Beschluss vom 01.06.2010 -
BVerwG 4 B 4.10ECLI:DE:BVerwG:2010:010610B4B4.10.0

Beschluss

BVerwG 4 B 4.10

  • Bayerischer VGH München - 16.11.2009 - AZ: VGH 4 BV 07.1902

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungs-gerichtshofs vom 16. November 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Auf die Beschwerde der Beklagten wird unter entsprechender Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2009 die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 67 769 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1. Februar 2005 zu zahlen.
  3. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu sieben Achteln. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 481 547 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 67 769 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1. Februar 2005 zu zahlen. Nach seiner Ansicht ist der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch der Kläger in diesem Umfang begründet, weil die Folgekostenverträge, die die Verfahrensbeteiligten am 29. Juli 1999, 18./19. Februar 2003 und 6. August 2003 geschlossen haben, mit § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht vereinbar seien. Den Anspruch auf Rückzahlung weiterer 413 778,29 € hat er in Anwendung des Art. 71 Abs. 1 Nr. 2 AGBGB als erloschen betrachtet. Gegen die Nichtzulassung der Revision richten sich die Beschwerden der Beteiligten.

II

2 1. Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger ist unbegründet.

3 a) Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe den Sachverhalt nicht umfassend geklärt, ist nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise erhoben. Sie scheitert jedenfalls daran, dass die Kläger nicht - wie geboten (vgl. Beschluss vom 22. Juli 1992 - BVerwG 6 B 43.92 - DVBl 1993, 49) - aufzeigen, weshalb die von ihnen für notwendig gehaltene Auswertung der in der Beschwerdebegründung genannten Akten und die Anhörung von Zeugen unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz, auf die es insoweit ankommt (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - NVwZ-RR 1996, 369), zu einem Ergebnis hätten führen können, das für sie günstiger ist.

4 b) Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.

5 aa) Die Rechtsfrage, ob sich eine Gemeinde zu Recht auf das Verjähren und/oder auf das Erlöschen eines Erstattungsanspruchs berufen kann, wenn sie jahrelang amtspflichtwidrig die dem Erstattungsanspruch zugrunde liegenden anspruchsbegründenden Tatsachen unterdrückt und diese gesetz- und sittenwidrig entstellt hat, um sich nicht Erstattungsansprüchen auszusetzen, oder ob in einem solchen Fall der Verjährung/dem Erlöschen der bundesrechtliche Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden kann, führt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie der Verwaltungsgerichtshof zu Gunsten der Kläger bejaht hat. Er ist nämlich davon ausgegangen, dass gegenüber dem Verjährungseinwand der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung möglich und begründet ist, wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hat. Dass er den Einwand hier nicht hat durchschlagen lassen, liegt daran, wie er den Sachverhalt gewürdigt hat. Seiner Würdigung setzen die Kläger zwar ihre eigene, davon abweichende Würdigung entgegen. Damit lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aber nicht begründen.

6 bb) Die Frage, ob auch im öffentlichen Recht (bei der Abwicklung städtebaulicher Verträge) der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98 - (NJW 1999, 2041) für das private Recht aufgestellte Grundsatz gilt, dass bei einer unübersichtlichen und verwickelten Rechtslage, d.h. bei erheblichen rechtlichen Zweifeln, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag, ausnahmsweise der Erlöschens- oder Verjährungsbeginn „wegen Rechtsunkenntnis“ hinausgeschoben wird, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision; denn sie ist nicht dem revisiblen Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO), sondern der landesrechtlichen Bestimmung des Art. 71 Abs. 1 AGBGB zuzuordnen, die nach § 173 VwGO, § 560 ZPO irrevisibel ist. Die Kläger möchten wissen, wie das in Art. 71 Abs. 1 AGBGB enthaltene Tatbestandsmerkmal der Kenntniserlangung von den anspruchsbegründenden Tatsachen auszulegen ist. Dazu darf sich der Senat nicht äußern, auch wenn es bundesrechtliche Vorschriften gibt - wie § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB -, die mit Art. 71 Abs. 1 AGBGB im Wesentlichen wortgleich sind.

7 c) Auch nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision nicht zuzulassen. Die Kläger zeigen nicht auf, dass die Berufungsentscheidung mit einem entscheidungstragenden Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - (BVerwGE 111, 162) abweicht. Die behauptete Divergenz zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Februar 1999 (a.a.O.) vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht zu begründen, weil der Bundesgerichtshof in der Vorschrift nicht genannt ist. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet dies nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1985 - 2 BvR 128/85 - NVwZ 1985, 647).

8 2. Die Beschwerde der Beklagten ist begründet. Im Umfang ihres Unterliegens ist die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil ein Revisionsverfahren eine weitere Klärung der Anforderungen erwarten lässt, die § 11 BauGB an die Kausalität und die Angemessenheit der vereinbarten Leistungen in einem städtebaulichen Folgekostenvertrag stellt.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Soweit die Revision zugelassen worden ist, wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 C 11.10 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.

Beschluss vom 05.07.2010 -
BVerwG 4 B 26.10ECLI:DE:BVerwG:2010:050710B4B26.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.07.2010 - 4 B 26.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:050710B4B26.10.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 26.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 1. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO bleibt ohne Erfolg, weil eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht aufgezeigt wird. Die Kläger gestehen zu, dass der Senat die in der Nichtzulassungsbeschwerde vom 30. November 2009 geltend gemachte Verfahrensrüge beschieden hat. Sie beanstanden der Sache nach lediglich, dass der Senat den diesbezüglichen Vortrag als nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügend angesehen hat. Damit wenden sie sich in Wahrheit gegen die Rechtsanwendung des Senats. Ein Gehörsverstoß liegt aber nicht schon dann vor, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts, mithin auch aus Gründen prozessualer Darlegungspflichten, unberücksichtigt lässt oder zu einem anderen Ergebnis gelangt, als der Beteiligte es für richtig hält (Beschluss vom 13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 - NVwZ 2009, 329 <330>).

2 Einer nochmaligen Auseinandersetzung mit der Verfahrensrüge der Kläger bedarf es nicht. Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO ist es nicht, den Senat zu einem Überdenken, einer Ergänzung oder einer Erläuterung der Gründe seines beanstandeten Beschlusses zu veranlassen.

3 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.