Beschluss vom 01.10.2002 -
BVerwG 8 B 134.02ECLI:DE:BVerwG:2002:011002B8B134.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.10.2002 - 8 B 134.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:011002B8B134.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 134.02

  • VG Cottbus - 12.06.2002 - AZ: VG 1 K 1714/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Oktober 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a g e n k o p f , S a i l e r und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 12. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 158 825 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wegen Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde allein aufgeworfene Frage,
ob beim Zusammentreffen mehrerer Anhaltspunkte für die Ausnutzung einer persönlichen Machtstellung im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG auf den Gesamtzusammenhang abzustellen ist,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie ist ihrer abstrakten Formulierung ohne weiteres zu bejahen. Ob die wertende Gesamtbetrachtung des Lebenssachverhaltes den Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG ausfüllt, ist eine Frage der Sachverhaltswürdigung im konkreten Einzelfall durch das Tatsachengericht.
2. Verfahrensmängel, auf denen das angefochtene Urteil beruhen könnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
a) Soweit sich die Beschwerde gegen die Überzeugungskraft der Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht sowie gegen dessen Verneinung des Tatbestandes von § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG wendet, macht sie - wie sie selbst zutreffend erkennt - keinen Verfahrensfehler geltend. Denn die Beweiswürdigung ist in der Regel dem materiellen Recht zuzuordnen.
b) Der Vorwurf, das angefochtene Urteil stütze sich verfahrensfehlerhaft auf "zeugenschaftliche Darlegungen, die die Ausgangsbehörde einholte", greift ebenfalls nicht durch. Die damit sinngemäß gerügte Verletzung der §§ 86 Abs. 1, 96 VwGO liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn Beweisergebnisse der Verwaltungsbehörden nicht substantiiert angegriffen werden und das Verwaltungsgericht dann auf diese Ermittlungen ohne eigene erneute Beweisaufnahme zurückgreift. So liegt der Fall hier. Die von der Beschwerde erwähnte Beweisaufnahme ist von der Ausgangsbehörde durchgeführt, ihr Ergebnis im Widerspruchsbescheid wiederholt und bestätigt worden. Im Klageverfahren hat die Klägerin zwar eine Vielzahl - zumeist ungeordneter und häufig wiederholt übersandter, oft auch an Dritte adressierter und dem Gericht nur nachrichtlich zugeleiteter - Schriftsätze eingereicht. Ein substantiierter tatsächlicher Vortrag, der das Verwaltungsgericht zu einer eigenen Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme in dem beanstandeten Punkt hätte von Amts wegen veranlassen müssen, lässt sich dem Klagevorbringen nicht entnehmen. Unter diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht den von den Vermögensämtern ermittelten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen.
c) Das Verwaltungsgericht musste ohne entsprechenden Beweisantrag auch nicht von Amts wegen die Eheleute O. dazu vernehmen, ob sie entsprechend der Behauptung der Klägerin durch die angeblich vorgetäuschte Zusage, sie würden einen Garten erhalten, zum Auszug aus dem streitigen Wohnhaus bewegt worden waren. Denn das angefochtene Urteil stützt sich mit Blick auf die Zurückstellung der Eheleute O. als Erwerbsinteressenten in erster Linie auf die nach DDR-Recht zulässige Bevorzugung der Beigeladenen wegen der erfolgten Inanspruchnahme ihres eigenen Grundstücks für den Braunkohletagebau (UA S. 10). Dass die Zuweisung des Hausgrundstücks an die Beigeladenen im Übrigen mit DDR-Recht in Einklang stand, hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen schlüssig dargelegt.
d) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich in seinem Urteil nicht mit dem Einwand der Klägerin auseinandergesetzt, der Grundstückskaufvertrag vom 30. Mai 1990 sei - wie die fehlende Unterschrift des Notars zeige - eine Fälschung, belegt die damit sinngemäß geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs ebenfalls nicht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Tatsachengericht die Schriftsätze der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat, auch wenn in dem Urteil nicht auf jede Einzelheit eingegangen wird. Ein für die Entscheidung des Gerichts ursächliches Übergehen scheidet jedoch auf jeden Fall dann aus, wenn das tatsächliche Vorbringen rechtlich unerheblich ist. Das ist hier der Fall. Die Beschwerde hat nicht dargetan und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der bloße Grundstücks-Komplettierungskauf vom 30. Mai 1990 für die Redlichkeit des Erwerbs des Nutzungsrechts sowie des Gebäudeeigentums im Jahre 1980 von maßgeblicher Bedeutung sein könnte.
Aus dem gleichen Grund musste das Verwaltungsgericht auch weder Ermittlungen zur Ordnungsmäßigkeit des in diesem Grundstücks-Komplettierungskaufvertrag festgelegten Kaufpreises anstellen, noch bedurfte es insoweit einer Erörterung und Begründung im Urteil.
e) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Beigeladene selbst unter Verstoß gegen DDR-Recht keinen Antrag auf Nutzungsrechtsverleihung gestellt habe, bezeichnet keinen Verfahrensmangel und erfüllt als bloße Einzelfallfrage aufgrund allenfalls vorliegender Rechtsanwendungsfehler auch nicht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Im Übrigen hat sich der Widerspruchsbescheid (vgl. dessen S. 10) eingehend mit diesem Einwand befasst.
f) Das Verwaltungsgericht hat den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch nicht dadurch verletzt, dass es die Einwände der Klägerin zu der ihrer Ansicht nach legalen Ausreise ihrer Rechtsvorgängerin aus der DDR nicht berücksichtigt habe. Das Urteil kann jedenfalls auf diesem vermeintlichen Fehler nicht beruhen. Denn die Folgerung, die die Beschwerde aus ihrem Einwand zieht, ist unzutreffend. Die fälschliche Annahme einer illegalen Ausreise seitens der DDR-Behörden würde nämlich die Wirksamkeit der daran anknüpfenden Maßnahmen, wie z.B. die Anwendung der Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 und die darauf gegründete Anordnung der staatlichen Verwaltung nicht unwirksam und die vom staatlichen Verwalter in der Folgezeit getätigten, dem Erwerb durch die Beigeladenen vorausgegangenen Rechtsgeschäfte ebenso wenig nichtig machen wie die anschließende Übertragung des Nutzungsrechts und des Gebäudeeigentums auf die Beigeladenen. Denn insoweit ist die Rechtswirklichkeit der DDR der entscheidende Maßstab (vgl. im Übrigen auch Art. 19 EV). Abgesehen davon ist die Anwendung der Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 und die Veräußerung des Grundstücks durch den staatlichen Verwalter Voraussetzung für den Anspruch der Klägerin nach dem Vermögensgesetz. Im Übrigen betrifft dieser Einwand den im gerichtlichen Verfahren angesichts der feststehenden Berechtigung der Klägerin allein behandelten Ausschlussgrund des redlichen Erwerbs durch die Beigeladenen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.