Beschluss vom 24.07.2019 -
BVerwG 4 B 1.18ECLI:DE:BVerwG:2019:240719B4B1.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.07.2019 - 4 B 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:240719B4B1.18.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 1.18

  • VGH Kassel - 12.09.2017 - AZ: VGH 9 C 1498/12.T

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Schluss-Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. September 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag der Antragsteller auf gerichtlichen Eilrechtsschutz gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wird abgelehnt.
  3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 1 bis 3, zu 4 bis 7, zu 8 bis 11 und zu 12 und 13 jeweils als Gesamtschuldner je 1/4. Die Kosten des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller (Kläger zu 4 und 5) als Gesamtschuldner.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren für die Kläger bzw. Antragsteller zu 1 bis 3, zu 4 bis 7, zu 8 bis 11 und zu 12 und 13 auf jeweils 20 000 € und insgesamt auf 80 000 € und für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. Dezember 2007 für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main in der Gestalt, die er durch die Planergänzungsbeschlüsse vom 10. Mai 2013 und vom 26. Mai 2014 erhalten hat.

2 Gegen den Planfeststellungsbeschluss hatten auch zahlreiche andere Anlieger des Flughafens Klage erhoben. Von diesen Klagen hatte der Verwaltungsgerichtshof elf Klageverfahren als Musterverfahren ausgewählt und die übrigen Klageverfahren, unter anderem dasjenige der Kläger, ausgesetzt.

3 In den Musterverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten mit Urteil vom 21. August 2009 unter Aufhebung des entgegenstehenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr (bisher 17 Flugbewegungen) sowie über den Bezugszeitraum für die Zulassung von durchschnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen.

4 Auf die Revision der Kläger hat der Senat mit Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - (BVerwGE 142, 234) das Verfahren der Musterklägerin Stadt Raunheim (Verfahren 4 C 1.10 ) eingestellt, soweit es in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden war; die Erledigungserklärungen waren abgegeben worden, nachdem der Beklagte die Beigeladene zur Durchführung von Schutzvorkehrungen gegen Schäden durch Wirbelschleppen an Grundstücken der Musterklägerin in einem näher festgelegten Bereich verpflichtet hatte. Unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils hat der Senat den Beklagten verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr (bisher 17 Flugbewegungen) sowie über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, soweit diese durchschnittlich 133 je Nacht übersteigen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen hat er die Musterklagen abgewiesen.

5 Nachdem über die Musterklagen rechtskräftig entschieden worden war, hat der Verwaltungsgerichtshof die ausgesetzten Verfahren fortgesetzt. Im Verfahren der Kläger hat er hinsichtlich bestimmter Anträge von der nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, und die Klagen durch Teil-Beschluss vom 12. April 2016 - mittlerweile rechtskräftig - abgewiesen.

6 Zu entscheiden war noch über beantragte weitere Betriebseinschränkungen auf der Landebahn Nordwest für Flugzeuge der Kategorien "Heavy" sowie für die Boeing 757 wegen drohender Schäden durch Wirbelschleppen sowie über die Anträge eines Teils der Kläger auf Anordnung von Schutzvorkehrungen durch Dachklammerung oder Aufwendungsersatz. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klagen, soweit nicht hinsichtlich bestimmter Anträge übereinstimmend für erledigt erklärt, mit dem angegriffenen Schluss-Urteil abgewiesen. Die Revision hat er nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Beschwerde.

7 Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO haben die Antragsteller beantragt, unter Änderung des Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Januar 2009 (11 B 360/08.T) die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 18. Dezember 2007 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt Main insoweit anzuordnen, als darin die Landung von Luftfahrzeugen der Wirbelschleppenkategorie "Heavy" (Abflugmassen über 136 000 kg) und der Boeing B 757 bei Betriebsrichtung 07 auf der Landebahn Nordwest zugelassen worden ist.

II

8 A. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger bleibt ohne Erfolg.

9 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

10 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 2).

11 a) Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde die Frage auf,
ob dem Gebot der Problembewältigung in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung bereits dann Genüge getan ist, wenn das von dem zugelassenen Vorhaben ausgehende erhöhte Sicherheitsrisiko für schutzwürdige
Rechtsgüter der Kläger, darunter auch Leben und Gesundheit, zwar noch oberhalb des Restrisikos, aber unterhalb der Schwelle der (konkreten) Gefahr liegt.

12 Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen.

13 Die Beschwerde macht geltend, nach dem Vortrag der Kläger hätten die in den Planergänzungsbeschlüssen vom 10. Mai 2013 und vom 26. Mai 2014 angeordneten Maßnahmen die durch Wirbelschleppen hervorgerufenen Sicherheitsrisiken nicht reduziert; diese lägen bis zur Stunde jenseits der fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe diesen Vortrag und den darauf gestützten Beweisantrag für unbeachtlich gehalten, weil die Kläger nicht dargelegt hätten, dass das durch Wirbelschleppen ausgelöste Sicherheitsrisiko die Schwelle der (konkreten) Gefahr erreiche. Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum rechtsstaatlichen Abwägungsgebot bei der Festlegung von Flugverfahren (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 4 C 3.13 - BVerwGE 150, 114 Rn. 17) habe sich der Verwaltungsgerichtshof damit auf den Standpunkt gestellt, dass dem Gebot der Problembewältigung nicht erst dann Genüge getan werde, wenn das vorhabenbedingt erhöhte Risiko für schutzwürdige Rechtsgüter auf das Niveau des allgemeinen Lebensrisikos reduziert werden könne, sondern schon dann, wenn es zwar noch oberhalb des Restrisikos, aber unterhalb der Schwelle der (konkreten) Gefahr liege. Bisher fehle jedoch eine höchstrichterliche Aussage dazu, ob die Rechtsprechung zur Flugroutenplanung auf die Planfeststellung von Flughafeninfrastruktur angewandt werden könne.

14 Anders als die Beschwerde ihrer Frage als Prämisse unterlegt, hat der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung nicht tragend darauf gestützt, dass das durch Wirbelschleppen ausgelöste Sicherheitsrisiko aufgrund der in den Planergänzungsbeschlüssen angeordneten Schutzmaßnahmen die Schwelle der (konkreten) Gefahr nicht erreiche. Er (UA S. 46) hat zwar den im Urteil des Senats vom 26. Juni 2014 - 4 C 3.13 - (BVerwGE 150, 114 Rn. 17) formulierten Rechtssatz wiedergegeben, dass dem Gebot der Problembewältigung schon dann Genüge getan werde, wenn das von dem zugelassenen Vorhaben ausgehende erhöhte Risiko unterhalb der Schwelle der (konkreten) Gefahr liege, und hierzu festgestellt, dass eine Überschreitung der Schwelle einer (konkreten) Gefahr seitens der Kläger schon nicht substantiiert dargetan worden sei. Zuvor hat er allerdings klargestellt, dass das Gebot der Problembewältigung im Planfeststellungsverfahren aus seiner Sicht keine Maßnahme der Gefahrenabwehr darstelle, sondern eine Maßnahme der Risikominimierung. Zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze hat er auf die allgemeinen Grundsätze des Immissionsschutzrechts zurückgegriffen (UA S. 27). Dass das Risiko Einzelner, durch Wirbelschleppen geschädigt zu werden, trotz der verfügten Sicherungsmaßnahmen die Schwelle der Unzumutbarkeit überschreite, sei nicht festzustellen. Die mit den Planergänzungsbeschlüssen angeordnete Sicherung der Dachziegel durch Verklammerung sei eine geeignete und zumutbare Maßnahme zur Minimierung des von Wirbelschleppen in der Stadt Flörsheim ausgehenden Risikos für das Eigentum und die körperliche Unversehrtheit der Kläger (UA S. 42). Etwas anderes folge auch nicht aus dem Vortrag der Kläger, dass bis zum heutigen Zeitpunkt nur ein Teil der betroffenen Dächer in Flörsheim geklammert worden sei und die Quote der gesicherten Dächer letztlich nicht wesentlich über 50 % steigen werde. Für die Beurteilung der Geeignetheit passiver Schutzmaßnahmen sei dieser Vortrag unerheblich, weil eine zögerliche Antragstellung und dadurch bedingte Verzögerungen bei der Risikominimierung weder der Planfeststellungsbehörde noch der Vorhabenträgerin angelastet werden könnten. Im Übrigen ergebe sich auch dann eine statistische Minderung des Risikos, wenn es - wie von den Klägern behauptet - bei einer Dachsicherung von etwa der Hälfte aller Dächer in Flörsheim bleiben sollte (UA S. 46). Hiervon sei aber nicht auszugehen, weil jeder Betroffene nach den zivilrechtlichen Regelungen die Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren zu tragen habe, was nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer baldigen Antragstellung Betroffener beitragen dürfte. Für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend war mithin, dass mit Hilfe der angeordneten Sicherungsmaßnahmen die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle unterschritten werden könne, nicht jedoch, dass wegen der Maßnahmen die Schwelle der (konkreten) Gefahr nicht erreicht werde, auf die die Beschwerde in der aufgeworfenen Frage abhebt. Der Handlungsbedarf, den der Verwaltungsgerichtshof ausgemacht und den die Planfeststellungsbehörde bedient hat, resultiert daraus, dass ohne Anordnungen von Schutzvorkehrungen die Sicherheitsrisiken durch Wirbelschleppen auf den betroffenen Grundstücken die fachplanerische Zumutbarkeitsgrenze erreichten oder überschritten (UA S. 25). Die Beschwerde wendet sich in Wahrheit gegen die Wertung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die verfügten Sicherheitsmaßnahmen eine Unterschreitung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle gewährleisteten. Eine Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision allerdings nicht.

15 b) Soweit die Beschwerde klären lassen möchte,
ob die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung, die einer Anordnung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zugrunde liegt, mit der sie dem Vorhabenträger aufgibt, dem planbetroffenen Dritten finanziellen Ersatz für Aufwendungen zu leisten, die dieser für erforderliche Schutzmaßnahmen aufgebracht hat (Schutzauflage in der Form des Aufwendungsersatzes), auch den Aufwand ermitteln muss, der dem Dritten durch die physisch-reale Vornahme der betreffenden Schutzmaßnahmen entsteht,
fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Frage.

16 Welche Umstände die Planfeststellungsbehörde bei der Anordnung einer Schutzauflage nach § 74 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG im Rahmen der Abwägung ermitteln und bewerten muss, ist eine Frage des Einzelfalls und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 50 ff.) hat sich mit dieser Frage befasst. Er hat nicht in Abrede gestellt, dass die Sicherung von Dächern für die Betroffenen mit einen (Mehr-)Aufwand und Unwägbarkeiten, beispielsweise bei der Kostenerstattung, verbunden sein können. Er hat sich aber auf den Standpunkt gestellt, dass die Planergänzungsbeschlüsse den Anforderungen des § 74 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG genügten, weil die betroffenen Grundeigentümer wählen könnten, ob sie die angeordneten Maßnahmen zur Dachsicherung gegen Erstattung der Aufwendungen selbst durchführen oder durch einen von ihnen beauftragten Handwerker durchführen lassen oder aber von der Vorhabenträgerin auf deren Kosten vornehmen lassen wollen. Damit liegt der Verwaltungsgerichtshof auf der Linie der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 4. Mai 2017 - 4 B 57.15 - ZLW 2017, 548 Rn. 16), der mit Blick auf dieses Wahlrecht einen Eingriff in das Eigentum der von den Schutzauflagen betroffenen Grundeigentümer verneint hat. Aufgrund dieses Wahlrechts können die betroffenen Grundeigentümer auch den Aufwand vermeiden, der ihnen entsteht, wenn sie die Sicherungsmaßnahmen selbst durchführen oder durch einen von ihnen beauftragten Handwerksbetrieb durchführen lassen. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Es fehlt jede Darlegung, warum die aufgeworfene Frage gleichwohl grundsätzlich klärungsbedürftig sein soll.

17 c) Nicht entscheidungserheblich ist auch die Frage,
ob es für eine Schutzauflage in der Form des Aufwendungsersatzes nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auch dann unerheblich ist, ob diese das betreffende Sicherheitsrisiko physisch-real reduziert, wenn das Sicherheitsrisiko nicht nur den durch die Schutzmaßnahme begünstigten Grundeigentümer, sondern auch Dritte betrifft.

18 Die Beschwerde trägt vor, der Verwaltungsgerichtshof habe den Beweisantrag der Kläger zum Beweis der Tatsache, dass die Zahl der Wirbelschleppenereignisse in Flörsheim-Kernstadt, bei denen Dachziegel aus ihrem Verbund gelöst und zum Absturz gebracht wurden, pro Jahr seit Juli 2013 in derselben Größenordnung liege, wegen fehlender Beweisbedürftigkeit zurückgewiesen. Damit habe der Verwaltungsgerichtshof die tatsächliche Feststellung getroffen, dass das Dachklammerprogramm die Zahl der wirbelschleppenbedingten Ziegelabwürfe in Flörsheim nicht signifikant habe reduzieren können. Dieser Vortrag geht an den Annahmen des angegriffenen Urteils vorbei.

19 Richtig ist zwar, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 42) die von den Klägern beantragte Einholung einer amtlichen Auskunft zur Größenordnung der Wirbelschleppenereignisse in Flörsheim-Kernstadt wegen fehlender Beweisbedürftigkeit abgelehnt hat. Unzutreffend ist jedoch der von der Beschwerde hieraus gezogene Schluss, der Verwaltungsgerichtshof habe damit die tatsächliche Feststellung getroffen, dass das Dachklammerprogramm die Zahl der wirbelschleppenbedingten Ziegelabwürfe in Flörsheim nicht signifikant habe reduzieren können. Das Gegenteil ist der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Anzahl der von den Klägern selbst vorgetragenen Schadensfälle (Tabelle im Schriftsatz der Kläger vom 11. September 2017) entnommen, dass sich das Risiko wirbelschleppenbedingter Ziegelabwürfe in Flörsheim statistisch gemindert habe, denn danach hätten sich gegenüber einer relativ hohen Anzahl von Schadensfällen im Jahr 2013 im Jahr 2015 nur noch ein, im Jahr 2016 zwei und im Jahr 2017 drei solcher Fälle ereignet (UA S. 46). Anders als der aufgeworfenen Frage als Prämisse unterlegt, hat der Verwaltungsgerichtshof deshalb auch nicht angenommen, dass es für eine Schutzauflage, die nicht nur die begünstigten Grundeigentümer, sondern auch Dritte schützen soll, unerheblich ist, ob diese das wirbelschleppenbedingte Sicherheitsrisiko physisch-real reduziert.

20 d) Schließlich führen die Fragen,
ob auch jener Teil einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung, der nach Inbetriebnahme einer Anlage nachgeholt worden ist, die künftigen Umweltauswirkungen der Anlage erfassen muss, oder ob sich die Umweltverträglichkeitsprüfung in jedem Teil, der nach Inbetriebnahme der Anlage nachgeholt worden ist, darauf beschränken kann, die seit der Inbetriebnahme der Anlage eingetretenen Umweltauswirkungen zu erfassen,
und ob im Fall der Nachholung eines Teils einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung auf eine ergänzende Beteiligung der Öffentlichkeit und eine zusammenfassende Darstellung, die den nachgeholten Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung berücksichtigt, auch dann verzichtet werden kann, wenn die Nachholung des Teils der erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt, dass zusätzliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind,
nicht zur Zulassung der Revision.

21 aa) Mit der ersten Frage wendet sich die Beschwerde gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 35), die dem Planfeststellungsbeschluss in seiner aktuellen Gestalt insgesamt zugrunde liegende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sei nicht zu beanstanden, weil die zunächst durchgeführte UVP, die nach Ansicht der Kläger aufgrund der Fehler in dem als Teil der UVP zu betrachtenden Gutachten G 1 an durchgreifenden Mängeln leide, durch die während des anhängigen Gerichtsverfahrens eingeholten Gutachten ordnungsgemäß ergänzt worden sei. Die Beschwerde kritisiert, die fehlerhafte Prognose der Eintrittswahrscheinlichkeit im Gutachten G 1 wirke schon deshalb fort, weil die ergänzenden Gutachten auf einer Analyse der in den Jahren 2013 und 2014 gemeldeten Schadensfälle beruhten und keine auf den Planfall 2020 bezogenen Feststellungen bzw. Prognosen zur Eintrittswahrscheinlichkeit von Wirbelschleppenschäden enthielten. Es liege auf der Hand, dass eine Wirbelschleppenprognose, die auf den Planfall 2020 bezogen sei, wegen der wesentlich größeren Zahl der Flugbewegungen und des erhöhten Anteils schwerer Flugzeuge zu einer höheren Eintrittswahrscheinlichkeit für Wirbelschleppenereignisse in Flörsheim führe, als dies bei der bloßen Ex-Post-Schadensanalyse für die Jahre 2013 und 2014 in den ergänzenden Gutachten der Fall gewesen sei.

22 Die Frage wäre schon nicht entscheidungserheblich. Denn der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 35) ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass sich aus der nunmehr von der Planfeststellungsbehörde zugrunde gelegten Schadensanalyse für die Zukunft auch eine Eintrittswahrscheinlichkeit für Wirbelschleppen herleiten lasse. Im Übrigen hängt die Frage, ob sich ergänzende Gutachten darauf beschränken können, ein bereits vorliegendes, möglicherweise fehlerhaftes Gutachten in der Weise zu ergänzen, die seit der Inbetriebnahme der Anlage eingetretenen Umweltauswirkungen zu erfassen, von den Umständen des Einzelfalls ab und ist einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (so bereits BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 4 B 39.15 - juris Rn. 39). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juli 2017 - Rs. C-196 und 197/16 - (ECLI:EU:C:2017:589 = DVBl 2017, 1365), auf das sich die Beschwerde beruft, weil es dort um die Nachholung einer (vollständig) unterbliebenen UVP gegangen ist, während es hier um die Ergänzung eines möglicherweise fehlerhaften Gutachtens einer durchgeführten UVP geht.

23 bb) Die zweite Frage hat das Erfordernis einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit zum Gegenstand. Die Beschwerde bemängelt, dass der Beklagte die Planergänzungsbeschlüsse ohne weitere Öffentlichkeitsbeteiligung erlassen habe, obwohl die ergänzenden Gutachten erhebliche zusätzliche Umweltauswirkungen durch Wirbelschleppen ermittelt hätten. Die Beschwerde verfehlt die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine genaue Prognose der Größenordnung der Eintrittswahrscheinlichkeit hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem deshalb für entbehrlich gehalten, weil der Beklagte die Schutzvorkehrungen unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit der Schadensereignisse angeordnet habe (UA S. 35 f.). Hierauf geht die Beschwerde nicht ein. Im Übrigen hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der Beteiligungsvorschriften in § 22 Abs. 2 Satz 2 UVPG n.F. bestimmt, dass zusätzliche erhebliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen dann nicht zu besorgen sind und die zuständige Behörde von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit absehen soll, wenn solche Umweltauswirkungen durch die vom Vorhabenträger vorgesehenen Vorkehrungen ausgeschlossen werden. Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof vorliegend ausgegangen. Die Beschwerde setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit dem Gesichtspunkt des Ausschlusses erheblicher Umweltauswirkungen durch Schutzvorkehrungen bereits vor der gesetzlichen Neuregelung Bedeutung beizumessen war.

24 2. Das angegriffene Urteil leidet auch nicht unter den geltend gemachten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

25 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag der Kläger zu den Gefahren, die ihnen in Flörsheim drohten, wenn sie sich dort als Verkehrsteilnehmer oder in anderer Funktion wie etwa als Besucher aufhalten, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

26 Die Beschwerde trägt vor, die Kläger hätten stets betont, dass die ihnen drohende Gefahr insbesondere von Dachziegeln ausgehe, die durch Wirbelschleppen von Dächern gelöst würden, die nicht in ihrem Eigentum stehen. Dennoch schreibe das Erstgericht in dem angegriffenen Schluss-Urteil, dass es die Betroffenen letztlich selbst in der Hand hätten, ob sie von den von der Planfeststellungsbehörde angeordneten passiven Schutzmaßnahmen Gebrauch machten oder nicht. Mit der Identität von Gefahrbetroffenen und Anordnungsbegünstigten habe der Verwaltungsgerichtshof eine Tatsache unterstellt, die dem Vortrag der Kläger widerspreche. Es bleibe das Geheimnis des Verwaltungsgerichtshofs, auf welchem Wege es die Kläger in der Hand haben sollen, dass Dächer von Häusern, die ihnen nicht gehörten, geklammert werden. Die Rüge geht an den Annahmen des angegriffenen Schluss-Urteils vorbei.

27 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verletzungsgefahr der Kläger durch herabfallende Dachziegel anderer Häuser neben der Zumutbarkeit des Wirbelschleppenrisikos für die betroffenen Grundeigentümer an unterschiedlichen Stellen des angegriffenen Schluss-Urteils (UA S. 46, 48 und 51) angesprochen, nur hat er hieraus nicht die Schlussfolgerungen gezogen, die die Kläger für richtig halten. Mit einem Gehörsverstoß hat dies nichts zu tun.

28 b) Ein Gehörsverstoß ist auch nicht dargetan, soweit die Kläger zur künftigen Entwicklung des Dachsicherungsprogramms vorgetragen und hierzu Beweisanträge gestellt haben.

29 Die Beschwerde verweist auf den Vortrag der Kläger, dass für die Zeit zwischen dem 10. Mai 2013 und dem 16. April 2015 durchschnittlich 32,78 Neuanträge auf Dachklammerung pro Monat gestellt worden seien, während für den Zeitraum zwischen dem 23. Mai 2017 und dem 24. August 2017 nur mehr rund neun Neuanträge pro Monat registriert worden seien, und dass sich daraus eine geradezu klassische "Zerfallskurve" ergebe, aus der zu schließen sei, dass das Dachsicherungsprogramm voraussichtlich in ca. elf Monaten zum Erliegen kommen und mit lediglich rund 60 weiteren Neuanträgen auf Sicherung von Dächern in Flörsheim zu rechnen sein werde. Die Beschwerde rügt, diesen Vortrag habe der Verwaltungsgerichtshof vollständig entstellt, dessen Kern scheine er weder erkannt noch erwogen zu haben. Im diametralen Gegensatz zum Vortrag der Kläger sei der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Zahl der Neuanträge pro Zeiteinheit bis September 2017 nicht wesentlich zurückgegangen sei.

30 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag der Kläger zur Antragsentwicklung zur Kenntnis genommen (UA S. 45). Er hat aber ihre Prognose angezweifelt, dass das Dachsicherungsprogramm zum Erliegen kommen werde. Nach seinem Dafürhalten hängt es wegen der Freiwilligkeit der Maßnahmen von einer Reihe schwer erfassbarer Faktoren ab, wie sich die Dachsicherungen in Flörsheim entwickeln (UA S. 45 f.). Diese Einschätzung ist der Gehörsrüge nicht zugänglich. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag zudem für unerheblich gehalten: Eine zögerliche Antragstellung und dadurch bedingte Verzögerungen bei der Risikominimierung könnten weder der Planfeststellungsbehörde noch der Vorhabenträgerin angelastet werden. Im Übrigen ergebe sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs auch dann eine statistische Minderung des Risikos, wenn es - wie von den Klägern behauptet - bei einer Dachsicherung von etwa der Hälfte aller Dächer in Flörsheim bleiben sollte. Hiervon sei angesichts des zivilrechtlichen Haftungsrisikos der Grundeigentümer aber nicht auszugehen.

31 c) Unberechtigt ist schließlich der Vorwurf der Beschwerde, der Verwaltungsgerichtshof habe wesentlichen Vortrag der Kläger zur Entwicklung der Größenordnung der Wirbelschleppenereignisse in Flörsheim-Kernstadt ignoriert.

32 Die Beschwerde kritisiert die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 46), dass eine statistische Minderung des Risikos aus der Anzahl der von den Klägern selbst vorgetragenen Schadensfälle (Tabelle im Schriftsatz der Kläger vom 11. September 2017) hervorgehe, wonach sich gegenüber einer relativ hohen Anzahl im Jahr 2013 im Jahr 2015 nur noch ein, im Jahr 2016 zwei und im Jahr 2017 drei solcher Fälle ereignet hätten. Mit dieser Aussage gebe der Verwaltungsgerichtshof zu erkennen, dass er wesentlichen Vortrag der Kläger ignoriert habe. Diese hätten nämlich erklärt und unter Beweis gestellt, dass die Zahl der Wirbelschleppenereignisse in Flörsheim-Kernstadt pro Jahr seit Juli 2013 in derselben Größenordnung liege. Noch auf Seite 42 des Urteilsabdrucks habe der Verwaltungsgerichtshof diesem Tatsachenvortrag zugestimmt, um auf Seite 46 des Urteilsabdrucks das Gegenteil anzunehmen und den Klägern einen Vortrag zu unterstellen, wonach die Anzahl der Wirbelschleppenereignisse seit 2013 wesentlich zurückgegangen sei.

33 Auch damit ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Der von der Beschwerde konstruierte Widerspruch zwischen den beiden Textstellen in den Entscheidungsgründen liegt nicht vor. Auf Seite 42 des Urteilsabdrucks hat der Verwaltungsgerichtshof die klägerseits beantragte Einholung einer amtlichen Auskunft (unter anderem) darüber, dass die Zahl der Wirbelschleppenereignisse in Flörsheim-Kernstadt pro Jahr seit Juli 2013 in derselben Größenordnung liege, wegen fehlender Beweisbedürftigkeit für entbehrlich gehalten. Dass er damit der klägerseits behaupteten Beweistatsache zugestimmt oder diese als wahr unterstellt hätte, trifft nicht zu.

34 B. Mit der Zurückweisung der Beschwerde ist der Antrag der Antragsteller im Verfahren gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gegenstandslos.

35 Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 und 2, § 159 Satz 1 und 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 18.05.2020 -
BVerwG 4 B 35.19ECLI:DE:BVerwG:2020:180520B4B35.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.05.2020 - 4 B 35.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:180520B4B35.19.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 35.19

  • VGH Kassel - 12.09.2017 - AZ: VGH 9 C 1498/12.T

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 24. Juli 2019 - 4 B 1.18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger zu 1 bis 3, zu 4 bis 7, zu 8 bis 11 und zu 12 und 13 tragen die Kosten des Rügeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils als Gesamtschuldner zu je 1/4.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO hat keinen Erfolg.

2 Die Kläger machen geltend, der Senat habe Beschwerdevorbringen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht zur Kenntnis genommen und erwogen. Diese Rüge ist nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Sie haben daher keinen Anspruch auf Fortführung des Verfahrens nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO.

3 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht lediglich dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, ihrer (Rechts-)Auffassung zu folgen. Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 31. Januar 2020 - 2 BvR 2592/18 - NStZ 2020, 115 = juris Rn. 11 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Dagegen ist die Anhörungsrüge kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Sie gibt dem unterlegenen Verfahrensbeteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine Entscheidung anhand der Einwände noch einmal überdenkt und, wenn es an ihr festhält, durch eine ergänzende oder vertiefende Begründung rechtfertigt (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 4 A 6.19 - juris Rn. 4). Die Anhörungsrüge dient namentlich nicht dazu, die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen zu überprüfen (BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2009 - 3 B 3.09 - juris Rn. 5 und vom 23. August 2016 - 4 B 25.16 - juris Rn. 15).

4 1. Der Senat hat die zum Gebot der Problembewältigung in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung formulierte Grundsatzfrage zur Kenntnis genommen und sich damit befasst (BA Rn. 11 ff.). Er hat sie als nicht entscheidungserheblich erachtet, weil der Verwaltungsgerichtshof tragend darauf abgestellt habe, dass die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle mit Hilfe der in den Planergänzungsbeschlüssen angeordneten Sicherungsmaßnahmen unterschritten werde (BA Rn. 14). Die Beschwerde hält diese Auslegung für fehlerhaft. Das führt nicht auf einen Gehörsverstoß. Namentlich stellt die von den Klägern für richtig gehaltene Auslegung nicht die einzig "vertretbare Analyse" des Urteils dar. Die einleitenden Ausführungen zu § 74 Abs. 2 und 3 HVwVfG (UA S. 25) zeigen, dass der Verwaltungsgerichtshof seiner Würdigung die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle zugrunde gelegt hat.

5 2. Die Rüge, der Senat habe die Frage zur Abwägungsrelevanz des Aufwands für die physisch-reale Vornahme von Schutzmaßnahmen nicht als Frage grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gewürdigt, missversteht die Ausführungen im Beschluss vom 24. Juli 2019. Der Beschluss verneint die Entscheidungserheblichkeit der als grundsätzlich bezeichneten Frage, weil die betroffenen Grundeigentümer den Aufwand nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs durch das ihnen eingeräumte Wahlrecht vermeiden können (BA Rn. 16). In diesem Fall muss der Aufwand nicht ermittelt und abgewogen werden. Warum die Frage nach der Abwägungsrelevanz gleichwohl entscheidungserheblich sein soll, erschließt sich nicht. Die Zulassung einer Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt aber die Entscheidungserheblichkeit der für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Frage voraus (vgl. BA Rn. 10 m.w.N.).

6 3. Der Senat hat das Vorbringen zu der Frage, ob es für eine Schutzauflage in Form des Aufwendungsersatzes nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG unerheblich ist, ob das Sicherheitsrisiko reduziert wird, wenn es nicht nur den durch die Schutzmaßnahme begünstigten Grundeigentümer, sondern auch Dritte betrifft, zur Kenntnis genommen und sich dazu verhalten. Der Verwaltungsgerichtshof habe nicht angenommen, dass rechtlich unerheblich sei, ob das wirbelschleppenbedingte Sicherheitsrisiko durch die Schutzauflage physisch-real reduziert wird (BA Rn. 19). Valide Anhaltspunkte für die Behauptung, das Dachklammerprogramm in Flörsheim werde im Ergebnis nur max. 50 % der von der Wirbelschleppengefahr betroffenen Dächer erfassen, hat die Vorinstanz verneint (UA S. 45). Insoweit fehlt es schon an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen. Ab welchem physisch-realen Erfüllungsgrad eine signifikante Risikominderung anzunehmen ist, ist eine Frage des Einzelfalls.

7 4. a) Fehl geht auch die Rüge, der Senat habe die Frage übergangen, ob bei teilweiser Nachholung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) die künftigen Umweltauswirkungen erfasst werden müssen oder es ausreicht, die seit Inbetriebnahme der Anlage eingetretenen Umweltauswirkungen zu betrachten. Der Beschluss sieht die Frage als nicht entscheidungserheblich an, weil die Vorinstanz die nachträglich vorgelegte Schadensanalyse auch als geeignete Grundlage für die Prognose zukünftiger Umweltauswirkungen bewertet habe. Im Übrigen müsse die Frage, ob sich ergänzende UVP-Gutachten darauf beschränken können, die seit der Inbetriebnahme einer Anlage eingetretenen Umweltauswirkungen zu erfassen, anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und sei einer verallgemeinerungsfähigen, rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. Juli 2017 - Rs. C-196/16 und C-197/16 - [ECLI:EU:C:2017:589) erachtet der Beschluss als nicht einschlägig (BA Rn. 22). Die Kläger halten das für rechtsfehlerhaft. Diese Kritik zielt aber nicht auf einen Gehörsverstoß.

8 b) Die Kläger vermissen Ausführungen zu der Frage, ob bei teilweiser Nachholung einer UVP auf eine ergänzende zusammenfassende Darstellung verzichtet werden kann, wenn die nachgeholte Prüfung ergibt, dass zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Der Senat habe sich insoweit nur zum Erfordernis einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung verhalten. Diese Rüge geht an der Begründung des Beschlusses vom 24. Juli 2019 vorbei. Danach verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen, weil der Verwaltungsgerichtshof die mit der aufgeworfenen Grundsatzfrage unterstellten erheblichen zusätzlichen Umweltauswirkungen durch Wirbelschleppen aufgrund der Schutzvorkehrungen verneint hat (BA Rn. 23). Diese Feststellung gilt gleichermaßen für die zusammenfassende Darstellung.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 und 2 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV zu § 3 Abs. 2 GKG, einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Beschluss vom 18.05.2020 -
BVerwG 4 KSt 2.19ECLI:DE:BVerwG:2020:180520B4KSt2.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.05.2020 - 4 KSt 2.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:180520B4KSt2.19.0]

Beschluss

BVerwG 4 KSt 2.19

  • VGH Kassel - 12.09.2017 - AZ: VGH 9 C 1498/12.T
  • Bundesverwaltungsgericht - 24.07.2019 - AZ: BVerwG 4 B 1.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss vom 24. Juli 2019 (4 B 1.18 ) wird geändert:
  2. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren für die Kläger zu 1 bis 3, zu 4 bis 7, zu 8 bis 11 und zu 12 und 13 auf jeweils 8 750 € und insgesamt auf 35 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Auf die Anregung der Beschwerdeführer wird die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 24. Juli 2019 im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (4 B 1.18 ) geändert.

2 1. Der Senat versteht den als Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf als Anregung, den Streitwert nach § 63 Abs. 3 GKG zu ändern. Als Beschwerde ist der Rechtsbehelf gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 und 3 GKG nicht statthaft, weil der angegriffene Streitwertbeschluss vom Bundesverwaltungsgericht erlassen worden ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. April 2016 - 3 KSt 1.16 - Rn. 2 und vom 15. September 2015 - 9 KSt 2.15 - Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 17 Rn. 1). Die Anregung ist innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingegangen; die Entscheidung kann in diesem Fall auch nach Ablauf der Frist ergehen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 14. August 2019 - 6 A 2608/18.Z - NVwZ-RR 2020, 376 Rn. 2).

3 2. Der Senat nimmt die Anregung zum Anlass, den für das Beschwerdeverfahren festgesetzten Streitwert von 20 000 € je Kläger(-gemeinschaft) und 80 000 € insgesamt zu ändern.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Haupt- und Hilfsanträge der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt Main mit Teil-Beschlüssen vom 12. April 2016 und vom 25. Juli 2017 sowie Schlussurteil vom 12. September 2017 (9 C 1498/12.T) entschieden. In den Teil-Beschlüssen blieb die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten; Streitwerte wurden nicht festgesetzt. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Teilbeschluss vom 12. April 2016 hat der Senat mit Beschluss vom 14. Juni 2017 (4 B 22.16 ) zurückgewiesen und den Streitwert (für fünf Klägergemeinschaften) auf 56 250 € festgesetzt. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Teilbeschluss vom 25. Juli 2017 haben die Kläger zurückgenommen. Gegenstand der mit Beschluss vom 24. Juli 2019 (4 B 1.18 ) zurückgewiesenen Nichtzulassungsbeschwerde war das Schlussurteil vom 12. September 2017. Nach den Feststellungen im Tatbestand des Urteils (UA S. 12 f. und S. 17) ist über einen Großteil der Klageanträge bereits mit den Teil-Beschlüssen entschieden worden. Zuletzt wurde nur noch über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zur Nachtzeit sowie weitere Betriebseinschränkungen durch Teilsperrung der Landebahn Nordwest für bestimmte Flugzeugkategorien und Schutzvorkehrungen gegen Wirbelschleppen durch Dachklammerung gestritten (UA S. 21). Im Schlussurteil hat der Verwaltungsgerichtshof einheitlich über die Kosten des Verfahrens entschieden und den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 100 000 € - 20 000 € je Klägergemeinschaft - festgesetzt (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 12. September 2017).

5 Die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 24. Juli 2019 folgt dem Ansatz, je Klägergemeinschaft einen Streitwert von 20 000 € zugrunde zu legen. Sie berücksichtigt aber nicht, dass im Beschluss vom 14. Juni 2017 (4 B 22.16 ) bereits ein Streitwert von 56 250 € (entspricht 11 250 € je - seinerzeit noch fünf - Klägergemeinschaft) festgesetzt wurde. Es ist daher sachangemessen, für das Beschwerdeverfahren 4 B 1.18 einen Streitwert von 8 750 € je Klägergemeinschaft und insgesamt von 35 000 € festzusetzen. Zur Streitwertfestsetzung für den Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wird auf den Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren 4 KSt 3.19 verwiesen.

6 Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.