
    EMRK Art. 3
    VwGO § 134 Abs. 4, § 137 Abs. 2, § 173 Satz 1
    ZPO § 557 Abs. 3 Satz 2
    AEUV Art. 267
    Richtlinie 2011/95/EU Art. 4 Abs. 3 und 4, Art. 9 Abs. 1 und 3, Art. 10 Abs. 1 Buchst. d und e, Abs. 2

  • VG Berlin - 01.09.2017 - AZ: VG 28 K 166.17 A

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U1C29.17.0]

Urteil

BVerwG 1 C 29.17

  • VG Berlin - 01.09.2017 - AZ: VG 28 K 166.17 A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Dr. Fleuß sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. September 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I

1 Die Kläger sind eritreische Staatsangehörige, Volkszugehörige der Tigrinya und christlich-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Die Klägerin ist die Mutter des im Dezember 2015 im Bundesgebiet geborenen Klägers. Sie begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Klägerin zudem hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz.

2 Im Januar 2015 schloss die Klägerin die Ehe mit einem Landsmann, der ihren Angaben zufolge im April 2015 aus dem eritreischen Nationalen Dienst desertiert und in den Sudan geflüchtet war. Sie reiste im September 2015 auf dem Landwege in das Bundesgebiet ein. Ende Februar 2016 beantragte sie für sich und den Kläger die Anerkennung als Asylberechtigte. Mit Bescheid vom 23. August 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Klägern den subsidiären Schutzstatus zu. Im Übrigen lehnte es den Asylantrag ab. Von Feststellungen zu nationalen Abschiebungsverboten sah es ab.

3 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin sei kein Flüchtling. Ihr drohe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen eines Verfolgungsgrundes. Im Falle ihrer Rückkehr habe sie zwar eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu besorgen, da ihr aufgrund ihrer illegalen Ausreise und der damit einhergehenden Entziehung vom Nationalen Dienst wie auch als Familienangehörige eines Deserteurs mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Haftstrafe und später die Einberufung in den Nationalen Dienst drohe. Eine Bestrafung erfolge indes nicht wegen eines Verfolgungsgrundes. Dies gelte sowohl in Bezug auf eine Bestrafung wegen Desertion beziehungsweise Dienstverweigerung als auch in Kombination der Dienstentziehung mit der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland. Die Verfolgungshandlungen knüpften nicht an eine von den eritreischen Behörden zugeschriebene politische Gegnerschaft oder an ein anderes flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal an. Auch der im Dezember 2015 in Berlin geborene Kläger sei kein Flüchtling. Soweit die Kläger hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten begehren, das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots bezüglich Eritreas festzustellen, sei die Klage jedenfalls unbegründet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe in ermessensfehlerfreier Weise von der Möglichkeit des § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG Gebrauch gemacht. Die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hätte auch nicht zur Folge, dass die Kläger von der vorübergehenden Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberechtigte auszunehmen wären.

4 Mit ihrer Sprungrevision rügen die Kläger eine Verletzung von Bundesrecht. In Bezug auf die von ihnen erstrebte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verstoße die Würdigung der Vorinstanz, der eritreische Staat unterstelle nicht allen Personen, welche illegal ausreisten, sich dem Nationalen Dienst entzögen und/oder deren Familienangehörige aus dem Nationalen Dienst desertierten, eine gegnerische politische Einstellung, gegen § 3 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 AsylG. Das angefochtene Urteil verstoße zudem gegen § 3 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 AsylG, da das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass mit der Anknüpfung an die Familienzugehörigkeit ein weiterer Verfolgungsgrund, nämlich derjenige der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" vorliege. Auch in Bezug auf den Kläger beruhe das Urteil auf einem Verstoß gegen die §§ 3 ff. AsylG. Die Ablehnung eines Anspruchs der Klägerin auf Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Eritrea verletze sowohl § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als auch § 31 Abs. 3 i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO und § 40 VwVfG. Die Klägerin verfüge diesbezüglich über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Eine entsprechende Feststellung hätte zur Folge, dass ihr Ehemann nicht von dem Familiennachzug ausgeschlossen wäre.

5 Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts.

II

6 Die Sprungrevision der Kläger hat keinen Erfolg. Die Abweisung der auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), hilfsweise auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich der Klägerin (2.) gerichteten Klage beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

7 Maßgeblich sind das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 29. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780), - AsylG - sowie das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. März 2018 (BGBl. I S. 342). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Aufenthaltsgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12).

8 1. Die Maßstäbe, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugrunde gelegt hat (a), und die Anwendung dieser Maßstäbe im vorliegenden Einzelfall (b) sind revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

9 Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Die Sprungrevision kann nach § 134 Abs. 4 VwGO nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden, weshalb tatrichterliche Würdigungen in diesem Verfahren nur auf die Einhaltung der dem materiellen Recht zuzuordnenden allgemeinen Beweiswürdigungsgrundsätze und - gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO - auf solche Verfahrensmängel zu überprüfen sind, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten sind und die ein Revisionsurteil in der Sache ausschließen.

10 a) Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

11 Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953), - EMRK - keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung, ABl. L 337 S. 9) - RL 2011/95/EU - umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 Rn. 22).

12 § 3b Abs. 1 AsylG konkretisiert die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe. Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob dieser tatsächlich die flüchtlingsschutzrelevanten Merkmale aufweist, sofern ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

13 Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen. Ob die Verfolgung "wegen" eines Verfolgungsgrundes erfolgt, mithin entweder die Verfolgungshandlung oder das Fehlen von Schutz vor Verfolgung oder beide auf einen der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe zurückgehen, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen, nicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86, 2 BvR 962/86 - BVerfGE 76, 143 <157, 166 f.>). Diese Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch die Verfolgungshandlung bewirkten Rechtsgutverletzung, sondern auch in Bezug auf die Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG, an die die Handlung anknüpft, anzunehmen sein (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 Rn. 22 und Beschluss vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 - juris Rn. 17). Für die "Verknüpfung" reicht ein Zusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus. Gerade mit Blick auf nicht selten komplexe und multikausale Sachverhalte ist nicht zu verlangen, dass ein bestimmter Verfolgungsgrund die zentrale Motivation oder die alleinige Ursache einer Verfolgungsmaßnahme ist. Indes genügt eine lediglich entfernte, hypothetische Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund den Anforderungen des § 3a Abs. 3 AsylG nicht (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2018, § 3a AsylG Rn. 37 ff.).

14 Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") drohen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 19 und Beschluss vom 15. August 2017 - 1 B 120.17 - juris Rn. 8). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab bedingt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer "qualifizierenden" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Antragstellers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 m.w.N.). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 19 Rn. 37).

15 Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gemäß Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. Dörig, Asylum Qualification Directive 2011/95/EU, Art. 4 Rn. 30, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016). Liegen beim Ausländer frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht vor erneuter Verfolgung im Falle der Rückkehr in sein Heimatland vor, so kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU zugute. Die den früheren Handlungen oder Bedrohungen zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-175/08 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2010:​105], Abdullah u.a./Bundesrepublik Deutschland - NVwZ 2010, 505 Rn. 94). Fehlt es an einer entsprechenden Verknüpfung, so greift die Beweiserleichterung nicht ein. Die widerlegliche Vermutung entlastet den Vorverfolgten von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Sie ist widerlegt, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Diese Beurteilung unterliegt der freien Beweiswürdigung des Tatrichters (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 23).

16 Von diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung erkennbar ausgegangen.

17 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass danach weder der Klägerin (aa) noch dem Kläger (bb) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.

18 aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin im Fall ihrer Rückkehr nach Eritrea mit einer Verfolgungshandlung in Gestalt einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu rechnen habe, dass aber weder die drohende Inhaftierung (1) noch eine etwaige Einziehung zum Nationalen Dienst (2) wegen eines Verfolgungsgrundes im Sinne von § 3b AsylG erfolgten (UA S. 18 bis 21).

19 (1) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Klägerin im Fall ihrer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen ihrer illegalen Ausreise im dienstpflichtigen Alter und wegen der Desertion ihres Ehemannes die Vollstreckung einer gegen sie von den Behörden außergerichtlich verhängten Haftstrafe unter unmenschlichen Haftbedingungen droht. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Gerichts, dass in der drohenden Strafvollstreckung unter unmenschlichen Haftbedingungen eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG zu sehen ist.

20 Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die der Klägerin drohende Haft werde nicht wegen eines Verfolgungsgrundes im Sinne von § 3b AsylG verhängt, sondern um die Verletzung der nationalen Dienstpflicht durch die Klägerin zu sanktionieren (UA S. 20 und 11 bis 16) und - soweit es ihren dienstflüchtigen Ehemann betrifft - diesen durch die drohende Inhaftierung seiner Ehefrau zur Rückkehr nach Eritrea zu veranlassen (UA S. 17).

21 (a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, der Klägerin drohe die Gefahr der Inhaftierung nicht wegen einer ihr zugeschriebenen oppositionellen politischen Überzeugung im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Ein Ausländer wird wegen einer politischen Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil der Ausländer eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Dabei genügt es, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG).

22 Die politische Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 - 9 C 184.86 - BVerwGE 77, 258 <265 f.> m.w.N.). Hiervon kann insbesondere auszugehen sein, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als sie sonst zur Verfolgung ähnlicher - nichtpolitischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat üblich ist (sogenannter "Politmalus") (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 - BVerfGE 80, 315 <338> und Kammerbeschluss vom 4. Dezember 2012 - 2 BvR 2954/09 - NVwZ 2013, 500). Demgegenüber liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Sanktionierung einer politischen Überzeugung vor, wenn die staatliche Maßnahme allein der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht unter anderem für Sanktionen entschieden, die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfen, selbst wenn diese von totalitären Staaten verhängt werden (BVerwG, Urteile vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54 S. 191 f., vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 - BVerwGE 81, 41 <44> - betreffend die Wehrdienstentziehung durch einen eritreischen Volkszugehörigen - und vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 S. 63). Solche Maßnahmen begründen nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Furcht vor Verfolgung, wenn sie den Betroffenen über die Ahndung des allgemeinen Pflichtverstoßes hinaus wegen seiner politischen Überzeugung - oder auch eines sonstigen asylerheblichen Merkmals - treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1995 - 9 C 3.95 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 180 S. 63 f. und vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 24 sowie Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 - NVwZ 2017, 1204 Rn. 14). Indizien hierfür können ein unverhältnismäßiges Ausmaß der Sanktionen oder deren diskriminierender Charakter sein.

23 Das Verwaltungsgericht nimmt im Ansatz zutreffend im Rahmen der Bildung seiner Überzeugung hinsichtlich der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aufgrund einer zugeschriebenen politischen Überzeugung zunächst eine qualifizierende Gesamtbetrachtung und Würdigung sämtlicher eingeführter Erkenntnisse vor. Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist, dass es zur Begründung seiner Entscheidungsfindung unter anderem darauf abgestellt hat, dass die in Eritrea derzeit für die Desertion verhängten Haftstrafen hinter den gesetzlichen Höchststrafen zurückblieben (UA S. 12), die Bedingungen im Strafvollzug für Deserteure und andere Strafgefangene gleich hart seien (UA S. 13), die Flucht vor dem Nationalen Dienst in Eritrea zu einem Massenphänomen geworden sei (UA S. 13 f.) und die Entwicklung und Förderung der eritreischen Volkswirtschaft unter Einschluss ihrer staatsnahen Unternehmen die Sicherung einer ausreichenden Zahl von Dienstleistenden erforderlich machten (UA S. 14 f.). Für das Gericht zeigt auch die Deserteuren im Ausland eröffnete Möglichkeit, sich durch Zahlung einer "Diaspora-Steuer" vor Bestrafung zu schützen, dass der eritreische Staat aus ökonomischen Interessen auf seinen Strafanspruch verzichte und einer möglicherweise hinter der Desertion stehenden politischen Überzeugung keine entscheidende Bedeutung beimesse (UA S. 15); dies gelte unabhängig von der Fähigkeit, Bereitschaft oder Zumutbarkeit der Zahlung dieser Abgabe im konkreten Fall. Soweit der Klägerin Inhaftierung auch wegen der Desertion ihres Ehemannes droht, würdigt das Verwaltungsgericht diese Gefahr ohne Verstoß gegen Bundesrecht dahin, dass die Inhaftierung nicht an eine der Klägerin zugeschriebene politische Überzeugung anknüpfe, sondern das Ziel verfolge, den Aufenthaltsort ihres Ehemannes in Erfahrung zu bringen oder diesen zur Rückkehr zu bewegen (UA S. 17).

24 Bei seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung ist das Verwaltungsgericht ohne Verstoß gegen revisibles Recht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin nicht auf die Beweiserleichterung einer Vorverfolgung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU stützen kann (UA S. 6 ff.). Denn es sieht schon für eine ihr im Zeitpunkt der Ausreise bereits drohende Inhaftierung oder Einziehung zum Nationalen Dienst keine Verfolgungsgründe nach § 3b AsylG.

25 Auf der Grundlage der tatrichterlichen, zumindest vertretbaren Würdigung der Verfolgungslage ist kein Raum für eine Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zu der von der Revision aufgeworfenen Vorlagefrage, ob Art. 10, insbesondere Art. 10 Abs. 1 Buchst. e i.V.m. Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU der Auslegung einer nationalen Rechtsnorm entgegenstehe, nach welcher der Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung nicht vorliegen solle, wenn abstrakt die Möglichkeit bestehe, gegenüber dem eritreischen Staat eine "Diaspora-Steuer" zu entrichten und eine Reueerklärung zu unterzeichnen, die Abgabe der Reueerklärung und die Zahlung der Steuer im konkreten Fall aber unzumutbar sind und der betroffenen Person bei einer Rückkehr nach Eritrea auch keine Sicherheit gewährleisten würden. Das Verwaltungsgericht ist gerade nicht davon ausgegangen, der Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung liege bereits dann nicht vor, wenn abstrakt die Möglichkeit bestehe, den Diaspora-Status zu erlangen. Dabei ist es im Rahmen einer Gesamtwürdigung der eingeführten Erkenntnisse, darunter auch denen betreffend den Diaspora-Status, zu der Überzeugung gelangt, dass den für die Zuschreibung einer gegnerischen politischen Überzeugung sprechenden Umständen kein größeres Gewicht als den gegen eine solche Zuschreibung sprechenden Umständen zukommt (UA S. 12) und "die Flucht vom Nationaldienst ohne Hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalles noch nicht für die Annahme eines politischen Verfolgungsgrundes" genüge (UA S. 16); erst dann hat es im Einklang insbesondere mit Art. 4 Abs. 3 Buchst. b und c RL 2011/95/EU das individuelle Verfolgungsschicksal der Klägerin gewürdigt (UA S. 17). Ungeachtet dessen liegt es auf der Hand und stellt keine unionsrechtliche Zweifelsfrage dar, dass Art. 10 RL 2011/95/EU nicht hindert, die allgemeine Praxis der Diaspora-Steuer und Reueerklärung bei der Würdigung mitzuberücksichtigen, ob drohende Verfolgungsmaßnahmen an den Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung anknüpfen. Ob es auch der Klägerin möglich und zumutbar ist, auf diese Weise einer Bestrafung zu entgehen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn zu beurteilen ist hier lediglich die Gerichtetheit der - vom Verwaltungsgericht nicht in Abrede gestellten - drohenden Verfolgungshandlung. Diese hängt ersichtlich nicht davon ab, ob es dem Betroffenen möglich ist, schon die Verfolgungshandlung abzuwenden, sondern betrifft eine gänzlich andere Frage. Entsprechendes gilt für eine "Bestrafung" der Klägerin wegen ihrer illegalen Ausreise und der nachfolgenden Asylantragstellung.

26 An der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geht auch die Rüge der Revision vorbei, für die gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderliche Verknüpfung von Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründen reiche auch ein Zusammenhang im Sinne einer nicht unmaßgeblichen Mitverursachung der Verfolgungshandlung durch einen von mehreren Verfolgungsgründen aus. Denn das Verwaltungsgericht ist gerade nicht zu der Annahme gelangt, dass der Staat Eritrea allen Deserteuren und Dienstverweigerern sowie deren Familienangehörigen ohne weitere Anhaltspunkte eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibe und somit von einer politischen Gerichtetheit einer außergerichtlichen und willkürlichen Inhaftierung von Familienangehörigen auszugehen sei. Ebenso wenig geht es davon aus, dass die der Klägerin drohende Verfolgung zumindest auch auf ihrer "politischen Überzeugung" beruhe (UA S. 11 und 16).

27 Ohne Erfolg bleibt die Revision auch insoweit, als sie sich gegen die Würdigung der von dem Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen wendet. An diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass diese auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt, insbesondere gegen gesetzliche Beweisregeln, Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, oder gar die Grenze einer objektiv willkürfreien Würdigung überschreitet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20).

28 (b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision zudem gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die der Klägerin drohende Verfolgung knüpfe auch nicht an den Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG an.

29 Eine Gruppe gilt gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 7. November 2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​720], Minister voor Immigratie en Asiel/X und Y sowie Z/Minister voor Immigratie en Asiel - NVwZ 2014, 132 Rn. 45 und vom 25. Januar 2018 - C-473/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​36], F/Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal - Rn. 30) müssen die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein.

30 Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass der Verfolgungsgrund der "bestimmten sozialen Gruppe" nicht vorliegt (UA S. 11 und 20). Eine solche bestimmte soziale Gruppe begründet hier weder die Familie eines Deserteurs noch die Gesamtheit der Familien der eritreischen Deserteure noch die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs.

31 Nicht zu vertiefen ist, innerhalb welcher Grenzen eine Familie dem Grunde nach eine "bestimmte soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG beziehungsweise des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU verkörpert. Denn auf der Grundlage der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden verwaltungsgerichtlichen Feststellungen ist die Würdigung der Vorinstanz, es sei nicht ersichtlich, dass die eritreische Gesellschaft Personen mit einem solchen Hintergrund als andersartig betrachte (UA S. 20), im revisionsgerichtlichen Verfahren nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die sinngemäße Annahme des Verwaltungsgerichts, die Gruppe der Familienangehörigen des Ehemannes der Klägerin habe in Eritrea keine deutlich abgrenzte Identität beziehungsweise ihr werde von dem eritreischen Staat keine solche deutlich abgegrenzte Identität zugeschrieben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet werde (vgl. UA S. 20). Die von der Revision unter Hinweis auf Erwägungsgrund 36 der Richtlinie 2011/95/EU in Bezug genommene Vermutung, dass dem Mitglied der Familie eines politisch Verfolgten selbst politische Verfolgung drohe (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 27. April 1982 - 9 C 239.80 - BVerwGE 65, 244 <249 f.> und vom 2. Juli 1985 - 9 C 35.84 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 34 S. 102 f.), vermag das gewonnene Ergebnis nicht infrage zu stellen. Diese Vermutung geht von der Annahme aus, der Bezugsperson, hier dem Ehemann der Klägerin, drohe selbst Verfolgung wegen eines Verfolgungsgrundes. Für eine solche Übertragung einer Verfolgung auf Familienangehörige fehlt es hier schon an entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu einer etwaigen flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung des Ehemannes der Klägerin wegen eines Verfolgungsgrundes. Aus diesem Grund gibt die von der Revision als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob Art. 10, insbesondere Art. 10 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU der Auslegung einer nationalen Rechtsnorm widerspricht, wonach der Verfolgungsgrund der bestimmten sozialen Gruppe nicht einschlägig sein soll, wenn dem Angehörigen einer (Kern-)Familie Verfolgungshandlungen gerade wegen des Verhaltens eines anderen Angehörigen der (Kern-)Familie drohen, keinen Anlass zu einem weiteren Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union. Denn Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU ist in Verbindung mit der oben aufgeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend eindeutig zu entnehmen, dass eine bestimmte soziale Gruppe in diesem Sinne nicht vorliegt, wenn die betroffene Gruppe nicht in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat beziehungsweise nicht von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.

32 Ob die Gesamtheit der Familien eritreischer Deserteure einen gemeinsamen Hintergrund im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG aufweist, der nicht verändert werden kann, oder ein Merkmal, das so bedeutsam für die Identität ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf dieses zu verzichten, ist nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls fehlt es auch insoweit aus den vorstehenden Gründen an der Voraussetzung des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG, weil die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht erkennen lassen, dass eine solche Gruppe von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird und daher in Eritrea eine deutlich abgegrenzte Identität hat.

33 Die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs ist zu inhomogen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG anzunehmen, da es bereits an dem Gemeinhaben eines unveränderlichen gemeinsamen Hintergrundes oder eines die Identität prägenden Merkmals fehlt. Im Übrigen kann auch insoweit nicht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG ausgegangen werden.

34 Eine Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für das Bestehen einer bestimmten sozialen Gruppe besteht hier nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat keine an diesen Verfolgungsgrund anknüpfende Vorverfolgung festgestellt.

35 (2) Gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AsylG verstößt ferner nicht die Würdigung des Verwaltungsgerichts, eine der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr etwaig drohende Einziehung zum eritreischen Nationalen Dienst knüpfe ersichtlich nicht an einen Verfolgungsgrund an (UA S. 6 f. und 21).

36 Es mag auf sich beruhen, ob die Einziehung zum eritreischen Nationalen Dienst als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG zu qualifizieren ist - das Verwaltungsgericht hat, ohne insoweit selbst weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen, angenommen, aufgrund der Bedingungen, denen die Dienstleistenden ausgesetzt seien, "dürfte" die Einziehung zum Nationalen Dienst als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zu bewerten sein (UA S. 6) - und ob der Klägerin eine solche im Falle ihrer Rückkehr tatsächlich drohte (vgl. UA S. 18). Denn die Würdigung des Verwaltungsgerichts, eine ihr nach Rückkehr drohende Einziehung knüpfe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b AsylG an, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sind - wie von dem Verwaltungsgericht bindend festgestellt - praktisch sämtliche erwachsenen eritreischen Staatsbürger gleichermaßen ohne Ansehung ihrer Persönlichkeitsmerkmale betroffen (UA S. 6 f.), so fehlt es insbesondere an Anhaltspunkten, dass etwaige unmenschliche Behandlungen während des Nationalen Dienstes an eine der Klägerin zugeschriebene gegnerische politische Überzeugung anknüpfen. Aus denselben Erwägungen kann im revisionsgerichtlichen Verfahren nicht davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der Dienstverpflichteten im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG von der eritreischen Gesellschaft als andersartig betrachtet würde und daher eine deutlich abgegrenzte Identität besäße.

37 (3) Keinen im Revisionsverfahren beachtlichen Bedenken begegnet des Weiteren die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin vor ihrer Ausreise erlittene Genitalverstümmelung vermöge eine Vermutung für eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung nicht zu begründen (UA S. 17).

38 Eine Genitalverstümmelung kann als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG auch in Anknüpfung an die Zugehörigkeit der betroffenen Frau oder des betroffenen Mädchens zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 4 AsylG erfolgen, wonach eine Gruppe insbesondere auch als eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gilt, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft. Vorliegend fehlt es indes an einem ernsthaften Hinweis darauf, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea tatsächlich Gefahr liefe, eine geschlechtsspezifische Verfolgung zu erleiden. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ist hier von dem Verwaltungsgericht als widerlegt angesehen worden, da stichhaltige Gründe der Annahme einer Wiederholungsträchtigkeit der von der Klägerin bereits erlittenen Genitalverstümmelung widerstreiten. Auch dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Eine andere Gefahr der geschlechtsspezifischen Verfolgung hat die Klägerin nicht vorgetragen.

39 bb) Des Weiteren verstößt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Klage auch hinsichtlich des Antrages des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen, nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

40 Der im Jahr 2015 im Bundesgebiet geborene Kläger hat eine Vorverfolgung nicht erlitten. Auf der Grundlage der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden verwaltungsgerichtlichen Würdigung der festgestellten Tatsachen muss er auch im Falle seiner Einreise nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen wegen eines Verfolgungsgrundes besorgen. Anhaltspunkte dafür, dass der eritreische Staat ihm eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibt und/oder dass mit Blick auf seine Stellung als Familienangehöriger eines Deserteurs und einer unerlaubt ausgereisten Dienstpflichtigen das Vorliegen der Voraussetzungen des Verfolgungsgrundes des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anzunehmen sind, bestehen nach dem Vorstehenden nicht.

41 Einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe des § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG steht bereits entgegen, dass dem minderjährigen ledigen Kind entsprechend § 26 Abs. 2 AsylG auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft nur dann zuzuerkennen ist, wenn dem ausländischen Elternteil die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde und diese Zuerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Wie unter aa) ausgeführt, war der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

42 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, das angefochtene Urteil beruhe hinsichtlich der Abweisung der auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots in Bezug auf Eritrea gerichteten Klage der Klägerin auf einem Verstoß gegen § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und gegen § 31 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO und § 40 VwVfG. Insoweit ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Denn § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG hindert in aller Regel und so auch hier die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für das mit dem Ziel der Ermöglichung eines Familiennachzuges verfolgte Begehren eines subsidiär schutzberechtigten Ausländers, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, zusätzlich die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen.

43 Das Rechtsschutzinteresse fehlt einer von dem vermeintlichen Inhaber des behaupteten Anspruchs erhobenen Klage nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.>). Von dem Fehlen des Rechtsschutzinteresses ist dabei auszugehen, wenn der angestrebte Rechtsschutz die Rechtsstellung des Rechtsschutzsuchenden nicht zu verbessern, das heißt, ihm selbst bei Erfolg keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil zu vermitteln vermag (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Oktober 1963 - 7 B 95.63 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 25 S. 43 und vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <91>). In einem solchen Fall wäre es eine überflüssige Inanspruchnahme der Gerichte, wenn über den Rechtsbehelf sachlich entschieden werden müsste. Dies zu verhindern, ist der Zweck der Sachurteilsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 1998 - 9 C 1.97 - BVerwGE 106, 339 <340 f.> und vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 32 f.). So verhält es sich hier.

44 Der asylgerichtliche Prüfungsrahmen in einem Asylerstantragsverfahren erfasst als eigenständige Streitgegenstände grundsätzlich die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes (in diesem Sinne zu § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG a.F. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13) und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 15; zum Verhältnis von § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG a.F. und § 60 Abs. 5 AufenthG BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und 13, vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 17 und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146,12 Rn. 11). Die Rangfolge und Stufung fußt auf der Grundentscheidung, dass Schutz vor Gefahren im Herkunftsstaat vorrangig auf derjenigen Stufe zu gewähren ist, die den umfassendsten Schutz vermittelt (Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand Februar 2018, § 31 AsylG Rn. 24).

45 Die Asylanerkennung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind gleichrangig und, sofern beide Streitgegenstände weiter verfolgt werden sollen, kumulativ zu beantragen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung subsidiären Schutzes stehen im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegehren. Zwischen dem Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und dem Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht schon wegen des hohen Ranges der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter kein verdrängendes Spezialitätsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 36 und vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 Rn. 24). Allerdings gebührt der Prüfung des subsidiären Schutzes Vorrang vor der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbotes des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und 13) mit der Folge, dass für den Fall, dass dem Ausländer - wie hier der Klägerin - subsidiärer Schutz zuerkannt wird, in der Regel die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausscheidet.

46 Ein tatsächlicher oder rechtlicher Vorteil aus der Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erwächst der Klägerin auch nicht im Hinblick auf einen damit verbundenen Regelanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, auf dessen Grundlage sie ihrem Ehemann einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzuges nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e i.V.m. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vermitteln könnte. Es ist schon zweifelhaft, ob neben einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG Raum für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder insoweit von einem atypischen, zur Versagung einer Aufenthaltserlaubnis berechtigenden oder gar verpflichtenden Fall auszugehen ist. § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG schlösse jedenfalls die Erteilung einer solchen abgeleiteten Aufenthaltserlaubnis an den Ehemann der Klägerin aus. Nach dieser Vorschrift wird bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des Familiennachzuges zu Personen, denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erteilt worden ist, längstens jedoch bis zum 31. Juli 2018, der Familiennachzug zu diesen Personen nicht gewährt.

47 Bereits nach dem Wortlaut des § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG ist es für den Ausschluss des Familiennachzuges unerheblich, ob der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG überdies nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufenthaltsberechtigt ist. § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG knüpft die Sperrwirkung allein an die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG an. Eine Beschränkung dahingehend, dass die Bezugsperson "nur" oder "ausschließlich" eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG besitzen darf, ist dem Wortlaut der Übergangsvorschrift nicht zu entnehmen. Anhaltspunkte hierfür liefert auch die binnensystematische Auslegung des § 104 Abs. 13 AufenthG nicht. Auch die Sätze 2 und 3 der Norm enthalten keinerlei Andeutung, dass von der Übergangsbestimmung Familienangehörige solcher Personen nicht erfasst sein sollten, die neben der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, die Personen mit subsidiärer Schutzberechtigung ohne Wahlrecht bezüglich der Rechtsgrundlage zu erteilen ist, nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG anspruchsberechtigt sind. Das Ergebnis der grammatischen und systematischen Auslegung wird durch Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG unterstrichen. Mit der Regelung verfolgte der Gesetzgeber das Interesse, die staatlichen und gesellschaftlichen Aufnahme- und Integrationssysteme vor einer temporären Überforderung zu schützen (BT-Drs. 18/7538 S. 1) und den mit der Aufnahme und Integration der Zuwanderer ausgelasteten Kommunen Zeit und Planungssicherheit zu geben, um die mit der Integration der bleibeberechtigten Ausländer verbundenen besonderen Herausforderungen zu meistern (BT-Drs. 19/595 S. 4). Diese gesetzgeberische Zielsetzung würde konterkariert, wenn der Zuzug subsidiär schutzberechtigten Personen ermöglicht würde, die zugleich auch gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK schutzberechtigt sind. Möglichen Zweifeln an der Vereinbarkeit des § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG mit höherrangigem Recht ist schon deswegen nicht nachzugehen, weil sie sich allein aufgrund und Reichweite der Beschränkung des Familiennachzuges auswirkten und kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes begründeten.

48 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.