Beschluss vom 20.01.2017 -
BVerwG 8 B 23.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200117B8B23.16.0

Leitsatz:

Im nichtförmlichen Verwaltungsverfahren löst die Vertretungsanzeige eines Rechtsanwalts nur dann eine Empfangsvollmacht für den Vertretenen aus, wenn dieser dem Rechtsanwalt eine solche erteilt hat oder jedenfalls der Rechtsschein einer Vollmacht anzunehmen ist.

  • Rechtsquellen
    VwZG § 8 Abs. 1 Satz 2 a.F.
    VwVfG § 41 Abs. 1

  • VG Halle - 30.11.2015 - AZ: VG 1 A 182/13 HAL

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.01.2017 - 8 B 23.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:200117B8B23.16.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 23.16

  • VG Halle - 30.11.2015 - AZ: VG 1 A 182/13 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Januar 2017
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler und Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. P. gewährt.
  2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 30. November 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger reiste im September 1989 aus der ehemaligen DDR in das Bundesgebiet aus. Seine damalige Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder folgten ihm im November 1989, nachdem sie das im gemeinsamen Eigentum stehende Grundstück ...straße ... in ... mit Überlassungsvertrag vom 14. November 1989 an die Eheleute E. veräußert hatten. Im August 1990 meldete Rechtsanwältin Dr. W. unter Vorlage der Kopie einer von dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau unterzeichneten Vollmacht vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des Grundstücks an. Im April 1991 zeigten Rechtsanwälte Dr. Fr. & Partner an, sie seien nunmehr von dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau mit der Vertretung beauftragt. Eine Vollmacht legten sie nicht vor. Im November 1993 zeigte Rechtsanwalt B. an, er vertrete den Kläger und seine frühere Ehefrau. Eine Vollmacht legte er nicht vor. Im Februar 1994 übersandte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. den Entwurf der beabsichtigten Entscheidung an Rechtsanwalt B. Dieser erbat sich Fristverlängerung, kündigte an, es werde eine Kanzlei vor Ort mit der Angelegenheit beauftragt und wies darauf hin, dass eine Kontaktaufnahme mit der Partei zurzeit nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 5. April 1994 wandte sich Rechtsanwalt F. an das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. Dem Schreiben war eine Vollmacht "in Sachen ... wegen Ansprüche nach dem Vermögensgesetz auf die Liegenschaft ..., ...straße ..., ..." beigefügt. Die Vollmacht war lediglich von der früheren Ehefrau des Klägers unterschrieben. In dem Schreiben heißt es weiter:
"... der als Anlage beiliegenden Originalvollmacht können Sie entnehmen, dass Frau ... und Herr ... mich mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen in o.b. Angelegenheit beauftragt haben. Ich bin neben dem bisher in dieser Sache tätigen Kollegen B. als vor Ort ansässiger Kollege von Herrn und Frau ... beauftragt worden. Bitte richten Sie sämtlichen Schriftverkehr zukünftig ausschließlich an meine o.a. Adresse."

2 Am 18. Mai 1994 lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. den Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks ...straße ..., ... ab. Den Ablehnungsbescheid stellte es am 25. Mai 1994 durch die Post mit Zustellungsurkunde an Rechtsanwalt F. zu.

3 Am Montag, den 27. Juni 1994, erhob Rechtsanwalt F. "namens meiner Mandanten" Widerspruch. Nachdem das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. dem Widerspruch nicht abgeholfen hatte, begründete Rechtsanwalt F. mit Schreiben vom 14. Juni 1995 den "namens unserer Mandantin eingelegten" Widerspruch gegenüber dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ... weiter. Am 6. Februar 1997 teilte Rechtsanwalt F. telefonisch mit, er habe "nur für" die ehemalige Ehefrau des Klägers Widerspruch eingelegt. Mittlerweile habe er das Mandat niedergelegt. Mit Schreiben vom 6. März 1997 bestätigte Rechtsanwalt F. gegenüber dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ..., "dass von uns lediglich Frau ... (jetzt verehelicht ...) anwaltlich vertreten wurde". Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997 wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ... den Widerspruch der früheren Ehefrau des Klägers zurück und stellte den Widerspruchsbescheid am 23. April 1997 an diese zu. Eine Entscheidung über einen Widerspruch des Klägers erging nicht.

4 Im Dezember 1996 zeigte Rechtsanwalt S. die Vertretung des Klägers gegenüber dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. an und bat um Sachstandsmitteilung. Auf Anregung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen M. übersandte Rechtsanwalt S. mit Schreiben vom 16. Juni 1997 eine vom Kläger unterzeichnete Originalvollmacht und bat, diese an das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ... weiterzuleiten. Der Bitte entsprach das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. und teilte Rechtsanwalt S. mit Schreiben vom 26. Juni 1997 mit, dass zwischenzeitlich ein Widerspruchsbescheid erlassen worden sei. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen M. teilte Rechtsanwalt S. am 19. November 1997 mit, das Grundstück sei durch Bescheid vom 18. Mai 1994 nicht an die Antragsteller zurückgewährt worden. Der Bescheid sei mit Datum vom 24. Mai 1997 bestandskräftig. Auf Anfrage von Rechtsanwalt S. übersandte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ... diesem mit Schreiben vom 7. April 1998 den Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997, informierte ihn mit weiterem Schreiben vom 5. Mai 1998 unter Übersendung von Aktenkopien über seine Rechtsauffassung und regte an, sich im Übrigen hinsichtlich der Vertretungsfrage an Rechtsanwalt F. und an das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. zu wenden, weil sich die Altakte inzwischen dort befinde. Mit Schreiben vom 11. Mai 1998 widersprach Rechtsanwalt S. daraufhin gegenüber dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. der Rechtsauffassung des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen ... und verlangte Zusendung eines rechtsbehelfsfähigen Widerspruchsbescheids. Rechtsanwalt F. habe für seinen Mandanten jedenfalls wirksam Widerspruch erhoben, der bisher nicht zurückgenommen sei. Eine Antwort auf dieses Schreiben erfolgte nicht.

5 Am 9. August 2011 wandte der Kläger sich an den Landkreis S. (als Rechtsnachfolger des Landkreises M.) und bat um Mitteilung, wie über seinen Restitutionsantrag hinsichtlich des Grundstücks ...straße ..., ... entschieden worden sei. Der Landrat des Landkreises S. übersandte ihm daraufhin eine Kopie des Bescheids vom 18. Mai 1994, worauf der Kläger am 1. September 2011 Widerspruch erhob. Den Widerspruch wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ... mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2013 als unbegründet zurück. Mit Urteil vom 30. November 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zustellung des Bescheids vom 18. Mai 1994 wirke auch gegen den Kläger. Rechtsanwalt F. sei auch für ihn als bestellter Bevollmächtigter anzusehen. Im Übrigen könne dahinstehen, ob Rechtsanwalt F. für den Kläger Widerspruch erhoben habe. Denn jedenfalls sei ein solcher Widerspruch mit dem Schreiben vom 6. März 1997 konkludent zurückgenommen worden.

6 Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger, das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einem Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), weil es die Sachurteilsvoraussetzungen, insbesondere §§ 68 bis 70, 74 VwGO i.V.m. § 36 VermG, § 8 VwZG a.F. fehlerhaft einschätze und die Zulässigkeit der Klage daher fehlerhaft verneine. Der Bescheid vom 18. Mai 1994 sei dem Kläger nicht wirksam zugestellt worden. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG a.F. hätte an Rechtsanwältin Dr. W. zugestellt werden müssen, da diese eine Originalvollmacht vorgelegt habe. Jedenfalls sei das dem Beklagten im Bereich des § 8 Abs. 1 Satz 1 VwZG a.F. eingeräumte Verfahrensermessen von diesem fehlerhaft zugunsten einer Zustellung an Rechtsanwalt F. ausgeübt worden. Dem Beklagten hätten sich in Ansehung der nur von seiner ehemaligen Ehefrau unterzeichneten Vollmacht, die Rechtsanwalt F. beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. eingereicht habe, Zweifel an dessen wirksamer Bevollmächtigung aufdrängen müssen. Jedenfalls habe Rechtsanwalt F. wirksam Widerspruch für den Kläger eingelegt und diesen in der Folgezeit nicht zurückgenommen.

7 Die Beschwerde hat Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger rügt zu Recht, dass das Verwaltungsgericht keine Sachentscheidung getroffen hat, sondern davon ausgegangen ist, die Klage sei unzulässig. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei unzulässig, weil der Bescheid vom 18. Mai 1994 dem Kläger gegenüber bestandskräftig geworden und daher kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei, ist rechtlich unzutreffend.

8 1. Entscheidet ein Gericht durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil, kann darin ein Verfahrensfehler liegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 1968 - 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113>), wenn dem eine fehlerhafte Anwendung prozessualer Vorschriften zugrunde liegt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 - 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Kein Verfahrensmangel liegt dagegen vor, wenn bei Anwendung des Prozessrechts Vorfragen zur materiellen Rechtslage fehlerhaft beurteilt werden (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die nach dem Prozessrecht zu beantwortende Frage, ob formelle Bestandskraft und damit die Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheids eingetreten ist, fehlerhaft bejaht.

9 a) Rechtsanwalt F. war für den Kläger nicht empfangsbevollmächtigt, weil eine bloße Vertretungsanzeige gegenüber einer Behörde jedenfalls im nichtförmlichen Verwaltungsverfahren nicht genügt, um eine Empfangsvollmacht zu begründen (aa) und eine Bevollmächtigung von Rechtsanwalt F. durch den Kläger oder der Rechtsschein einer solchen Bevollmächtigung vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden und auch sonst nicht ersichtlich ist (bb).

10 aa) Im nichtförmlichen Verwaltungsverfahren genügt eine bloße Vertretungsanzeige eines Rechtsanwalts nicht, um eine Empfangsvollmacht für ihn zu begründen. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich das tatsächliche Bestehen einer vom Vertretenen erteilten hinreichenden Vollmacht oder der von dem Vertretenen zurechenbar gesetzte Rechtsschein einer solchen. Im Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 VwVfG hat das Bundesverwaltungsgericht dies bereits ausdrücklich verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 6; ebenso zu § 80 Abs. 1 Satz 1, § 122 Abs. 1 Satz 3 AO: BFH, Urteil vom 25. September 1990 - IX R 84/88 - BFHE 162, 4 <11>).

11 Für Zustellungen im nichtförmlichen Verwaltungsverfahren kann nichts anderes gelten. Zwar hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 27. Februar 1986 - IV R 72/85 - (BFHE 146, 206 <209>), die das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht zitiert, ausgeführt, es genüge für die Annahme einer Empfangsvollmacht, dass sich jemand unangefochten zum Bevollmächtigten bestellt habe, auch wenn seine Vollmacht möglicherweise (insoweit) nicht wirksam sei (vgl. BFH, Beschluss vom 25. August 2004 - IV B 180-183/03 - NVwZ-RR 2005, 72 <72>). Dass dies allenfalls für Zustellungen nach dem Verwaltungszustellungsgesetz in Rechtsbehelfsverfahren gelten kann, ergibt sich aus den folgenden Erwägungen: Die vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fallkonstellationen betreffen Fälle von Zustellungen im Einspruchsverfahren sowie im finanzgerichtlichen Verfahren. Die vom Bundesfinanzhof zur Begründung seiner Entscheidungen herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschlüsse vom 29. Oktober 1973 - NotZ 4/73 - BGHZ 61, 308 <310 f.> und vom 23. November 1978 - II ZB 7/78 - HFR 1979, 445 <446>) bezieht sich nur auf Konstellationen, in denen ein vollmachtloser Vertreter im gerichtlichen Verfahren aufgetreten ist. Der Bundesgerichtshof verweist zur Rechtfertigung seiner Rechtsprechung, dass die bloße Vertretungsanzeige im Zivilprozess - unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht - eine wirksame Empfangsvollmacht für Zustellungen in diesem Prozess begründet, auf Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 16. Dezember 1896 - V 201.96 - RGZ 38, 406 <408 f.>). Dort wird die Begründung einer Empfangsvollmacht durch bloße Anzeige des (vermeintlich) Bevollmächtigten gegenüber dem Gericht damit gerechtfertigt, dass der Mangel der Vollmacht im Anwaltsprozess nach den Regelungen der Zivilprozessordnung nur auf entsprechende Rüge des Gegners vom Gericht überprüft werden könne (vgl. § 88 ZPO) und im Übrigen § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dem vollmachtlos Vertretenen ermögliche, ein dennoch gegen ihn ergangenes Urteil zu beseitigen. Im Verwaltungsverfahren gilt aber weder § 88 ZPO noch § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. § 51 VwVfG benennt nur die in § 580 ZPO und nicht auch die in § 579 ZPO geregelten Fälle als Wiederaufnahmegrund. Daher kann es anders als im gerichtlichen Verfahren geschehen, dass der vollmachtlos Vertretene am Inhalt eines gegen ihn ergangenen bestandskräftigen Bescheids festgehalten und auf einen möglicherweise nicht liquidierbaren Schadensersatzanspruch gegen seinen vollmachtlosen Vertreter verwiesen ist. Eine Rechtfertigung für einen derart weiten Schutz des Vertrauens der Behörden in eine Vertretungsanzeige ist nicht ersichtlich.

12 bb) Eine Vollmacht des Klägers für Rechtsanwalt F. hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat die Erteilung einer Vollmacht an Rechtsanwalt F. bestritten. Die bei den Akten befindliche Vollmachtsurkunde hat der Kläger nicht unterschrieben. Rechtsanwalt F. hat im Verwaltungsverfahren mitgeteilt, er habe nur die frühere Ehefrau des Klägers vertreten und auf spätere Nachfrage des Beklagten ausgeführt, er könne nicht (mehr) weiterhelfen. Die Unterlagen zu dem Vorgang seien nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist längst vernichtet. Anhaltspunkte für das Bestehen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht für Rechtsanwalt F. hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Solche Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den Akten.

13 b) Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen die Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheids vom 18. Mai 1994 auch dann fehlerhaft angenommen, wenn man im Verwaltungsverfahren, wie im gerichtlichen Verfahren eine Vertretungsanzeige für das Entstehen einer Empfangsvollmacht ausreichen lässt. Denn die ihr vom Verwaltungsgericht zugemessenen Wirkungen kann eine solche Vertretungsanzeige nur dann entfalten, wenn keine besonderen Umstände Anlass dazu geben, die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts in Zweifel zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1985 - 9 C 105.84 - BVerwGE 71, 20 <23 f.>). Solche Umstände bestanden im vorliegenden Fall aber. Rechtsanwalt F. hatte in seinem Bestellungsschreiben ausdrücklich erwähnt, er sei von dem Kläger und seiner Ehefrau bevollmächtigt worden und zum Beweis auf die beigefügte Originalvollmacht verwiesen. Diese Vollmachtsurkunde bestätigte die behauptete Bevollmächtigung auch durch den Kläger aber wegen dessen fehlender Unterschrift auf der Vollmachtsurkunde gerade nicht. Dieser Widerspruch hätte die das Schreiben empfangende Behörde zu einer entsprechenden Nachfrage veranlassen müssen. Die Vertretungsanzeige durch Rechtsanwalt F. konnte daher keine Empfangsvollmacht für den Kläger auslösen.

14 2. Das Verwaltungsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent -offen gelassen, ob der Kläger sein Recht auf Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid zum Zeitpunkt der Einlegung am 1. September 2011 verwirkt hat. Eine Verwirkung ist anzunehmen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde, der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343 f.> und vom 10. August 2000 - 4 A 11.99 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 158 S. 55). Diese Grundsätze gelten im Vermögensrecht uneingeschränkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 11 f.).

15 Gemessen an diesen Voraussetzungen kann derzeit mit Blick auf ein eventuelles besonderes Vertrauen der Beigeladenen nicht festgestellt werden, ob der Kläger sein Widerspruchs- bzw. Klagerecht verwirkt hat. Allerdings hat er die Möglichkeit einer Verpflichtungsklage auf Restitution des Streitgrundstücks über längere Zeit nicht wahrgenommen. Diese Möglichkeit bestand, nachdem das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. dem damals vom Kläger beauftragten Rechtsanwalt S. im November 1997 mitgeteilt hatte, das streitgegenständliche Grundstück sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. Mai 1994 nicht an ihn zurückgewährt worden und weder das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen M. noch das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ... auf die zuletzt im Mai 1998 vorgebrachte Bitte des vom Kläger beauftragten Rechtsanwalts reagierten, einen rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid zu übersenden.

16 Der Umstand, dass der Kläger seine Rechte erst im August bzw. September 2011 und damit dreizehn Jahre nach Beginn der Möglichkeit der gerichtlichen Rechtsverfolgung weiter geltend machte, reicht für die Annahme einer Verwirkung aber nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 12 m.w.N.). Zwar hat die obergerichtliche Rechtsprechung in Fällen, in denen der Betroffene einen derart langen Zeitraum abgewartet hat, dass mit einem Tätigwerden schlechthin nicht mehr zu rechnen war, das Verstreichen des Zeitraums unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung des Rechtsfriedens für die Annahme einer Verwirkung ausreichen lassen (vgl. z.B. VGH München, Urteil vom 26. Februar 2013 - 8 B 11.17 08 - BayVBl. 2013, 629 <629 ff.> <für einen Zeitraum von 43 Jahren> und Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 8 B 12.15 46 - NVwZ-RR 2015, 277 Rn. 18 <für einen Zeitraum von 34 Jahren>). Vorliegend sind aber weder Gründe des Rechtsfriedens noch sonstige Gründe erkennbar, von einem solchen Ausnahmefall bereits nach Verstreichen eines Zeitraums von dreizehn Jahren auszugehen.

17 Besondere Umstände, die die weitere Verfolgung seiner vermögensrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Beklagten oder den Beigeladenen als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 8 C 9.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 55 Rn. 24 ff.), sind nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz und der Aktenlage nicht festgestellt. Es liegt kein bestimmbares (positives) Verhalten des Klägers vor, aus dem der Beklagte hätte schließen können, dass der Kläger seine Ansprüche nicht weiterverfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 12). Insoweit trifft es zwar zu, dass der im Jahr 1996 vom Kläger bestellte Rechtsanwalt S. über den damaligen Verfahrensstand informiert wurde. Daraufhin haben der Kläger und sein Bevollmächtigter die Rechtsverfolgung aber nicht eingestellt, sondern durch die Übersendung einer Originalvollmacht zunächst versucht, in das laufende Widerspruchsverfahren einbezogen zu werden und sodann sowohl gegenüber der Widerspruchsbehörde als auch gegenüber der Ausgangsbehörde die Empfangsberechtigung von Rechtsanwalt F. und die Wirksamkeit der von der Widerspruchsbehörde angenommenen Rücknahme des Widerspruchs bestritten. Zuletzt hat Rechtsanwalt S. nach Aktenlage mit Schreiben vom 11. Mai 1998 die Übersendung eines rechtsbehelfsfähigen Widerspruchsbescheids verlangt, was keinesfalls den Eindruck erwecken kann, die angemeldeten Ansprüche sollten nicht weiterverfolgt werden.

18 3. Dem Kläger war unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsverfolgung hat, wie oben dargelegt, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die begehrte Gewährung von Prozesskostenhilfe.

19 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs.1 GKG.