Beschluss vom 02.08.2002 -
BVerwG 1 B 163.02ECLI:DE:BVerwG:2002:020802B1B163.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.08.2002 - 1 B 163.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:020802B1B163.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 163.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 05.03.2002 - AZ: OVG 9 A 873/99.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Günther Pribil, Zweigertstraße 53, 45130 Essen, beigeordnet.
  2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. März 2002 wird aufgehoben.
  3. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  4. Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO).
Die Beschwerde ist mit der Rüge eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.
Die Beschwerde rügt im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft ohne persönliche Anhörung des Klägers im Berufungsverfahren (durch Beschluss nach § 130 a VwGO) entschieden hat, obwohl es als entscheidungserheblich erachtetes Vorbringen zum vorgetragenen Verfolgungsschicksal als unglaubwürdig behandelt hat. Der angefochtene Beschluss verletzt insoweit die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO; vgl. im Einzelnen Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - und vom 11. Juni 2002 - BVerwG 1 B 37.02 -, zur Veröffentlichung vorgesehen in Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG m.w.N.).
Das ergibt sich daraus, dass das Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt hat, es könne auch nicht angenommen werden, dass dem Beigeladenen bei einer Rückkehr in den Nordirak politische Verfolgung in Anknüpfung an seinen Vater (etwa im Sinne von Sippenhaft) drohe. Soweit der Beigeladene hierzu behauptet habe, ein 1993 auf seinen Vater verübter Anschlag sei von "Saddam-Agenten" durchgeführt worden, gebe es für diese Annahme keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Die vom Beigeladenen behaupteten weiteren Attentate auf seinen Vater in den Jahren 1995, 1998 habe er "(ebenfalls) nicht in einer Weise - insbesondere detailreich und nachvollziehbar - geschildert, dass die Annahme gerechfertigt wäre, er habe von tatsächlich Erlebtem berichtet". Er habe vielmehr "zu beiden angeblichen Ereignissen - obwohl er zumindest einmal Augenzeuge gewesen sein will - so gut wie keine Einzelheiten mitgeteilt" und sich überdies bezüglich des angeblichen Anschlags vom August 1998, bei dem er anwesend gewesen sein wolle, "in Bezug auf einen wichtigen Umstand berichtigen müssen". Eine plausible Erklärung dafür, warum er zunächst eine nach späterer Aussage falsche Angabe gemacht habe, habe er nicht gegeben. "Nach alledem" könne nicht angenommen werden, "dass die irakischen Behörden den Beigeladenen wegen bzw. anstelle seines Vaters behelligen" würden. Diese im Rahmen der Prüfung des Asylantrags nach Art. 16 a GG zur Frage des Bestehens hinreichender Sicherheit am Ort einer inländischen Fluchtalternative im Nordirak gemachten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts lassen es zumindest als möglich erscheinen, dass es bei eigener Anhörung des Klägers zu einem anderen, für ihn günstigeren Ergebnis gekommen wäre.