Beschluss vom 06.11.2018 -
BVerwG 8 B 33.17ECLI:DE:BVerwG:2018:061118B8B33.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.11.2018 - 8 B 33.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:061118B8B33.17.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 33.17

  • VG Karlsruhe - 27.10.2015 - AZ: VG 1 K 2539/13
  • VGH Mannheim - 03.05.2017 - AZ: VGH 6 S 306/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. November 2018
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger erwarb spätestens 2011 eine Immobilie in M., in der sich eine, seit 1980 bestehende Spielhalle befand. Der bisherige Betreiber der Spielhalle meldete sein Gewerbe zum 31. Oktober 2012 ab. Am 28. November 2012 beantragte der Kläger, ihm anstelle des früheren Betreibers eine Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle zu erteilen, und übersandte die erforderlichen Unterlagen am 3. Dezember 2012. Antrag und Widerspruch blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage mit Urteil vom 3. Mai 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger bedürfe als neuer Betreiber der Spielhalle einer Erlaubnis nach § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 51 Abs. 4 Satz 4 und § 51 Abs. 5 Satz 5 Landesglücksspielgesetz Baden-Württemberg (LGlüG BW). Die Erlaubnis könne nicht erteilt werden, weil die Spielhalle, für die sie begehrt werde, den gemäß § 42 Abs. 3 LGlüG BW erforderlichen Mindestabstand zu bestehenden Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen nicht einhalte. § 42 Abs. 3 LGlüG BW sei mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar.

2 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3 1. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

4 Die sinngemäßen Fragen,
ob im gesamten Bundesgebiet zum Schutz der vor dem Stichtag 28. Oktober 2011 (§ 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV) im Vertrauen auf den Fortbestand einer vor diesem Stichtag erteilten Spielhallenerlaubnis getätigten Investitionen auch bei Betreiberwechseln einheitlich die fünfjährige Übergangsfrist bis 30. Juni 2017 zur Anwendung zu bringen ist,
und
ob das Vorliegen einer Erlaubnis gemäß § 33i GewO während der fünfjährigen Übergangsfrist für eine Bestandsspielhalle mit der Folge angenommen werden müsse, dass die Härtefallregelung des § 51 Abs. 5 LGlüG BW zur Anwendung komme und folglich die Abstandsregelung des § 42 Abs. 3 LGlüG BW nicht angewendet werden dürfe,
rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Sie würden sich in einem Revisionsverfahren nicht (mehr) stellen. Denn die Übergangsfrist, innerhalb derer der Kläger die Gewährung eines einheitlichen Vertrauensschutzes und die Annahme des Vorliegens einer Erlaubnis nach § 33i GewO für geboten hält, ist seit dem 1. Juli 2017 abgelaufen. Dies hätte der Senat in einem Revisionsverfahren auch zu beachten. Das Revisionsgericht muss seiner Entscheidung diejenige Rechtslage zugrunde legen, die das Berufungsgericht, entschiede es jetzt, anzuwenden hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - 4 C 39.74 - BVerwGE 51, 121 <125>). Der Entscheidung über die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle wäre die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen. Es müsste daher auch berücksichtigt werden, dass die vom Kläger angeführten Übergangsvorschriften durch Zeitablauf ihre regelnde Wirkung verloren haben.

5 Auch die sinngemäße Frage,
ob die Anwendung der Mindestabstandsregelung des § 42 Abs. 3 LGlüG BW gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verstoße
und
ob die Mindestabstandsregelung des § 42 Abs. 3 LGlüG BW jedenfalls gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoße, wenn die von der Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch die Nähe einer Spielhalle zu einer von ihnen besuchten Einrichtung im konkreten Einzelfall auszuschließen sei,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Wird, wie vorliegend, ein Normkonflikt zwischen Landes- und Bundesrecht geltend gemacht, ist grundsätzliche Bedeutung nur anzunehmen, wenn die revisible Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 334). Das ist vorliegend nicht prozessordnungsgemäß dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Kläger zeigt keine ungeklärte, im vorliegenden Verfahren klärungsfähige fallübergreifende Frage auf, die die Auslegung und Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG, des Art. 14 Abs. 1 GG oder des Verhältnismäßigkeitsprinzips betrifft. Er beschränkt sich vielmehr darauf, im Stile einer Berufungsbegründung einen verfassungswidrigen Eingriff in seine Berufsfreiheit und einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu rügen. Die zweite Frage wäre überdies in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil das Berufungsgericht keine Tatsachen festgestellt hat, aus denen sich der Ausschluss einer Gefährdung ergäbe.

6 Die sinngemäße weitere Frage,
ob das Abstandsgebot des § 42 Abs. 3 LGlüG BW auf Bestandsspielhallen, die mit einer gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33i GewO ausgestattet gewesen sind und diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesglücksspielgesetzes noch innegehabt haben, auch dann keine Anwendung findet, wenn es nach Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes zu einem Betreiberwechsel kommt,
kann die Zulassung der Revision ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn sie betrifft die Auslegung einer irrevisiblen Rechtsvorschrift.

7 Schließlich kann die Frage,
ob das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen gemäß § 42 Abs. 3 LGlüG BW gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot verstoße,
nicht zur Zulassung der Revision führen. Auch hier zeigt der Kläger keine ungeklärte, im vorliegenden Verfahren, gegebenenfalls durch Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften klärungsfähige, fallübergreifende Rechtsfrage auf, die die Anwendung des Unionsrechts betrifft. Er beanstandet lediglich die Anwendung des Art. 56 AEUV und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum Kohärenzgebot auf den vorliegenden Fall.

8 2. Die Revision kann auch nicht wegen Divergenz zugelassen werden. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

9 Der Kläger rügt, der Verwaltungsgerichtshof sei von dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juni 2017 - 8 B 931/17 - abgewichen. Dieser Vortrag kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen, weil der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht zu den nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO divergenzfähigen Gerichten zählt.

10 Der Kläger rügt außerdem, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2017 - 8 C 16.16 - ab. Das Bundesverwaltungsgericht habe darin entschieden, dass bei einem Betreiberwechsel eine betriebs- und keine betreiberbezogene Ausgestaltung des Bestandsschutzes anzunehmen sei. Das Berufungsgericht habe hingegen unter Verstoß gegen Art. 12 und 14 GG eine betreiberbezogene Ausgestaltung des Bestandsschutzes angenommen. Damit ist der erforderliche prinzipielle Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift nicht dargetan. Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung vom 5. April 2017 davon ausgegangen, dass die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV auch bei einem Betreiberwechsel nach dem 28. Oktober 2011 anzuwenden ist, weil die genannte Vorschrift Vertrauensschutz nicht betreiber-, sondern spielhallenbezogen gewährt. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung, dass Vertrauensschutz nur betreiberbezogen gewährt werden kann, demgegenüber auf die irrevisible Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 4 LGlüG BW und damit auf eine andere Norm gestützt, ohne der bundesverwaltungsgerichtlichen Auslegung des § 29 Abs. 4 GlüStV mit einem gegenteiligen Rechtssatz zu widersprechen. Vielmehr verweist er auf die Ermächtigung zur landesrechtlichen Regelung weitergehender Anforderungen.

11 3. Soweit der Kläger schließlich ausführt, der Verwaltungsgerichtshof sei von einem falschen Erwerbsdatum des Anwesens, auf dem sich die streitgegenständliche Spielhalle befindet, ausgegangen, ist damit kein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung ein falsches Erwerbsdatum des Anwesens zugrunde gelegt haben sollte, ist nicht ersichtlich, dass seine Entscheidung auf diesem Fehler beruhen könnte. Denn nach der materiell-rechtlichen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs kam es nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Immobilie, sondern auf den Wechsel des Betreibers der Spielhalle an.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.