Beschluss vom 27.11.2018 -
BVerwG 8 B 34.18ECLI:DE:BVerwG:2018:271118B8B34.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.11.2018 - 8 B 34.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:271118B8B34.18.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 34.18

  • VG Berlin - 03.05.2018 - AZ: VG 29 K 170.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. November 2018
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beklagte stellte mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. Oktober 2011 fest, dass der Kläger Berechtigter in Höhe von 37,89% bezüglich der unmittelbaren Beteiligung von Herrn Dr. S. F. an der ehemaligen Chemischen Fabrik H. AG und Berechtigter in Höhe von 17,01% bezüglich der mittelbaren Beteiligung des ehemaligen Bankhauses B. & F. an dem genannten Unternehmen ist. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rückübertragung der Tapetenfabrik C. GmbH und des Tapetenhauses Ha. & Co. GmbH sowie von Anteilsrechten an diesen Unternehmen und deren Vermögenswerten ab und stellte fest, dass ein gesonderter Entschädigungsanspruch nicht bestehe. Die hiergegen gerichtete Klage zielt auf eine Verpflichtung der Beklagten, dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch gemäß § 1 NS-VEntschG für die mittelbare Beteiligung von Dr. S. F. in Höhe von 54,9% an der Tapetenfabrik C. GmbH sowie dem Tapetenhaus Ha. & Co. GmbH festzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Auf der Grundlage des Bescheides vom 24. Oktober 2011 habe der Kläger einen Anspruch darauf, dass die konkrete Entschädigung für den Verlust der Beteiligungen in Höhe von 54,9% an der Chemischen Fabrik H. AG der Höhe nach berechnet werde. Es sei Aufgabe der Beklagten, einen entsprechenden Bescheid zu erlassen. Eine gesonderte Feststellung der Entschädigungsberechtigung des Klägers an der Tapetenfabrik C. GmbH komme daneben nicht in Betracht. Soweit der Kläger Ansprüche hinsichtlich der Beteiligung an dem Tapetenhaus Ha. & Co. GmbH geltend mache, könne er damit keinen Erfolg haben, weil dieses Begehren nicht mehr Gegenstand der Klage sei.

2 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr der Kläger beimisst. Die Frage
"Ist § 2 Satz 2 NS-VEntschG dahingehend auszulegen, dass bei Vorliegen von Einheitswerten für Tochterunternehmen diese gesondert zu entschädigen sind und nicht mit den Mutterunternehmen?"
geht teilweise an dem Urteil des Verwaltungsgerichts vorbei, das im Hinblick auf Einheitswerte für die fraglichen Vermögensgegenstände keine Feststellungen getroffen hat. Im Übrigen ist die Frage in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt und kann daher nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Der Kläger will § 2 Satz 2 des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes - NS-VEntschG - dahingehend verstanden wissen, dass der Vorschrift ein Anspruch auf Feststellung der Entschädigungsberechtigung dem Grunde nach auch für mittelbare Beteiligungen zu entnehmen sei. Das ist mit dem Verwaltungsgericht zu verneinen. § 2 NS-VEntschG befasst sich lediglich mit der Höhe der Entschädigung (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2005 - 8 C 20.03 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 1). Dies folgt nicht nur aus der amtlichen Überschrift der Norm, sondern auch aus ihren einzelnen Regelungen. So bezieht sich die in Satz 1 enthaltene Verweisung auf Bestimmungen des Bundesrückerstattungsgesetzes ebenso auf die Höhe der Leistung wie die Verweisung auf Normen des Entschädigungsgesetzes in Satz 5. Vor allem aber ergibt sich die Beschränkung des Regelungsgehaltes aus dem eindeutigen Wortlaut des hier in Rede stehenden § 2 Satz 2 NS-VEntschG, wonach sich bei den dort genannten Vermögensgegenständen die Höhe der Entschädigung nach dem Vierfachen des vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes bemisst. Die ausdrücklich die Höhe der Entschädigung regelnde Vorschrift vermittelt daher entgegen der Auffassung des Klägers keinen Anspruch auf Feststellung der Entschädigungsberechtigung dem Grunde nach. Gründe, von dieser Auffassung abzurücken, legt die Beschwerde, die sich mit der dargestellten Rechtsprechung nicht auseinandersetzt, nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar.

4 2. Ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht dargelegt. Der Kläger hält die Behandlung seines auf die Beteiligung an dem Tapetenhaus Ha. & Co. GmbH bezogenen Vorbringens für verfahrensfehlerhaft. Dem Urteil des Verwaltungsgerichts liegt insoweit die Erwägung zugrunde, dass der Kläger seine gegen den Bescheid vom 24. Februar 2016 gerichtete Klage auf eine entsprechende Aufforderung des Gerichts hin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Juli 2016 präzisiert und lediglich noch begehrt habe, die Beklagte zur Feststellung eines Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach für die mittelbare Beteiligung des Herrn Dr. S. F. an der Chemischen Fabrik H. AG sowie deren Tochterunternehmen, der Tapetenfabrik C. GmbH, zu verpflichten. Damit richte sich sein Begehren dem eindeutigen Wortlaut nach nicht mehr auf die Feststellung einer Entschädigungsberechtigung in Bezug auf das Tapetenhaus Ha. & Co. GmbH, obwohl der Anspruch darauf in dem Bescheid vom 24. Februar 2016 in einer eigenen Ziffer 3 beschieden worden sei. Soweit der Kläger vortrage, diese Präzisierung habe sich allein darauf bezogen, dass keine Rechte an Grundstücken, sondern nur an Unternehmensbeteiligungen geltend gemacht würden, führe dies nicht zu einem anderen Ergebnis, denn das positive, in der Form eines angekündigten Antrags formulierte Begehren beziehe sich eindeutig nur auf die Tapetenfabrik C. GmbH, nicht auf die Tapetenhaus Ha. & Co. GmbH.

5 Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander, namentlich nicht, soweit das Verwaltungsgericht den eindeutigen Wortlaut des erwähnten Schriftsatzes in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellt. Sie legt daher den von ihr geltend gemachten Verstoß gegen §§ 86 und 108 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar. Ihre Ausführungen zu einem angekündigten Antrag im Rahmen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gehen an dem Urteil des Verwaltungsgerichts vorbei.

6 Im Übrigen ist das Verfahren des Verwaltungsgerichts auch nicht zu beanstanden und verfehlt namentlich nicht die Anforderungen, die an die gerichtliche Ermittlung des Begehrens eines Beteiligten zu stellen sind. Das Rechtsschutzziel eines Klägers ist aus dem gesamten Parteivorbringen zu entnehmen, wobei die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden sind. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut einer Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Ist der Kläger anwaltlich vertreten, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2012 - 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 7 f.). Auf dieser Grundlage stellt die - auf die anwaltliche Präzisierung des Klageantrags im Schriftsatz vom 8. Juli 2016 gestützte - Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger greife den Bescheid, soweit er die Beteiligung an dem Tapetenhaus Ha. & Co. GmbH betrifft, nach dieser Präzisierung nicht mehr an, keinen Verfahrensfehler dar. Folglich durfte die Vorinstanz auch davon ausgehen, dass die erneute Einbeziehung des Vermögenswertes in den im Verhandlungstermin gestellten Antrag wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Klagefrist unzulässig war.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.