Beschluss vom 09.05.2018 -
BVerwG 9 B 11.18ECLI:DE:BVerwG:2018:090518B9B11.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.05.2018 - 9 B 11.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:090518B9B11.18.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 11.18

  • OVG Greifswald - 06.12.2017 - AZ: OVG 9 K 225/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Mai 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern - Flurbereinigungsgericht - vom 6. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Abfindungsentscheidung im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens. Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen einen Nachtrag zum Bodenordnungsplan gerichtete Klage abgewiesen und im Urteil u.a. ausgeführt, es habe sich bei dem Einlageflurstück der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nicht um Bauerwartungsland gehandelt. Das Grundstück liege in einem Bereich, der nach dem Flächennutzungsplan als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen sei. Ein Bebauungsplan existiere nicht und sei auch nicht absehbar; nach den Luftbildern liege auch keine Situation des § 34 BauGB vor. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Verlegung von Versorgungsleitungen bis an das Einlageflurstück heran rechtfertige keine andere Bewertung.

2 Die Beschwerde, die sich gegen die Nichtzulassung der Berufung wendet, steht auf dem Standpunkt, das Gericht habe die für Bauerwartungsland sprechenden Anhaltspunkte (Lage des Einlageflurstücks in der Ortsrandlage, Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen im Zuge der Errichtung eines Radweges entlang der Bundesstraße 111) falsch gewertet.

II

3 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

4 Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der Hinweis auf eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung vorgegebener Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen dagegen nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.).

5 Daran gemessen zeigt die Beschwerde eine Divergenz nicht auf. Denn die beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, von denen das Oberverwaltungsgericht abgewichen sein soll (Urteile vom 21. Juni 1955 - 1 C 173.54 - BVerwGE 2, 154 und vom 9. Juni 1959 - 1 CB 27.58 - BVerwGE 8, 343), sind nicht zum heute geltenden § 44 FlurbG, sondern noch zu § 48 der Reichsumlegungsordnung vom 16. Juni 1937 und damit nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift ergangen.

6 Hiervon abgesehen, liegt auch in der Sache keine Abweichung vor. Beide Entscheidungen enthalten den - auch heute noch gültigen - Rechtssatz, dass Baugrundstücke mit Blick auf den Grundsatz der wertgleichen Abfindung stets einer besonderen Bewertung bedürfen; es kommt für die Bewertung nicht entscheidend auf die ausgeübte Nutzung, sondern auf die Nutzungsfähigkeit des Grundstücks an (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 1955 - 1 C 173.54 - BVerwGE 2, 154 <155> und vom 9. Juni 1959 - 1 CB 27.58 - BVerwGE 8, 343, <344 f.>). Hiervon ist das angegriffene Urteil schon deshalb nicht abgewichen, weil es bereits das Vorliegen eines Baugrundstücks verneint hat; um die Frage der zutreffenden Bewertung eines Baugrundstücks ging es mithin nicht.

7 Entgegen der Beschwerde liegt auch keine Abweichung hinsichtlich der Frage vor, wann ein Flurstück, das im Gebiet eines Flurbereinigungsverfahrens liegt, als Bauland oder als Bauerwartungsland zu qualifizieren ist. Nach der erstgenannten Entscheidung liegt Bauland dann vor, wenn sich das betreffende Grundstück "nach den geltenden baurechtlichen Vorschriften zur Errichtung einer baulichen Anlage eignet" (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1955 - 1 C 173.54 - BVerwGE 2, 154 <159>). Das weitere Urteil, das je nach Grad der Baureife zwischen Rohbauland (Bauerwartungsland) und baureifem Land unterscheidet, stellt darauf ab, ob Grundstücke "nach ihrer Lage (insbesondere innerhalb der Ortschaft) wahrscheinlich in absehbarer Zeit bebaut werden"; bei Rohbauland könne es darauf ankommen, ob für Grundstücke gleicher oder ähnlicher Art über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehende Kaufpreise allgemein und nicht nur einzeln gezahlt würden (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1959 - 1 CB 27.58 - BVerwGE 8, 343 <345>). Auch von diesen Rechtssätzen, die mit leicht abgewandelter Formulierung heute ebenfalls noch gelten - es kommt darauf an, ob "eine greifbare Aussicht auf Zulassung der Bebauung mit einem bestimmten Vorhaben besteht", "rein theoretische Möglichkeiten, für die reale Grundlagen fehlen, können dagegen nicht berücksichtigt werden" (BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 1991 - 5 B 46.91 - Buchholz 424.01 § 134 FlurbG Nr. 16 S. 2 f. m.w.N.) - ist das Oberverwaltungsgericht nicht abgewichen. Vielmehr ist es, wie die Formulierung, eine Bebauung sei "nicht mit hinreichender Sicherheit und greifbar zu erwarten" zeigt, von den vorstehenden Rechtssätzen ausgegangen.

8 Ob das Oberverwaltungsgericht diese Rechtssätze im konkreten Fall richtig angewandt hat, spielt für den Zulassungsgrund der Divergenz - wie oben ausgeführt - keine Rolle.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.