Beschluss vom 15.08.2019 -
BVerwG 1 B 33.19ECLI:DE:BVerwG:2019:150819B1B33.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.08.2019 - 1 B 33.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:150819B1B33.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 33.19

  • VG Augsburg - 07.07.2017 - AZ: VG Au 8 K 16.31298
  • VGH München - 08.11.2018 - AZ: VGH 13a B 17.31960

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. August 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 8. November 2018 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.

2 Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
"ob und inwieweit der Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG die Annahme einer - hypothetischen -gemeinsamen Rückkehr der Kernfamilie in Fällen gebietet, in denen die übrigen Familienmitglieder einen Schutzstatus erhalten haben",
ist nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Urteil des Senats vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 - dahingehend geklärt, dass für die Gefahrenprognose von einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der - wenngleich notwendig hypothetischen - Rückkehrsituation und damit bei tatsächlicher Lebensgemeinschaft der Kernfamilie im Regelfall davon auszugehen ist, dass diese entweder insgesamt nicht oder nur gemeinsam im Familienverband zurückkehrt. Dies gilt auch dann, wenn einzelnen Mitgliedern der Kernfamilie bereits ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie nationaler Abschiebungsschutz festgestellt worden ist.

3 Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weicht hiervon ab, indem es bei Zugrundelegung einer möglichst realitätsnahen Rückkehrsituation davon ausgeht, dass der Kläger wegen der Schutzgewährung für seine Ehefrau und das in Deutschland geborene gemeinsame Kind nicht zusammen mit der Familie nach Afghanistan zurückkehrt.

4 Die "überholte" Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigt deshalb die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen nachträglicher Divergenz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1965 - 3 B 10.65 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 49). Das Revisionsverfahren bietet Gelegenheit zur Klärung der Frage, ob auch im vorliegenden Fall, in dem nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs die Ehe bzw. familiäre Lebensgemeinschaft im Herkunftsland noch nicht bestanden hat, die nach der o.g. Senatsrechtsprechung zugrunde zu legende Regelvermutung der gemeinsamen Rückkehr der Familie greift.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 29.19 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.