Beschluss vom 02.09.2009 -
BVerwG 4 BN 16.09ECLI:DE:BVerwG:2009:020909B4BN16.09.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 16.09

  • Bayerischer VGH München - 19.01.2009 - AZ: VGH 15 N 07.1607

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzu-lassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Das Normenkontrollgericht hat die Antragsbefugnis des Antragstellers, dessen Grundstücke außerhalb des Geltungsbereichs des angefochtenen Bebauungsplans liegen, verneint und den Antrag aus diesem Grunde als unzulässig angesehen. Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan aus zwei Gründen: Zum einen befürchtet er Beeinträchtigungen seines an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks Fl.-Nr. 233 durch dessen Vernässung und durch Aufschüttungen im Plangebiet (1.). Zum anderen beruft er sich darauf, die Antragsgegnerin hätte einen Bebauungsplan nicht im Plangebiet, sondern für sein etwa 850 m entfernt liegendes Grundstück Fl.-Nr. 398 aufstellen müssen (2.). Zu beidem erhebt er Grundsatz- und Divergenzrügen.

3 1.1 Der Antragsteller ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof sei vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - (BVerwGE 107, 215) abgewichen. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge jedoch nur vor, wenn das Normenkontrollgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre. Das Aufzeigen einer - in den Augen der Beschwerde - fehlerhaften Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt dagegen nicht den Anforderungen an eine Divergenzrüge (stRspr).

4 Der Verwaltungsgerichtshof stützt seine Entscheidung ausdrücklich auf das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (UA S. 7). Danach genügt der Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Dagegen kann die bloße verbale Behauptung einer theoretischen Rechtsverletzung im Einzelfall dann nicht zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügen, wenn diese Behauptung nur vorgeschoben erscheint, das tatsächliche Vorliegen einer Rechtsverletzung aber offensichtlich ausscheidet.

5 Die Beschwerde setzt sich zwar ausführlich mit den aus ihrer Sicht unterschiedlichen Maßstäben der Entscheidung des Normenkontrollgerichts einerseits und des Bundesverwaltungsgerichts andererseits auseinander. Ihr Vortrag vermag jedoch nicht zu belegen, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Aufstellung der maßgeblichen Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Gehorsam verweigert und dadurch von ihr abgewichen wäre. Denn auch nach der Rechtsprechung des Senats genügt es nicht, dass - abstrakt - eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch dessen Vernässung oder durch Aufschüttungen im Plangebiet vorstellbar ist. Vielmehr müssen auch danach Tatsachen vorgetragen werden, die es im konkreten Fall in den Augen des Gerichts als möglich erscheinen lassen, dass der Antragsteller durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits auf der Grundlage des Planinhalts sowie der im Planaufstellungsverfahren angefertigten und damit zum Zeitpunkt der Antragserhebung vorhandenen Unterlagen, an deren Verwertbarkeit er ersichtlich keine Zweifel hatte, verneint. Anforderungen, die der Sache nach der Prüfung der Begründetheit eines Normenkontrollantrags entsprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof damit nicht aufgestellt.

6 1.2 Die in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage,
ob der Antragsteller, um eine die Antragsbefugnis begründende mögliche Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend zu machen, hinreichend substantiiert darlegen muss, dass der Belang bei der Abwägung möglicherweise fehlerhaft behandelt worden ist, wenn eine Beeinträchtigung des Antragstellers durch eine Verletzung in eigenen Rechten nach Ansicht des Gerichts nicht von vornherein und offenkundig ausscheidet, sondern die abstrakte Möglichkeit hierzu besteht,
rechtfertigt auch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

7 Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. Davon ist vorliegend auszugehen. Die Beschwerde lässt nicht erkennen, dass die unter 1.1 wiedergegebene und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Fortentwicklung in einem Revisionsverfahren bedarf.

8 2.1 Hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers, einen Bebauungsplan auf seinem etwa 850 m entfernt liegenden Grundstück Fl.-Nr. 398 aufzustellen, stützt sich der Verwaltungsgerichtshof auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 18.07 - (BRS 71 Nr. 36 = ZfBR 2007, 685), der auf das Urteil vom 30. April 2004 - BVerwG 4 CN 1.03 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 = NVwZ 2004, 1120) verweist (UA S. 5 f.). In diesen Entscheidungen hat der Senat die Voraussetzungen für die Bejahung der Antragsbefugnis eines Antragstellers, der die Einbeziehung seines Grundstücks in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans anstrebt, näher dargestellt und damit die allgemeinen Grundsätze, nach denen die Antragsbefugnis zu beurteilen ist, für diesen speziellen Fall präzisiert. Auf diese Rechtsprechung nimmt die Beschwerde mit ihrer Divergenzrüge in keiner Weise Bezug, so dass - zusätzlich zu den unter 1.1 genannten Gründen - auch aus diesem Grund eine Abweichung von der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht den Anforderungen entsprechend dargelegt worden ist.

9 2.2 Auch die in diesem Zusammenhang erhobene Grundsatzrüge greift nicht durch.

10 Der Antragsteller hält die Fragen für klärungsbedürftig:
Ist aus § 4 WoFG die Aufgabe der Gemeinde abzuleiten, vor Aufstellung eines Bebauungsplans selbst Eigentum an Flächen im künftigen Baugebiet zu erwerben und auf diese Weise Einfluss auf den Verkauf des baureif gemachten Grundes nehmen zu können, auch wenn der gegenwärtige Eigentümer des künftigen Baugebiets schon von vornherein bereit und gewillt ist, diese Flächen der Bebauung zuzuführen?
Ist aus § 4 WoFG weiter abzuleiten, dass im Falle einer Weigerung des Grundstückseigentümers zum Verkauf an die Gemeinde vor der Überplanung die Ablehnung der Gemeinde zur Überplanung der betreffenden Flächen gerechtfertigt ist?
Ist aus § 4 WoFG weiter abzuleiten, dass die Ablehnung der Gemeinde zur Überplanung der betreffenden Flächen auch dann gerechtfertigt ist, wenn nach eigener Ansicht der Gemeinde und auch nach Ansicht der Fachbehörden die betreffenden Flächen für eine Wohnbebauung nicht nur geeignet, sondern die Aufstellung eines Bebauungsplans für diese Grundstücksflächen aus städtebaulicher Sicht auch zu unterstützen ist.
Führt das Interesse einer Gemeinde, selbst Eigentum an Flächen im Baugebiet erwerben zu können und auf diese Weise Einfluss auf den Verkauf des baureif gemachten Grundes nehmen zu können, zur Verneinung willkürlichen Handelns der Gemeinde und damit der Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, auch wenn der Antragsteller als gegenwärtiger Eigentümer des künftigen Baugebiets schon von vornherein bereit und gewillt ist, diese Flächen der Bebauung zuzuführen, und auch dann, wenn nach eigener Ansicht der Gemeinde die Flächen des nicht berücksichtigten Grundstücks für eine Wohnbebauung gut geeignet sind?
Sind Anhaltspunkte für ein willkürliches Handeln der Gemeinde und damit die Antragsbefugnis eines Antragstellers in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) auch dann zu verneinen, wenn Anhaltspunkte für eine Verletzung einer geordneten, organischen städtebaulichen Entwicklung (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB) und des Grundsatzes des Vorrangs der Innenentwicklung (§ 1a Abs. 2 BauGB) durch Unterlassen der Mobilisierung von Baulandreserven im Innenbereich bestehen und der Eigentümer der Baulandreserven im Innenbereich abgabe- und bauwillig ist?
Ist willkürliches Handeln der Gemeinde und damit die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verneinen, wenn das Grundstück des Antragstellers im Innenbereich nach dem Grundsatz des Vorrangs der Innenentwicklung (§  1a Abs. 2 BauGB) als Baulandreserve zu mobilisieren ist und die Nachfrage nach Wohnbauland über die Kapazität des Innenbereichsgrundstücks hinausgeht?

11 Auf diese Fragen käme es in einem Revisionsverfahren des Antragstellers jedoch aus folgenden Gründen nicht an:

12 Der Senat hat in seinem Urteil vom 30. April 2004 (a.a.O.) entschieden, dass das Interesse, mit einem - bisher nicht bebaubaren - Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, für sich genommen kein abwägungserheblicher Belang ist, der dem Eigentümer die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle vermitteln kann. Das Interesse an der Verbesserung des bauplanungsrechtlichen Status quo und damit an der Erweiterung des eigenen Rechtskreises ist eine bloße Erwartung, die nicht schutzwürdig und damit nicht abwägungsbeachtlich ist. Ausdrücklich offen gelassen hat der Senat lediglich, ob eine Antragsbefugnis in Betracht kommt, wenn ein Grundstück „willkürlich“ nicht in einen Bebauungsplan einbezogen wird (Urteil vom 30. April 2004 a.a.O. = juris Rn. 14 und Beschluss vom 15. Juni 2004 - BVerwG 4 BN 14.04 - BRS 67 Nr. 52 = juris Rn. 6). Von diesem Fall der Willkür abgesehen fehlt einem Eigentümer, der die Einbeziehung seines Grundstücks in das Plangebiet begehrt, die Antragsbefugnis unabhängig davon, aus welchem Grund er die Nichteinbeziehung seines Grundstücks für objektiv fehlerhaft hält. Denn das Baugesetzbuch begründet weder einen Anspruch auf Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 BauGB) noch einen „Anspruch auf fehlerfreie Bauleitplanung“.

13 Vorliegend kommt jedoch selbst eine Einbeziehung in diesem Sinn von vornherein nicht in Betracht. Denn das Grundstück des Antragstellers, für das nach seiner Auffassung ein Bebauungsplan aufgestellt werden sollte (Fl.-Nr. 398), liegt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ca. 850 m vom Gebiet des angegriffenen Bebauungsplans entfernt und dazwischen befinden sich nach den in den Akten befindlichen Plänen andere Baugebiete. Bei dieser Sachlage scheidet eine Einbeziehung des Grundstücks in den Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans von vornherein aus. Der Antragsteller kann daher nicht das vorliegende Normenkontrollverfahren zum Anlass nehmen, um unter Hinweis auf das Willkürverbot die Aufstellung eines Bebauungsplans an gänzlich anderer Stelle zu erreichen.

14 Davon abgesehen stützt die Beschwerde sich bei den aufgeworfenen Rechtsfragen auf Sachverhalte, die das Tatsachengericht in dieser Form nicht festgestellt hat.

15 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.