Beschluss vom 07.09.2004 -
BVerwG 7 B 108.04ECLI:DE:BVerwG:2004:070904B7B108.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.09.2004 - 7 B 108.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:070904B7B108.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 108.04

  • VG Berlin - 10.06.2004 - AZ: VG 29 A 167.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. September 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 € festgesetzt.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks auf die Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil sie nicht nachgewiesen hätten, dass die Klägerin zu 1 und ihr inzwischen verstorbener Ehemann ein Nutzungsrecht an dem Grundstück redlich erworben hätten und dessen Rückübertragung deshalb nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerinnen ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Das Verwaltungsgericht hat nicht entscheidungserheblichen Vortrag übergangen und damit - wie die Klägerinnen wohl sinngemäß geltend machen wollen - gegen das Gebot rechtlichen Gehörs oder gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen. Die Klägerinnen beziehen ihre Rüge auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Rechtserwerb sei unredlich gewesen, weil die Klägerin zu 1 und ihr später verstorbener Ehemann im Zusammenwirken mit den staatlichen Stellen zunächst den Wohnungstausch und sodann die Verleihung des Nutzungsrechts nebst Erwerb des Gebäudes herbeigeführt hätten, obwohl die Voraussetzungen der Wohnraumlenkungsverordnung für einen Wohnungstausch nicht vorgelegen hätten.
a) Die Klägerinnen halten dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zu Unrecht vor, es habe den (unstreitigen) Vortrag nicht berücksichtigt, dass die frühere Mieterin des Hauses aus einem etwa 80 m² großen Einfamilienhaus in eine etwa 70 m² große 3-Zimmer-Wohnung gezogen sei. Das Verwaltungsgericht ist auf diesen Umstand ausdrücklich eingegangen, hat aber angenommen, er habe die Zuweisung der Wohnung an die frühere Mieterin nicht gerechtfertigt.
Ob diese Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, kann im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil die Wohnraumlenkungsverordnung irrevisibles Recht darstellt. Deshalb kann Revision auch nicht wegen der ergänzend geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zugelassen werden.
b) Das Verwaltungsgericht ist zwar nicht ausdrücklich auf die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerinnen eingegangen, die Kommunale Wohnungsverwaltung habe wegen der erheblichen Kosten erforderlicher Instandsetzungen auf dem Verkauf des Gebäudes bestanden. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, das Verwaltungsgericht habe diese Behauptung nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen. Denn auf den behaupteten Umstand kam es nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht an, weil er zum einen ersichtlich nichts an dem Verstoß gegen die Wohnraumlenkungsverordnung ändern konnte und es zum anderen unerheblich war, aus welchem Grund die staatlichen Stellen an dem ihnen bekannten manipulativen Vorgang keinen Anstoß nahmen. Deshalb war das Verwaltungsgericht von seiner Rechtsauffassung ausgehend insoweit auch nicht zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet.
2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Klägerinnen möchten die Frage geklärt wissen, wann greifbare Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit des Erwerbs bestehen und die Grundannahme der Redlichkeit deshalb erschüttert ist. Soweit hierzu Antworten möglich sind, die über den Einzelfall hinausweisen, hat das Bundesverwaltungsgericht sie in seiner Rechtsprechung bereits gegeben (vgl. zum Beispiel Urteile vom 30. November 2000 - BVerwG 7 C 87.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 12 und - BVerwG 7 C 94.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 8). Die Klägerinnen haben nicht dargelegt, dass das angestrebte Revisionsverfahren weitergehende allgemein gültige Aussagen ermöglicht. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass die Grundannahme der Redlichkeit zumindest erschüttert ist, wenn der Erwerber unter Verstoß gegen die seinerzeitigen Rechtsvorschriften eine Wohnraumzuweisung für das Wohngebäude erlangt hat, der Erwerber den Rechtsverstoß kannte und dieser gezielt den späteren Erwerb ermöglichen sollte. Denn damit ist der Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG erfüllt, bei dessen Vorliegen regelmäßig der Erwerb als unredlich anzusehen ist.
3. Das angefochtene Urteil weicht nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, welche die Klägerinnen in ihrer Beschwerde benannt haben (Urteil vom 17. Januar 2002 - BVerwG 7 C 15.01 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 16). Sie entnehmen diesem Urteil den abstrakten Rechtssatz, ein in zwei Verkaufsvorgänge aufgeteilter Lebenssachverhalt könne unter dem Gesichtspunkt eines objektiv manipulativen Erwerbs als Einheit zu beurteilen sein. Hiervon ist das Verwaltungsgericht nicht deshalb abgewichen, weil es - wie die Klägerinnen meinen: zu Unrecht - diesen abstrakten Rechtssatz auf eine andere Fallgestaltung, nämlich auf einen Wohnungstausch, übertragen habe. Denn dadurch widerspricht das Verwaltungsgericht dem Rechtssatz nicht.
Es könnte allenfalls eine Frage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sein, ob sich die vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Grundsätze auf den Fall eines Wohnungstauschs übertragen lassen, bei dem die Voraussetzungen der Wohnraumlenkungsverordnung zwar für die Zuweisung des später erworbenen Einfamilienhauses an den Erwerber, nicht aber für die Zuweisung der von ihm frei gemachten Wohnung an den Mieter des später erworbenen Hauses vorlagen. Indes kann die Revision auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zugelassen werden. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die beiden Vorgänge auch in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt eines objektiv manipulativen Erwerbs als Einheit zu beurteilen sind. Ohne die manipulativ erwirkte Wohnraumzuweisung für die weichende Mieterin wären der Wohnungstausch und damit der spätere Erwerb des Hauses durch die Klägerin zu 1 und ihren Ehemann gescheitert. Der gesetzwidrige Wohnungstausch diente gerade dazu, ihnen den Bezug des Einfamilienhauses und dessen nachfolgenden Erwerb zu ermöglichen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Obwohl die Beigeladenen einen Antrag gestellt haben, entspricht es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären; denn sie haben sich mit einem bloßen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde und ohne Ausführungen zur Sache an dem Beschwerdeverfahren beteiligt, bevor ihnen durch Zustellung der Beschwerdebegründung Gelegenheit und Veranlassung gegeben wurde, sich zur Frage der Zulassung der Revision zu äußern. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I S. 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I S. 390), i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).