Beschluss vom 02.11.2010 -
BVerwG 9 B 47.10ECLI:DE:BVerwG:2010:021110B9B47.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.11.2010 - 9 B 47.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:021110B9B47.10.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 47.10

  • OVG Rheinland-Pfalz - 24.02.2010 - AZ: OVG 6 A 10977/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 860,17 € festgesetzt.

Gründe

1 Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

2 Die Beschwerde macht einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend. Das Oberverwaltungsgericht habe aktenwidrig eine erneute erstmalige Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung in der Gemeinde Großlittgen angenommen. Es hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass sowohl nach der Beschlusslage der Gemeinde aus dem Jahr 1973 als auch nach dem in ihrem Auftrag erstellten „Technischen Bericht“ von 1975 zu keinem Zeitpunkt eine Neukonzeption der Wasserversorgung geplant gewesen sei.

3 Diese Rüge greift nicht durch. Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt „aktenwidrig“ festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss also „zweifelsfrei“ sein (vgl. Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

4 Die Rüge der Beschwerde zielt in der Sache auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die auf dem Beschluss des Gemeinderats von Großlittgen vom 30. April 1973 und dem „Technischen Bericht“ aus dem Jahr 1975 beruhende Überplanung des Wasserversorgungsnetzes der Gemeinde sei nicht auf das Ziel reduziert gewesen, die vorhandene Wasserversorgungseinrichtung auf den neuesten Stand der damaligen Technik zu bringen; sie habe vielmehr darauf abgezielt, eine am Bedarf des Jahres 2000 orientierte Wasserversorgungseinrichtung zu schaffen. Diese Annahme ist nicht aktenwidrig. Aus dem genannten Beschluss der Gemeinde Großlittgen ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht, dass die Gemeinde ausschließlich eine hydraulische Untersuchung vornehmen lassen wollte. Eine solche Untersuchung sollte „zunächst“ durchgeführt werden. Diese Formulierung lässt den Schluss zu, dass dieser Untersuchung weitere folgen sollten. Auch der Beschlussfassung im Übrigen ist nicht zu entnehmen, die Gemeinde habe sich auf eine Bestandsaufnahme des existierenden Wasserversorgungsnetzes beschränken wollen. Ausweislich des ersten Satzes des Beschlussprotokolls hat die Gemeindevertretung in dieser Sitzung beschlossen, „die Überplanung des Wasserversorgungsnetzes dem Dipl. Ing. John in Auftrag zu geben“. Diese Formulierung schließt die vom Oberverwaltungsgericht gezogene Schlussfolgerung, die Gemeinde habe nicht nur eine Anpassung der Technik an den neuesten Stand, sondern eine am künftigen Bedarf orientierte langfristige Versorgungskonzeption im Blick gehabt, nicht offenkundig aus.

5 Soweit sich das Oberverwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen auf den Technischen Bericht von 1975 stützt, ist eine Aktenwidrigkeit seiner Feststellungen ebenfalls nicht zu erkennen. Warum sich aus der Vorbemerkung des Berichts ergeben soll, dass die Herstellung eines neuen Wasserversorgungssystems nicht Gegenstand der Untersuchung war, legt die Beschwerde nicht dar. Die Aussage in der Vorbemerkung des Berichts, die Untersuchung diene einer umfassenden und vorausschauenden Planung, um die Wasserverteilungsnetze steigenden Belastungen oder anderen Betriebsbedingungen anzupassen, spricht gegen die von der Beschwerde behauptete Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes. Soweit die Beschwerde darüber hinaus auszugsweise wiedergegebene Passagen zum Beleg ihrer Behauptung anführt, es hätte sich der Vorinstanz aufdrängen müssen, dass zu keinem Zeitpunkt eine Neukonzeption der Wasserversorgung geplant gewesen sei, vermag sie damit ebenfalls nicht den Vorwurf der Aktenwidrigkeit darzutun. Die Beschwerde übersieht, dass die im „Technischen Bericht“ vorgenommene Netzanalyse des damaligen Zustandes der Rohrleitungen der Gemeinde Großlittgen der Planung eines auf die zu erwartenden Belastungen im Jahr 2000 zugeschnittenen Versorgungssystems diente. Die Ausführungen im Bericht, die sich mit dem damals aktuellen Netzzustand beschäftigen, finden hierin ihre Erklärung und sind daher nicht geeignet, die Aktenwidrigkeit der Annahme des Oberverwaltungsgerichts zu belegen. Die Stellen des Berichts, die erkennen lassen, dass die Aufgabenstellung darin bestand, ein Versorgungssystem zu planen, das den bis zum Jahr 2000 zu erwartenden Verbrauchssteigerungen genügt (z.B. Teil C Abschnitt 5.2 und 6 des Berichts), lässt die Beschwerde außer Betracht.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.