Beschluss vom 02.08.2007 -
BVerwG 4 BN 29.07ECLI:DE:BVerwG:2007:020807B4BN29.07.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 29.07

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 14.12.2006 - AZ: OVG 1 KN 4/06

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2 Das Normenkontrollgericht hat sein Urteil selbständig tragend auf zwei Gründe gestützt: Der Normenkontrollantrag sei unzulässig, weil der Antragsteller nicht antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei. Im Übrigen wäre der Normenkontrollantrag auch unbegründet. Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der tragenden Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328; stRspr). Soweit die Beschwerde Grundsatzrügen zur Frage der Antragsbefugnis erhebt, ist ein Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben. Auf die Grundsatzrügen der Beschwerde zur Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags ist deshalb nicht einzugehen. Diese Rügen könnten der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn sie - dafür ist hier nichts ersichtlich - begründet wären.

3 1. Die zur Antragsbefugnis aufgeworfenen Rechtsfragen haben nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr der Antragsteller beimisst.

4 Die zu § 24 LWaldG unter dem Gesichtspunkt des Drittschutzes aufgeworfenen Fragen können nicht zu Zulassung der Revision führen, weil sie die Auslegung irrevisiblen Landesrechts betreffen. An die vorinstanzliche Auslegung des Landesrechts wäre das Revisionsgericht gebunden (§ 173 VwGO, § 560 ZPO). Die Revision könnte nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die unter dem Gesichtspunkt der Antragsbefugnis zu § 15 BauNVO und zum Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme gestellten Rechtsfragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil § 15 BauNVO und das in dieser Norm zum Ausdruck kommende Gebot der Rücksichtnahme im Nachbarschaftsverhältnis nur zur Anwendung gelangen, wenn die Errichtung einer baulichen Anlage im Einzelfall zur Genehmigung gestellt oder angezeigt wird. Die Vorschrift richtet sich an die Baugenehmigungs- bzw. Bauaufsichtsbehörden, nicht an die planende Gemeinde.

5 Die von der Beschwerde ferner problematisierte Frage, ob sich der Eigentümer eines im Wald stehenden Hauses unter Berufung auf Art. 2 und 14 GG, auf das Gebot der planerischen Rücksichtnahme auf seine Interessen und auf das Gebot gerechter Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) berufen kann, wenn ein Waldschutzstreifen (an seinem Grundstück, aber außerhalb des Plangebiets) bei der Aufstellung eines Bebauungsplans letztlich nicht berücksichtigt wird, lässt keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf erkennen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass das bauleitplanerische Abwägungsgebot in § 1 Abs. 7 BauGB drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange hat, die für die Abwägung der Gemeinde erheblich sind (Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215). Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung, dass die Grundrechte aus Art. 2 und 4 GG private Abwägungsbelange von besonderem Gewicht bilden.

6 Nicht abwägungsbeachtlich sind nach dem vorgenannten Urteil u.a. das Interesse eines Grundeigentümers an der Erhaltung einer gegebenen Situation, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (a.a.O. S. 219). Das gilt für Grundeigentümer, deren Grundeigentum im Plangebiet liegt ebenso wie für Grundeigentum außerhalb der Plangrenzen. Ob ein privater Belang schutzwürdig ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Deren Feststellung und Würdigung obliegt dem Tatrichter, hier dem Oberverwaltungsgericht in seiner Funktion als Normenkontrollgericht.

7 Das Oberverwaltungsgericht hat die Antragsbefugnis des Antragstellers auch deshalb verneint, weil der Normenkontrollantrag sich als treuwidrig und als unzulässige Rechtsausübung darstelle. Hierzu verweist es auf die Gründe seines Beschlusses vom 8. Mai 2006 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die dort angeführten Gründe für die Treuwidrigkeit des Normenkontrollantrags beruhen auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Streitfalls. Die zur Frage der Treuwidrigkeit erhobene Grundsatzrüge der Beschwerde verleiht der Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung, weil sie sich nicht in einer fallübergreifenden, verallgemeinerungsfähigen Weise für eine Vielzahl von Fällen klären ließe. Die Beschwerde greift mit dieser Grundsatzrüge die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung und Sachverhaltswürdigung an. Mit einer solchen einzelfallbezogenen Entscheidungskritik kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht dargelegt werden.

8 2. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat die Beschwerde nicht hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierzu hätte sie einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennen müssen, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Einen derartigen Widerspruch im abstrakten Rechtssatz zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Voraussetzungen, unter denen ein widersprüchliches Verhalten der Antragsbefugnis entgegensteht, im vorliegenden Fall unrichtig angewandt. Dieser Vorwurf fehlerhafter Rechtsanwendung ist nicht geeignet, eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.