Beschluss vom 03.04.2003 -
BVerwG 6 B 24.03ECLI:DE:BVerwG:2003:030403B6B24.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.04.2003 - 6 B 24.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:030403B6B24.03.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 24.03

  • Niedersächsisches OVG - 23.12.2002 - AZ: OVG 7 LB 125/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. April 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-verwaltungsgericht Dr. G e r h a r d t und
V o r m e i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag in Form eines Prozessvergleichs die Grundsätze des Vertrags zu Gunsten Dritter anzuwenden sind, insbesondere ob sich die Drittbegünstigung aus dem Inhalt der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ergeben kann. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage bezeichnet und den Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Denn das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass nach § 62 Satz 2 VwVfG die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über den Vertrag zugunsten Dritter auf den Vergleich vom 17. Mai 1978 anzuwenden sind; es hat in diesem Zusammenhang geprüft, ob eine ausdrückliche Regelung im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB vorliegt, ob sich aus den Umständen eine drittberechtigende Regelung ergibt (§ 328 Abs. 2 BGB) und ob eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB in diesem Sinne möglich ist. Der Kläger wirft mithin eine Frage auf, die das Berufungsgericht grundsätzlich in seinem Sinne beantwortet hat, und erstrebt lediglich eine andere Anwendung der genannten Vorschriften in seinem Fall. Er beruft sich der Sache nach allein auf eine unrichtige Anwendung bestehender Rechtsgrundsätze durch das Oberverwaltungsgericht, was nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
b) Soweit die Beschwerde "die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf die vorgenannten Fragen" geklärt wissen will, fehlt es an der Darlegung einer konkreten Rechtsfrage, die der beschließende Senat daraufhin überprüfen könnte, ob sie grundsätzlicher Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gleiches gilt für die Ausführungen der Beschwerde zur Reichweite der "gerichtlichen Befugnisse bei der Auslegung und/oder Umgestaltung öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse" und die Frage, "wie hierdurch materielle Gerechtigkeit über den Einzelfall hinaus geschaffen werden kann".
c) Die Frage, ob ein Vergleichsbeteiligter das ihm zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe übertragene Nutzvermögen ohne Gegenleistung behalten darf, wenn die zu erfüllende Aufgabe von einem Dritten übernommen wird und dieser von dem Personenkreis, der das Nutzvermögen übertragen hat, Gebühren verlangt, oder ob der Beschenkte dann zumindest verpflichtet ist, den Schenker von der Gebühr freizustellen, betrifft ausschließlich die Gegebenheiten des vorliegenden Falls. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern mit ihr über den Fall hinaus klärungsbedürftige Fragen des revisiblen Rechts verbunden sind. Kann die Rüge bereits deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, kann offen bleiben, ob die tatsächlichen Umstände, auf denen die Frage aufbaut, überhaupt von den Feststellungen des Berufungsgerichts gedeckt sind.
2. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor, so dass die Revision auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden kann.
a) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil er bei entsprechendem Hinweis des Gerichts als Nachtragsliquidator des Allgemeinen Realverbandes hätte bestellt werden und auf diese Weise die vom Berufungsgericht verneinte Aktivlegitimation hätte erlangen können, ist, ihre Zulässigkeit unterstellt, unbegründet. Ein Gericht ist bereits grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Beteiligten, insbesondere einen anwaltlich vertretenen Beteiligten, auf außerprozessuale Gestaltungsmöglichkeiten zur Durchsetzung seiner Ansprüche hinzuweisen. Dies gilt hier erst recht, weil die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche offenkundig nicht mit denen übereinstimmen, die ein Liquidator geltend machen könnte, und dies dem Kläger bekannt war (Schriftsatz vom 26. November 1999 S. 9 f.). Die Rüge bleibt aber auch deshalb ohne Erfolg, weil ausgeschlossen werden kann, dass die angefochtene Entscheidung auf einer etwaigen Gehörsverletzung beruht. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation des Klägers für den Fall verneint, dass entgegen seiner zuvor dargelegten Auffassung ein Ersatz- bzw. Anpassungsanspruch bestehen sollte. Ist eine Entscheidung selbständig tragend auf verschiedene Erwägungen gestützt, kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn in Bezug auf alle Erwägungen Revisionszulassungsgründe geltend gemacht und gegeben sind. Dies ist hier nicht der Fall, weil die Berufungsentscheidung, soweit in ihr ein Ersatz- bzw. Anpassungsanspruch verneint worden ist, nicht mit durchgreifenden Zulassungsrügen angegriffen worden ist.
b) Dem Beschwerdevorbringen lassen sich keine Umstände entnehmen, die unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 EMRK einer Entscheidung gemäß § 130 a VwGO entgegengestanden haben könnten. Es ist nicht erkennbar, dass durch eine mündliche Verhandlung ein höheres Maß an Sicherheit in der Entscheidungsfindung erreichbar gewesen wäre (vgl. Beschluss vom 12. März 1999 - BVerwG 4 B 112.98 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 35 = NVwZ 1999, 763 m.w.N.). Der Kläger hat im Berufungsverfahren, soweit hier von Interesse, keine Beweisanträge gestellt. Auf die Anhörung gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO hat er beantragt, den Rechtsstreit nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, und seinen Standpunkt zusammenfassend vorgetragen, ohne aber darzulegen, aus welchen Gründen und in welcher Hinsicht er die Erörterung in einer mündlichen Verhandlung für geboten hält. Entsprechende Erwägungen enthält auch das Beschwerdevorbringen nicht. Allein der Vortrag, die Sachlage sei nicht unstreitig gewesen, genügt nicht, eine konventionswidrige Anwendung des § 130 a VwGO durch das Berufungsgericht darzutun.
c) Soweit sich die Beschwerde darauf stützt, im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung werde davon ausgegangen, dass unstreitig die Gräben, zu deren Unterhaltung der Kläger eine Beitragserstattung von der Beklagten verlange, nicht Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs gewesen seien, dies treffe aber nicht zu, vielmehr habe der Kläger unter Beweisantritt dargelegt, dass diese Gräben sehr wohl vom gerichtlichen Vergleich miterfasst gewesen seien, kann dahingestellt bleiben, ob darin eine selbständige und zulässige Verfahrensrüge gesehen werden kann. Der Beschwerdevortrag trifft nämlich nicht zu, so dass eine Verfahrensrüge bereits deshalb keinen Erfolg haben könnte. Die angefochtene Entscheidung enthält keine dahin gehende Feststellung, dass die Gräben, auf die sich das Klagebegehren bezieht, unstreitig von dem gerichtlichen Vergleich vom 17. Mai 1978 nicht erfasst worden sind. Ebenso wenig ist den Akten ein diesbezüglicher Beweisantritt des Klägers zu entnehmen.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes folgt aus § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.