Beschluss vom 09.10.2019 -
BVerwG 4 BN 33.19ECLI:DE:BVerwG:2019:091019B4BN33.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.10.2019 - 4 BN 33.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:091019B4BN33.19.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 33.19

  • VGH München - 31.01.2019 - AZ: VGH 2 N 17.1448

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Oktober 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde wird zurückgewiesen. Sie ist unbegründet.

2 1. Die Beschwerde zeigt keine Verletzung des Anspruchs auf gerichtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO auf. Der Antragsteller beanstandet, er habe sich zu einer "unmittelbar" vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufstellung von Erschließungskosten nicht äußern können. Dies bleibt ohne Erfolg. Denn die von der Beschwerde als Anlage AS 1 vorgelegte Tabelle ist dem Verwaltungsgerichtshof bereits mit dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2. Februar 2018 vorgelegt worden (GA Bl. 137). Nach Aktenlage (GA Bl. 128 RS) wurde dieser Schriftsatz mit Anlagen dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 7. Februar 2018 und damit knapp ein Jahr vor der mündlichen Verhandlung übermittelt. Ausweislich des Schriftsatzes des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. Juni 2018 (GA Bl. 144 ff.) hat er diese Unterlagen auch erhalten. Schriftsätze der Antragsgegnerin unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung, etwa nach dem Augenscheinstermin vom 27. November 2018, sind nicht zur Akte gelangt.

3 2. Die Beschwerde rügt die Ausführungen der Vorinstanz zur Beeinträchtigung des Betriebs des Antragstellers als aktenwidrig. Dies bleibt ohne Erfolg.

4 Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes (§ 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie verlangt den schlüssigen Vortrag, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben, und zudem eine genaue Darstellung des Verstoßes durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (stRspr, BVerwG, Urteil vom 23. November 2016 - 4 CN 2.16 - BVerwGE 156, 336 Rn. 23).

5 Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, er habe aktenwidrig ausschließlich die Durchschneidung der Pferdekoppel und des Abreitplatzes als Beeinträchtigung des Betriebs erkannt, aber Mehraufwendungen für eine neue Wasserversorgung und den Witterungsschutz übersehen. Die Rüge ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die Führung der Straße mit betrieblichen Umorganisationen bzw. Einschränkungen für den Antragsteller verbunden sein wird (UA Rn. 48). Dies umfasst begrifflich auch Mehraufwendungen etwa für den Witterungsschutz und die Wasserversorgung. Eine weitere Darlegung war schon deswegen nicht geboten, weil die Wasserversorgung und der Witterungsschutz auch in dem angeführten Zitat aus einer Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kempten vom 19. Juni 2017 nur beispielhaft erwähnt werden.

6 Die Ausführungen zu einer Neuversiegelung (UA Rn. 52) erweisen sich ebenfalls nicht als aktenwidrig. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass der Verwaltungsgerichtshof Unterschiede im Umfang der Neuversiegelung übersehen hat. Er hat vielmehr als abwägungsfehlerfrei gebilligt, dass die Antragsgegnerin das Kriterium der Neuversiegelung als nachrangig behandelt hat. Dies ist eine materiell-rechtliche Würdigung, keine Tatsachenfeststellung.

7 3. Die Beschwerde legt keinen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen.

8 Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe ermitteln müssen, welche Mehrkosten für den Betrieb des Antragstellers durch die Planung entstehen und ob diese für einen kleinen Betrieb zumutbar seien. Die Beschwerde legt indes nicht - wie geboten - dar, dass der Antragsteller bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme dieser Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 19. November 2018 - 4 B 58.18 - juris Rn. 10).

9 Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Das Tatsachengericht hat grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob es selbst über die für die Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts erforderliche Sachkunde verfügt. Dieses Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Dezember 1979 - 7 B 136.79 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 123 S. 25, vom 13. Januar 2009 - 9 B 64.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 372 Rn. 6 und vom 14. Januar 2016 - 7 B 19.15 - juris Rn. 4). Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorbringen des Antragstellers in Hinblick auf die Folgen für den Betrieb als nicht hinreichend substantiiert gewürdigt (UA Rn. 49). Eine weitere Ermittlung musste sich ihm durch das angeführte Zitat aus einer Stellungnahme des AELF Kempten vom 19. Juni 2017 nicht aufdrängen. Denn die Mitteilung, es sei "fraglich" ob Ersatzinvestitionen noch wirtschaftlich seien, ließ die wirtschaftlichen Folgen für den Betrieb des Antragstellers offen und verzichtete auf eine Kostenschätzung.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.