Beschluss vom 02.09.2008 -
BVerwG 8 B 35.08ECLI:DE:BVerwG:2008:020908B8B35.08.0

Beschluss

BVerwG 8 B 35.08

  • VG Berlin - 10.12.2007 - AZ: VG 22 A 56.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegt vor.

2 1. Von grundsätzlicher Bedeutung soll gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Rechtsfrage der verfassungskonformen Anwendung des Vermögensgesetzes in dem Falle eines von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen betroffenen Unternehmens sein, wenn die die Mitgliedschaftsrechte des Eigentümers an diesem Unternehmen verbriefenden Wertpapiere (Aktien) der Verfügungsbefugnis des Eigentümers entzogen, aber nicht endgültig verwertet wurden. Es stelle sich dabei die rechtsgrundsätzliche Frage - so die Kläger -, ob die nur zeitweise, aber nicht vorhersehbar zeitlich eingrenzbare Unmöglichkeit der Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten an einem Unternehmen eine nach dem Vermögensgesetz bzw. dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz auszugleichende Vermögensschädigung darstelle und dies insofern einen Vermögensverlust durch faktische Entziehung darstelle bzw. dem gleichstehe. Hilfsweise stelle sich die Frage einer im Wege der Analogie zu schließenden teilungsbedingten Wiedergutmachungslücke bei Wiedererhalt der verbrieften Mitgliedschaftsrechte in der damaligen Bundesrepublik Deutschland ohne die in der damaligen sowjetischen Besatzungszone/Deutschen Demokratischen Republik befindlichen Unternehmensteile.

3 Die von den Klägern erhobenen Rechtsfragen sind nach den im Parallelverfahren ergangenen Beschlüssen des Senats vom 4. Juli 2007 - BVerwG 8 B 8.07 - und vom 2. Oktober 2007 - BVerwG 8 B 78.07 - dahingehend geklärt, dass in der Beschlagnahme der Aktien und deren Verwahrung im Depot der Reichsbank nur eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Aktionärs ohne enteignende Wirkung gelegen hatte. Der Senat hat dabei darauf hingewiesen, dass aufgrund der Besonderheiten des Falles nicht allein auf die Beschlagnahme und die Pfändung der Aktien abgestellt werden könne, sondern diese vielmehr im Zusammenhang mit der auf frühzeitige Intervention der Anteilsinhaberin erfolgten Vereinbarung vom 6. Juli 1943 zu sehen sei. Eine den Fall übergreifende Bedeutung haben die Kläger mit ihrer vorliegenden Grundsatzrüge der Sache nicht beimessen können. Ihre Einwände beschränken sich im weiten Teil in einer Auseinandersetzung über die Eigenheit dieses Falles. Die dabei favorisierte verfassungskonforme Auslegung von § 1 Abs. 6 VermG dergestalt, auch vorliegend eine Schädigung im Sinne dieses Gesetzes anzusehen, kommt nicht in Betracht. Denn der klare Wortlaut von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG lässt es über den hiernach erforderlichen Vermögensverlust nicht zu, die Bestimmung so auszulegen, dass auch zeitweilige Beschränkungen der Verfügungsbefugnisse bereits eine Schädigung darstellen. Eine Regelungslücke besteht nicht. Wenn es mangels behaupteter Verfügungsmöglichkeit über die Aktien des Unternehmens bis zum 8. Mai 1945 zu konkreten Vermögensverlusten nachweisbar gekommen wäre - was aber mit der Beschwerde nicht dargelegt wird -, bräuchte es der verfassungskonformen Auslegung nicht. Vielmehr soll die Aktiengesellschaft, wie dem Schriftsatz der Kläger vom 5. Dezember 2007 im erstinstanzlichen Verfahren zu entnehmen ist, aufgrund der Vereinbarung vom 6. Juli 1943 vor der Deklarierung zum so genannten „nicht arischen Unternehmen“ bewahrt und eine Weiterarbeit während des Krieges gesichert worden sein. Der weitere Verlauf der Firmengeschichte unterliegt nicht mehr dem Rechtsregime von § 1 Abs. 6 VermG. Die Wiedergutmachungslücke, die sich dadurch auftut, dass Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht vom Vermögensgesetz erfasst werden (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG) ist gesetzlich gewollt und verfassungsrechtlich geduldet. Stattdessen greift das Ausgleichsleistungsgesetz ein.

4 2. Die erhobenen Verfahrensrügen rechtfertigen keine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

5 Ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht deshalb gegeben, weil das Verwaltungsgericht die fraglichen Aktien nicht beigezogen hat. Mit einem entscheidungserheblichen Erkenntnisgewinn mittels Inaugenscheinnahme ist nicht zu rechnen gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich aus den Papieren irgendein Vermögensverlust im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG hätte ergeben können. Die Unklarheit darüber, was mit den Aktien in der Zeit zwischen ihrem Auftauchen in einem Auktionshaus und deren Hinterlegung im Depot der Reichsbank geschehen war, hat auf den Ausgang des Klageverfahrens auch nach der Darlegung in der Beschwerdebegründung keinen erkennbaren Einfluss.

6 Die in diesem Zusammenhang erhobene Gehörsrüge ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat das Ansinnen der Kläger, die Aktien beizuziehen, zur Kenntnis genommen, wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist; dem Ansinnen zu folgen, verpflichtet der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.

7 Es stellt schließlich keinen Verfahrensfehler dar, dass das Verwaltungsgericht die Eigentumsposition von Jakob M. an den Aktien nicht festgestellt hat. Das Ergebnis der Schlussfolgerungen aus dem dem Gericht unterbreiteten Sachverhalt gehört dem materiellen Recht an und kann daher keinen Verfahrensmangel ergeben. Dass Jakob M. selbst Aktieninhaber war, haben auch die Kläger nicht behauptet; dass dieser Anteile an der Emil K. AG über eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in New York hielt, hat das Verwaltungsgericht nicht als eigene Inhaberschaft angesehen. Diese Einschätzung der Rechtslage entzieht sich einer Überprüfung anlässlich einer Verfahrensrüge. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bleibt davon unberührt.

8 Zudem muss bei mehrfacher, die Entscheidung jeweils selbstständig tragender Urteilsbegründung für jede ein Zulassungsgrund geltend gemacht sein und vorliegen (stRspr; vgl. den vorgenannten Beschluss vom 4. Juli 2007). Die gegen das Verneinen einer Schädigung erhobene Grundsatzrüge ist jedoch erfolglos geblieben.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 GKG.

Beschluss vom 27.10.2008 -
BVerwG 8 B 87.08ECLI:DE:BVerwG:2008:271008B8B87.08.0

Beschluss

BVerwG 8 B 87.08

  • VG Berlin - 10.12.2007 - AZ: VG 22 A 56.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Oktober 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss vom 2. September 2008 - BVerwG 8 B 35.08 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Kläger haben mit ihrer Anhörungsrüge keinen Erfolg. Es trifft zwar zu, dass die Gerichte durch Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet sind, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Auch rechtlicher Vortrag unterliegt dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Anspruch verpflichtet die Gerichte aber nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsausführung eines Beteiligten in der Sache zu folgen. Die Kläger greifen die rechtliche Würdigung des Senats an, um die Zulassung der Revision doch noch zu erreichen. Einen Vorwurf, dass der Senat das Wesentliche ihrer Darlegungen im fraglichen Verfahren übersehen habe, erheben sie bei Lichte gesehen aber nicht.

2 Wenn die Kläger behaupten, der Senat habe die Beschlagnahme und Verbringung der Aktien ins Reichsbankdepot als „zeitweilige Beschränkung der Verfügungsbefugnis“ marginalisiert, verkennen sie, dass diese Einschätzung nur ihre Ausführungen im Beschwerdeverfahren aufgreift. Die Kläger haben dort die Frage aufgeworfen, ob eine nur zeitweise Unmöglichkeit der Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten an einem Unternehmen einem Vermögensverlust gleichstehe und daher eine verfassungskonforme Anwendung des Vermögensgesetzes gebiete. Dem ist der Senat entgegengetreten. Zur Frage, ob die Verfolgungsmaßnahmen den Schädigungstatbestand von § 1 Abs. 6 VermG erfüllen, verhält sich der angefochtene Beschluss aus Gründen des Prozessrechtes nicht. Einen konkreten, bezifferbaren Vermögensverlust hatten die Kläger in diesem Beschwerdeverfahren auch nicht dargelegt.

3 Soweit sie schließlich eine Gehörsverletzung darin sehen, dass der Amtsermittlungsgrundsatz nicht das gebotene Gewicht bekommen habe, machen sie deutlich, dass der Senat ihre Verfahrensrüge zwar zur Kenntnis genommen, aber - nach ihrer Auffassung - nicht richtig behandelt hat. Gebotenes rechtliches Gehör ist danach nicht verletzt.

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.