Beschluss vom 28.07.2017 -
BVerwG 10 B 7.17ECLI:DE:BVerwG:2017:280717B10B7.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.07.2017 - 10 B 7.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:280717B10B7.17.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 7.17

  • VG Cottbus - 27.06.2013 - AZ: VG 1 K 951/10
  • OVG Berlin-Brandenburg - 16.11.2016 - AZ: OVG 10 B 8.13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juli 2017 durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. November 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 162 171,42 € festgesetzt.

Gründe

1 Die klagende Gemeinde begehrt für die Jahre 2007, 2008 und 2009 eine Korrektur ihres Bevölkerungsstandes, den der Beklagte auf der Grundlage von § 5 des Bevölkerungsstatistikgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1980 (BGBl. I S. 308), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2008 (BGBl. I S. 1290 - BevStatG 1980), festgestellt hat. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

2 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen,
ob einer Gemeinde aus der im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Finanzhoheit Ansprüche auf rückwirkende Korrektur der auf der Grundlage von § 5 BevStatG 1980 ermittelten amtlichen Einwohnerzahl der statistischen Bevölkerungszahl zusteht
und
ob einer Gemeinde in Bezug auf eine falsche amtliche Einwohnerzahl aus der Bevölkerungsfortschreibung nach § 5 BevStatG 1980 gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ein grundgesetzlich verankertes Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz gegen die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl zusteht und deshalb ein rückwirkender Berichtigungsanspruch der Gemeinde hinsichtlich der abweichenden amtlichen Einwohnerzahl besteht,
führen nicht zur Zulassung der Revision. Ist die Berufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann nach ständiger Rechtsprechung aller Revisionssenate des Bundesverwaltungsgerichts die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4 und vom 21. September 2016 - 6 B 14.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 426 Rn. 16, je m.w.N.). Letzteres ist hier nicht der Fall.

4 Das Berufungsurteil ist zum einen darauf gestützt, dass das Begehren der Klägerin im BevStatG 1980 keine Rechtsgrundlage finde. Der daraus folgende Ausschluss einer rückwirkenden Änderung der Bevölkerungsstatistik zugunsten einer einzelnen Gemeinde verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Unabhängig davon sei zum anderen die Klage auch deswegen unbegründet, weil der Beklagte dem Begehren der Klägerin, ohne dass sie hierauf einen Rechtsanspruch gehabt habe, jedenfalls hinsichtlich einer Erhöhung der Einwohnerzahlen zum jeweiligen Jahresende 2007, 2008 und 2009 nachgekommen sei.

5 Hinsichtlich der zuletzt genannten Begründung hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sich auch insoweit eine Grundsatzfrage stelle, sondern lediglich ausgeführt, das Oberverwaltungsgericht habe auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen keine Erfüllung ihres Begehrens annehmen dürfen. Damit kritisiert die Klägerin lediglich die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der Sach- und Rechtslage im Einzelfall, zeigt aber keinen Revisionszulassungsgrund auf. Hieran fehlt es auch, soweit die Klägerin grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Rechts einer Gemeinde auf wirkungsvollen Rechtsschutz (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. August 2015 - 2 BvF 1/15 - BVerfGE 140, 99 Rn. 19 m.w.N.) sieht. Denn es ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin selbst, dass das Berufungsgericht die Richtigkeit ihrer statistisch festgestellten Bevölkerungszahl inhaltlich überprüft und dabei zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Grundlage für die von der Klägerin erstrebte weitere Korrektur, die über die von dem Beklagten vorgenommenen Berichtigungen hinausgeht, nicht gegeben sei. Einen hierauf bezogenen, an die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie anknüpfenden Klärungsbedarf zeigt die Klägerin nicht auf.

6 2. Im Ergebnis gilt nichts anderes für die von der Klägerin als weiteren Zulassungsgrund in Anspruch genommene Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Soweit sie eine Abweichung von einem in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. August 2015 - 2 BvF 1/15 - (BVerfGE 140, 99 Rn. 19) aufgestellten Rechtssatz geltend macht, bezieht sich dieses Vorbringen wiederum nicht auf die selbstständig tragende Begründung des Berufungsurteils, dass der Beklagte dem Begehren der Klägerin nachgekommen sei.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.