Urteil vom 03.04.2008 -
BVerwG 1 D 1.07ECLI:DE:BVerwG:2008:030408U1D1.07.0

Urteil

BVerwG 1 D 1.07

  • VG Braunschweig - 14.09.2006 - AZ: VG 12 A 7/03

In dem Disziplinarverfahren BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 1.07
VG 12 A 7/03
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Technischen Fernmeldehauptsekretär a.D. ...,
...,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 3. April 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
Zollbetriebsinspektor Kleoff
und Posthauptsekretärin Beilenhoff
als ehrenamtliche Richter
sowie
Postoberrätin ...,
als Vertreterin der Einleitungsbehörde,
Rechtssekretär ...,
als Verteidiger
und
Justizhauptsekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Technischen Fernmeldehauptsekretärs a.D. ... wird das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 14. September 2006 dahin geändert, dass der Unterhaltsbeitrag für die Dauer von zwölf Monaten auf 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts festgesetzt wird.
  2. Der Ruhestandsbeamte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I

1 Das Verwaltungsgericht ... hat mit Urteil vom 14. September 2006 entschieden, dass dem ... Ruhestandsbeamten wegen eines schweren Dienstvergehens das Ruhegehalt aberkannt wird. Zugleich ist dem Ruhestandsbeamten ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von sechs Monaten bewilligt worden.

2 Der Ruhestandsbeamte hat gegen das Urteil zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat er das Rechtsmittel auf die Bewilligung eines erweiterten Unterhaltsbeitrags beschränkt und beantragt, ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von zwölf Monaten zu gewähren.

II

3 Die auf den Unterhaltsbeitrag beschränkte Berufung hat Erfolg. Sie führt zu der beantragten Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags in erweitertem Umfang.

4 Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen, weil es vor dem 1. Januar 2002 förmlich eingeleitet worden ist (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).

5 1. Die (nachträgliche) Beschränkung des Rechtsmittels auf die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags in erweitertem Umfang ist zulässig. Da die Entscheidung über die Bewilligung oder Versagung einer solchen finanziellen Unterstützung als gerichtliche Nebenentscheidung einen rechtlich abgrenzbaren Teil des erstinstanzlichen Urteilsausspruchs darstellt, kann sie zum Gegenstand einer selbstständigen Prüfung und Rechtsmittelentscheidung gemacht werden (stRspr, z.B. Urteil vom 23. Mai 2006 - BVerwG 1 D 18.05 - juris Rn. 6 m.w.N.).

6 Die Beschränkung der Berufung auf den Unterhaltsbeitrag hat zur Folge, dass der Senat an die Tat- und Schuldfeststellungen des Verwaltungsgerichts ebenso gebunden ist wie an die rechtliche Bewertung als Dienstvergehen und an die Rechtsfolge der Aberkennung des Ruhegehalts; er hat nur noch über den Unterhaltsbeitrag zu befinden.

7 2. Dem Ruhestandsbeamten steht gemäß § 77 Abs. 1 BDO ein Unterhaltsbeitrag zum beantragten gesetzlichen Höchstsatz von 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von zwölf Monaten zu.

8 Der Ruhestandsbeamte ist eines Unterhaltsbeitrags nicht unwürdig und in der zuerkannten Höhe auch bedürftig. An diese Entscheidungen der Vorinstanz ist der Senat ebenfalls gebunden, da die Vertreterin der Einleitungsbehörde, die in die Rechtsstellung des Bundesdisziplinaranwalts eingetreten ist (Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33 <44 f.>), in der Hauptverhandlung keinen Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 4 BDO gestellt hat (vgl. dazu Urteil vom 24. Oktober 1995 - BVerwG 1 D 44.94 - m.w.N.). Der Senat hat aber den Bewilligungszeitraum antragsgemäß auf zwölf Monate erweitert. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der jetzt 59-jährige Ruhestandsbeamte bereits seit über acht Jahren dienstunfähig ist. Sein Gesundheitszustand hat sich inzwischen weiter verschlechtert, wie er in der Hauptverhandlung vor dem Senat glaubhaft dargelegt hat. Unter diesen Umständen ist es derzeit höchst ungewiss, ob er in absehbarer Zeit einen Arbeitsplatz finden wird. Sollte sich der Ruhestandsbeamte, der von seinem Dienstherrn in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern ist, um eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) bemühen, würde das entsprechende Verfahren voraussichtlich auch nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Der Senat hat deshalb - wie in den Nachversicherungsfällen von Ruhestandsbeamten im gesetzlichen Rentenalter - die Laufzeit des Unterhaltsbeitrags auf zwölf Monate festgesetzt. Dies reicht (vorerst) aus, um die Möglichkeiten eines Übergangs in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu klären. Im Hinblick auf die Anrechenbarkeit und die Abtretungspflicht zeitgleich bezogener gesetzlicher Renten (vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 und 2 BDO) ist dabei das Risiko einer Zweckentfremdung des Unterhaltsbeitrags für den Fall einer etwaigen früheren Rentengewährung aufgrund einer Laufzeitverlängerung des Unterhaltsbeitrags für den Dienstherrn vermeidbar (vgl. dazu insgesamt z.B. Urteil vom 26. September 2001 - BVerwG 1 D 32.00 - ZBR 2002, 271<274> m.w.N.).

9 Der verlängerten Bewilligungsdauer des Unterhaltsbeitrags liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Ruhestandsbeamte nachweisbar und in ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend, um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Lebensgrundlagen bemüht. Der Senat macht vorsorglich darauf aufmerksam, dass sich z.B. die Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nicht auf die Meldung beim Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) als arbeitsuchend beschränken dürfen. Der Ruhestandsbeamte ist von vornherein gehalten, sich rechtzeitig und fortwährend z.B. auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitungen oder im Internet zu bewerben und auch selbst, beispielsweise durch eigene Stellengesuche, initiativ zu werden. Dabei ist es ihm gegebenenfalls auch zuzumuten, einfache Arbeiten, die keine oder nur eine geringe Qualifikation voraussetzen, anzunehmen. Bei Erfolglosigkeit ist der Nachweis dieser Bemühungen - ebenso wie der Nachweis erfolgloser Bemühungen um eine vorzeitige Rentengewährung - Voraussetzung einer etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO. Diese ist gegebenenfalls beim zuständigen Verwaltungsgericht, unter Vorlage entsprechender Unterlagen, zu beantragen (vgl. zur Rechtslage nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetz: Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 10 = ZBR 2002, 436 = DokBer B 2002, 95 und vom 19. Oktober 2004 - BVerwG 1 DB 5.04 -).

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO. Danach hat der Ruhestandsbeamte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, soweit er das Rechtsmittel nachträglich beschränkt und damit teilweise zurückgenommen hat. Eine Kostenquotelung unter dem Gesichtspunkt der antragsgemäß erweiterten Unterhaltsbewilligung kommt nicht in Betracht, weil es sich im Hinblick auf den Umfang der zunächst eingelegten Berufung nur um einen verhältnismäßig geringfügigen Teilerfolg handelt (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 1 D 12.04 - m.w.N.).