Beschluss vom 23.03.2016 -
BVerwG 6 B 8.16ECLI:DE:BVerwG:2016:230316B6B8.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.03.2016 - 6 B 8.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:230316B6B8.16.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 8.16

  • VG Minden - 21.03.2012 - AZ: VG 11 K 2573/11
  • OVG Münster - 11.11.2015 - AZ: OVG 9 A 898/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. März 2016
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2015 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 928,44 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Das Oberverwaltungsgericht hat unter Änderung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils festgestellt, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 7. November 2011 über die Festsetzung der Ersatzvornahme betreffend die Entfernung von Büchern und Unterlagen aus der dem Kläger zugewiesenen Wohnung und die Durchführung dieser Ersatzvornahme rechtswidrig waren. Dagegen ist der Kläger mit seinem Begehren, die Beklagte zum Ersatz der Aufwendungen zu verurteilen, die ihm in der von der Beklagten anerkannten Höhe von 928,44 € für den Rücktransport der Bücher und Unterlagen in die Wohnung entstanden sind, in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, die Revisionszulassung für den die Abweisung seines Zahlungsbegehrens betreffenden Teil des Berufungsurteils.

II

2 1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den folgenden Gründen im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

3 2. Der Kläger kann mit seiner auf den Revisionszulassungsgrund des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht durchdringen.

4 Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2015 abgegebene Erklärung, sie rechne gegen die von ihr anerkannte Forderung des Klägers über 928,44 € mit der Gegenforderung aus der Vollstreckung der Bauordnungsverfügung vom 17. Oktober 2002 auf, zu Unrecht als wirksam angesehen. Es fehle der erst am Schluss der mündlichen Verhandlung erklärten Aufrechnung an der Sachdienlichkeit im Sinne des § 173 VwGO i.V.m. § 533 Nr. 1 ZPO. Darüber hinaus sei die Aufrechnungserklärung zu unbestimmt, weil sich der Bauordnungsverfügung der Beklagten vom 17. Oktober 2002 keine Kostenforderung zuordnen lasse und das Oberverwaltungsgericht einen Zusammenhang zwischen der Verfügung vom 17. Oktober 2002 und anderen Kostenforderungen der Beklagten nicht festgestellt habe.

5 Mit diesen Einwänden hat der Kläger eine verfahrensfehlerhafte Behandlung der von der Beklagten im Prozess erklärten Aufrechnung nicht in der durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten Weise dargetan (vgl. zur Einordnung einer unzutreffenden Beurteilung der Wirksamkeit einer Prozessaufrechnung als Verfahrensfehler allgemein: BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 B 68.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 33 S. 21 f.).

6 Es ist nichts dafür ersichtlich, dass entsprechend der von dem Kläger aufgestellten Behauptung eine Aufrechnung allein deshalb dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit widerspricht, der für die Auslegung des Merkmals der Sachdienlichkeit nach § 173 VwGO i.V.m. § 533 Nr. 1 ZPO maßgebend ist, weil sie - wie hier - erst in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts erklärt wird (vgl. zu Konstellationen einer fehlenden Sachdienlichkeit etwa: Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 533 Rn. 1 f., Ball, in: Musielak/Voit <Hrsg.>, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 533 Rn. 14).

7 Was die Bestimmtheit der von der Beklagten erklärten Aufrechnung anbelangt, stützt sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung allein auf den protokollierten Wortlaut der von der Beklagten abgegebenen Erklärung (vgl. GA Bl. 296c). Er vernachlässigt die Feststellungen, die das Oberverwaltungsgericht zur Auslegungsbedürftigkeit und Auslegungsfähigkeit dieser Erklärung getroffen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe die Aufrechnung mit "verschiedenen, in dem Schriftsatz vom 3. November 2015 unter der Ziffer II näher bezeichneten Forderungen aus der Vollstreckung der Bauordnungsverfügung vom 17. Oktober 2002 in einer Gesamthöhe von 6.388,76 Euro erklärt" (UA S. 18 f., vgl. auch UA S. 7). Durch diese Formulierung hat das Oberverwaltungsgericht auf Bescheide aus den Jahren 2003 bis 2005 Bezug genommen, in denen die Beklagte wegen der in der Bauordnungsverfügung vom 17. Oktober 2002 beschriebenen baurechtswidrigen Zustände auf einem dem Kläger gehörenden Grundstück von dem Kläger zu erstattende Ersatzvornahmekosten festgesetzt hat (UA S. 19 i.V.m. dem in der Gerichtsakte - Bl. 237 ff. - enthaltenen Abdruck des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 9. März 2006 - 9 K 2678/05 -). Das Oberverwaltungsgericht hat sodann durch Anwendung der in § 396 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 366 Abs. 2 BGB enthaltenen Auslegungsregel bestimmt, in welcher Reihenfolge diese - noch nicht verjährten - Kostenfestsetzungen von der Aufrechnung erfasst worden sind (UA S. 19 ff.). Diesen Bedeutungsgehalt der Aufrechnungserklärung der Beklagten, der nach Feststellung des Oberverwaltungsgerichts in dem Berufungsverfahren zu Tage getreten ist, vermag der Kläger mit seiner Beschwerdebegründung nicht in Frage zu stellen.

8 3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.