Verfahrensinformation



Die Klägerin in dem Verfahren BVerwG 1 C 8.16 ist syrische Staatsangehörige und lebt seit 2012 in Deutschland. Im August 2012 erkannte ihr das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Abschiebungsschutz als subsidiär Schutzberechtigte nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu. Daraufhin erteilte ihr der beklagte Landkreis eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG und versah diese mit der Nebenbestimmung, dass sie zur Wohnsitznahme im Landkreis Verden verpflichtet sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin, die nicht erwerbstätig ist und Sozialleistungen nach dem SGB II bezieht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren im August 2014 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zur Vereinbarkeit einer solchen Wohnsitzauflage mit Art. 33 und Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - sog. Anerkennungsrichtlinie - vorgelegt. Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 1. März 2016 (Rs. C-443/14 und C-444/14 - NVwZ 2016, 445) beantwortet. Danach darf eine Wohnsitzauflage gegenüber subsidiär Schutzberechtigten, die Leistungen der sozialen Sicherung erhalten, nicht zum Zweck der gleichmäßigen Verteilung von Sozialleistungen innerhalb Deutschlands auferlegt werden, unter bestimmten Voraussetzungen aber zur Förderung der Integration. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird insbesondere zu klären sein, ob diese Voraussetzungen zur Auferlegung einer Wohnsitzauflage erfüllt waren.


In dem Verfahren 1 C 5.16 stellen sich vergleichbare Rechtsfragen. Es betrifft einen syrischen Staatsangehörigen, der nach einem Asylfolgeantrag im Jahre 2012 als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) anerkannt worden war. Hier hatte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen der Klage in der Berufungs-instanz stattgegeben. In diesem Verfahren wird auch zu klären sein, inwieweit sich der Rechtsstreit nach einem Umzug erledigt hat.


Beschluss vom 07.06.2016 -
BVerwG 1 C 5.16ECLI:DE:BVerwG:2016:070616B1C5.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.06.2016 - 1 C 5.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:070616B1C5.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 C 5.16

  • VG Münster - 18.04.2013 - AZ: VG 8 K 295/13
  • OVG Münster - 21.11.2013 - AZ: OVG 18 A 1291/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 18. April 2013 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. November 2013 sind wirkungslos.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 173 VwGO i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wirkungslos.

2 Über die Kosten des Verfahrens ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es hier, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die Klage ohne das erledigende Ereignis - den Umzug des Klägers in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde im Jahr 2014 - bei summarischer Prüfung Erfolg gehabt hätte. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte die streitgegenständliche Wohnsitzauflage primär und die Entscheidung zumindest mittragend mit fiskalischen Erwägungen begründet hat, was nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den EuGH in seinem Urteil vom 1. März 2016 (C-443/14 und C-444/14) bei subsidiär Schutzberechtigten nicht mit Art. 33 und 29 der Richtlinie 2011/95/EU - sog. Anerkennungsrichtlinie - zu vereinbaren ist.

3 Die Festsetzung des Streitwertes für das Revisionsverfahren beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 GKG.