Beschluss vom 04.01.2017 -
BVerwG 7 B 4.16ECLI:DE:BVerwG:2017:040117B7B4.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.01.2017 - 7 B 4.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:040117B7B4.16.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 4.16

  • VG Gera - 12.02.2009 - AZ: VG 5 K 1708/07 Ge
  • OVG Weimar - 10.12.2015 - AZ: OVG 1 KO 345/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Januar 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Böhmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 24 616,55 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen an ihre Rechtsvorgängerin gerichtete Maßnahmen zur Sicherung eines im Jahr 2003 erfolgten Erdrutsches im Bereich einer ehemals von dem VEB M. betriebenen und vor Jahrzehnten stillgelegten Eisenerzgrube. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Maßnahmen seien zu Unrecht gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichtet worden, denn diese sei nicht Rechtsnachfolgerin des früheren Bergbauberechtigten, des VEB M., geworden. Die Rechtsnachfolge in eine öffentlich-rechtliche Pflichtenposition setze grundsätzlich eine formalgesetzliche Grundlage voraus, die hier nicht vorliege. Mangels umfassenden Eintritts in alle Rechtspositionen des VEB M. sei auch keine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

3 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.

5 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juni 1995 - 8 B 61.95 - juris, vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 und vom 21. April 2015 - 7 B 9.14 - NVwZ-RR 2015, 566 Rn. 5). So liegt es hier nicht.

6 Der Beklagte entnimmt dem angefochtenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts den entscheidungstragenden Rechtssatz, dass die Begründung materieller Polizei- und Ordnungspflichten einschließlich ihres Übergangs auf Dritte im Wege der Rechtsnachfolge ein Eingriff in Freiheit und Eigentum sei, der dem Vorbehalt des Gesetzes unterliege. Dem wird aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 - 7 C 3.05 - (BVerwGE 125, 325 Rn. 25) der Rechtssatz gegenübergestellt, dass der Vorbehalt des Gesetzes erst für den konkreten Zugriff auf Freiheit und Eigentum des Bürgers gelte. Damit hat der Beklagte eine entscheidungserhebliche Divergenz aber nicht aufgezeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in dem zitierten Urteil zwar mit der Bedeutung des Gesetzesvorbehalts für die Rechtsnachfolge befasst (Rn. 24 f.). Es hat dazu ausgeführt, dem Vorbehalt des Gesetzes liege das Gebot zugrunde, dass der Bürger dem Verfahrensrecht und dem materiellen Recht entnehmen können müsse, unter welchen Voraussetzungen in seine Freiheit und sein Eigentum eingegriffen werden dürfe. Dieses Gebot sei indes erst dann zu beachten, wenn der Polizeiträger in die Rechte des Bürgers eingreife. Das Gericht hat daraus aber nicht den Schluss gezogen, die Rechtsnachfolge bedürfe keiner normativen Regelung, sondern im Gegenteil das Erfordernis einer Übergangsnorm betont. Lediglich eine positivrechtliche, speziell auf den Rechtsnachfolger bezogene Eingriffsregelung wird in der Entscheidung als entbehrlich angesehen; ihm gegenüber sei dieselbe polizeiliche Eingriffsbefugnis anwendbar, die dem Rechtsvorgänger gegenüber zur Anwendung gelangt wäre. Hinsichtlich der hier entscheidungserheblichen Frage nach der Notwendigkeit einer normativen Regelung des Rechts- und Pflichtenübergangs stehen beide Urteile mithin nicht in einem Widerspruch zueinander. Außerdem betreffen die Ausführungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Fragen der Gesamtrechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Pflichten, deren Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt noch aussteht, und nicht wie in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts die Einzelrechtsnachfolge in Verhaltensverantwortlichkeiten.

7 2. Mit der Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dringt der Beklagte ebenso wenig durch. Der von ihm bezeichneten Frage,
Ist eine Einzelrechtsnachfolge in eine Polizeipflicht ausgeschlossen?
kommt nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, die er ihr beimisst. In Betracht kommen allein Rechtsfragen zu einer Rechtsvorschrift, auf die gemäß § 137 Abs. 1 VwGO eine Revision gestützt werden kann. Die klärungsbedürftige Rechtsfrage muss also einen Rechtssatz des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) oder des revisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) betreffen. Daran fehlt es hier.

8 Die Grundsatzrüge bezieht sich weder auf die Auslegung von Bundesrecht noch auf die Auslegung einer Vorschrift des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Vielmehr geht es um die grundsätzliche Bedeutung einer Auslegung von Vorschriften des Thüringer Altbergbau- und Unterirdische Hohlräume-Gesetzes (ThürABbUHG) vom 23. Mai 2001 (GVBl. S. 41) i.d.F. der Änderung durch das Thüringer Gesetz zur Anpassung von Behördenbezeichnungen in der Bergverwaltung vom 03. Dezember 2002 (GVBl. S. 430, 431). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann zwar die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2007 - 6 B 81.06 - Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 83 S. 18 und vom 7. April 2011 - 9 B 61.10 - juris Rn. 8). Dem genügt das Beschwerdevorbringen aber nicht. Es wird keine bislang ungeklärte Frage formuliert, die gerade die Auslegung von Landesrecht korrigierenden bundesrechtlichen Vorgaben betrifft.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.