Beschluss vom 04.04.2006 -
BVerwG 7 B 94.05ECLI:DE:BVerwG:2006:040406B7B94.05.0

Beschluss

BVerwG 7 B 94.05

  • Bayerischer VGH München - 29.09.2005 - AZ: VGH 7 B 04.2927

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. September 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die Unterlassung einer abträglichen Äußerung über eine von ihm getragene Schule.

2 Der Kläger ist Träger der privaten Grund- und Hauptschule „L.“ in E., einer Bekenntnisschule der Glaubensgemeinschaft „Universelles Leben“. Er erhielt die erforderliche staatliche Genehmigung, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Freistaat Bayern auf eine Klage des Klägers zu ihrer Erteilung verpflichtet hatte (Urteil vom 24. Juli 1991 - 7 B 90.28 73 - BayVBl 1992, 239).

3 Auf der Internetseite der Evangelisch-Lutherischen Pfarrei M., zu deren Kirchspiel die Ortschaft E. gehört, fand sich über die Schule des Klägers folgende Äußerung:
In der Folge kam es zu einem mehrjährigen Rechtsstreit, an dessen Ende der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) 1991 die Schulbehörden verpflichtete, die Genehmigung für die „Christusschule“ zu erteilen. Dies geschah im wesentlichen aus formaljuristischen Gründen. Rechtlich nicht hinreichend geklärt ist bisher die Frage der Verfassungswidrigkeit der UL-Schule, für die es deutliche Hinweise gibt. Auf Grund neuer Erkenntnisse hat der VGH inzwischen selbst festgestellt, daß das Menschenbild des UL mit dem Grundgesetz und der bayerischen Verfassung unvereinbar sei. Von daher wäre es gerade auch im objektiven Interesse der Schüler wünschenswert, wenn die Frage der Genehmigung der E. Christusschule neu aufgerollt werden würde.

4 Der Kläger forderte den Pfarrer, der für die Internetseite verantwortlich ist, sowie die beklagte Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern erfolglos auf, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung abzugeben und die Äußerung aus dem Internet zu entfernen.

5 Der Kläger erhob daraufhin Klage gegen die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern mit dem Antrag, ihr zu untersagen, ausdrücklich oder sinngemäß zu äußern oder äußern zu lassen, rechtlich nicht hinreichend geklärt sei bisher die Frage der Verfassungswidrigkeit der UL-Schule, für die es deutliche Hinweise gebe.

6 Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung des Klägers durch das angefochtene Urteil zurück. Er stützte seine Entscheidung unter anderem darauf, der für die Internetseite verantwortliche Pfarrer habe der gesteigerten Sorgfaltspflicht genügt, der öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgemeinschaften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Äußerungen über andere, nicht korporierte Religionsgemeinschaften unterlägen. Er habe sich vor seiner Äußerung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für seine Aussage verschafft. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dürfe die Beklagte auf Grund der vielfältigen Schriften und Lehrwerke des „Universellen Lebens“ die Schlussfolgerung ziehen, das „Universelle Leben“ könne als „Entpersönlichungs- und Entsozialisierungssystem“ bezeichnet werden. Diese Einschätzung der Religionsgemeinschaft dürfe auf deren Bekenntnisschule übertragen werden. Dabei müsse sich die Glaubensgemeinschaft „Universelles Leben“ entgegenhalten lassen, dass der Inhalt ihrer Schriften so interpretiert werde, wie er durch einen außenstehenden Leser verstanden werden könne. Dass die Schule bislang von der staatlichen Schulaufsicht nicht beanstandet worden sei, ändere an diesem Ergebnis nichts.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

8 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

9 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die der Kläger ihr beimisst.

10 a) Der Kläger möchte zum einen (sinngemäß) die Frage geklärt wissen,
ob eine Religionsgemeinschaft Schriften einer (konkurrierenden) anderen Religionsgemeinschaft so interpretieren darf, wie sie durch einen außenstehenden Leser verstanden werden können, und ob sie dieses Verständnis wertenden Schlussfolgerungen über die konkurrierende Religionsgemeinschaft zu Grunde legen darf oder ob sie Aussagen der anderen Religionsgemeinschaft nur so verwenden darf, wie sie deren Selbstverständnis, Lehre und Begrifflichkeit entsprechen.

11 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinreichend geklärt ist.

12 Danach ist der Staat bei allgemeinen Informationen über religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaften nicht zu einer authentischen Interpretation ihrer Lehren verpflichtet. Er kann sie allein nach ihrem objektiven Erklärungswert bewerten. Ebenso darf ein Tatsachengericht bei der Beurteilung von Lehraussagen einer Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft auf deren objektiven Erklärungswert für einen Dritten abstellen, der in Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft nicht besonders sachkundig ist (Beschluss vom 13. März 1991 - BVerwG 7 B 99.90 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 47). Der Staat darf die Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft in einem für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht zusammenhängend darstellen, ohne hierzu von der Gemeinschaft autorisiert zu sein. Der Staat ist zur öffentlichen Kritik an der Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft berechtigt. Damit ist notwendig das Recht zur öffentlichen Darstellung dieser Lehre verbunden. Darin liegt kein Eingriff in das Recht der betroffenen Gemeinschaft, den Inhalt ihrer Religion oder Weltanschauung selbst festzulegen und zu verbreiten. Vielmehr macht der Staat mit seinen Äußerungen von einem eigenen Recht zur Stellungnahme Gebrauch. Aus dem Wesen dieses Rechts folgt weiter, dass der Staat bei seiner Ausübung nicht auf das Einverständnis der Gemeinschaft angewiesen ist (Beschluss vom 4. Mai 1993 - BVerwG 7 B 149.92 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 54).

13 Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass für kritische Äußerungen einer Religionsgemeinschaft über eine andere Religionsgemeinschaft keine anderen Maßstäbe an die Auseinandersetzung mit den Lehren dieser Religionsgemeinschaft anzulegen sind.

14 Davon abgesehen ist die Frage nicht entscheidungserheblich. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Äußerung des für die Internetseite verantwortlichen Pfarrers von M., die Verfassungswidrigkeit der von dem Kläger getragenen Schule sei rechtlich nicht hinreichend geklärt. Der Pfarrer hat sich in diesem Zusammenhang mit den Lehren der hinter der Schule stehenden Glaubensgemeinschaft „Universelles Leben“ nicht befasst.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat ihm allerdings zugebilligt, er habe der gesteigerten Sorgfaltspflicht genügt, die Religionsgemeinschaften in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bei Äußerungen über andere Religionsgemeinschaften zu wahren hätten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang festgestellt, der Pfarrer habe sich vor seiner Äußerung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für seine Aussage verschafft. Er habe auf frühere Rechtsprechung verweisen dürfen, nach welcher der Sektenbeauftragte der Beklagten aus den vielfältigen Schriften und Lehrwerken des „Universellen Lebens“ die Schlussfolgerung habe ziehen dürfen, das „Universelle Leben“ könne als Entpersönlichungs- und Entsozialisierungssystem bezeichnet werden.

16 Insoweit kam es aber in diesem Rechtsstreit nicht (erneut) darauf an, ob der Sektenbeauftragte seinerseits berechtigt war, aus den Schriften und Lehrwerken des „Universellen Lebens“ die vom Kläger beanstandete Schlussfolgerung zu ziehen, und ob dieser Schlussfolgerung insbesondere eine Interpretation der Lehren des „Universellen Lebens“ zu Grunde liegt, die zwar dem Verständnis eines außenstehenden Lesers entsprechen mag, aber mit dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft nicht vereinbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich die jetzt allein streitige Äußerung auch deshalb für zulässig gehalten, weil der Pfarrer von M. bei seiner Aussage davon ausgehen durfte, dass Äußerungen wie die vom Verwaltungsgerichtshof angeführte über die Glaubensgemeinschaft „Universelles Leben“ gerichtlich unbeanstandet geblieben sind. Der Pfarrer von M. musste - so ist das Urteil zu verstehen - nicht erneut die Lehren des „Universellen Lebens“ selbst nachprüfen, sondern durfte allein an den Umstand anknüpfen, dass bestimmte abträgliche Äußerungen über diese Glaubensgemeinschaft gerichtlich nicht beanstandet wurden. Er durfte aus dieser Rechtsprechung die weitere Schlussfolgerung ziehen, auch die Bekenntnisschule der Glaubensgemeinschaft sei erneut verfassungsrechtlich zu überprüfen.

17 b) Der Kläger möchte ferner die Frage geklärt wissen,
ob in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Religionsgesellschaften in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bei konfliktträchtigen Äußerungen über andere Religionsgemeinschaften oder über ihnen zuzurechnende wirtschaftliche Unternehmen gehalten sind, die Grundlagen ihrer Äußerungen - gleichgültig, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handelt ,- in fachkompetenter Weise zu ermitteln und bei ihren Äußerungen einen angemessenen Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit zu wahren haben, sowie ob Äußerungen unzulässig sind, für die nicht nachgewiesen ist, dass ihre Grundlagen in fachkompetenter Weise ermittelt sind.

18 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht beantwortet werden müsste.

19 Der Kläger knüpft mit ihr an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, insbesondere an das Urteil vom 20. Februar 2003 - III ZR 224/01 - (BGHZ 154, 54). Danach unterliegt der Sektenbeauftragte einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft bei kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit über andere Personen und Unternehmen im Hinblick auf die Grundrechte der Betroffenen gesteigerten Sorgfaltspflichten: Er sei im öffentlichen Meinungskampf weitergehenden Bindungen als der einzelne Bürger unterworfen. Von ihm könne zwar nicht Neutralität verlangt werden, wohl aber ein angemessener Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit. Er dürfe Andere persönlich wie auch wirtschaftlich existenziell betreffende Urteile nicht abgeben, ohne sich zuvor hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Abqualifizierung verschafft zu haben.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil zwar Zweifel daran geäußert, ob bei öffentlichen Äußerungen unterschiedliche Anforderungen an ihre Zulässigkeit gestellt werden dürften, je nachdem ob sie von einem Amtsträger einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft oder einer anders strukturierten Religionsgemeinschaft abgegeben werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch zu Gunsten des Klägers angenommen, der Pfarrer von M. habe als Amtsträger der Beklagten bei seinen Äußerungen über den Kläger und die von ihm getragene Schule den erhöhten Sorgfaltsanforderungen unterlegen, welche der Bundesgerichtshof an die Äußerung von Amtsträgern öffentlich-rechtlich korporierter Religionsgemeinschaften stellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in tatsächlicher Hinsicht angenommen, dass die Äußerung diesen Anforderungen genügt, ohne dass - wie noch auszuführen ist - insoweit zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind. Weil als Alternative nur in Betracht kommt, dass der Pfarrer sich wie jeder beliebige Dritte über den Kläger und die von ihm getragene Schule hat äußern dürfen, und weil seine Äußerung den dafür geltenden Maßstäben erst recht standhält, bedürfte es in dem angestrebten Revisionsverfahren keiner Klärung des abstrakt geltenden Maßstabes.

21 Der Kläger beanstandet zudem in Wirklichkeit, dass der Verwaltungsgerichtshof den Maßstab, den er aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übernommen hat, auf den konkreten Einzelfall unzutreffend angewandt hat und gemessen an diesem Maßstab zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Dies betrifft aber nur die Anwendung eines als solchen im konkreten Fall nicht klärungsbedürftigen abstrakten Maßstabes auf den Einzelfall, ohne dass der Beschwerdeschrift entnommen werden kann, dass dabei über den Einzelfall hinaus weisende Aussagen getroffen werden könnten, die ihrerseits der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleihen könnten.

22 Das gilt namentlich, soweit der Kläger der Auffassung ist, gemessen an dem Maßstab, den der Bundesgerichtshof für Äußerungen des Sektenbeauftragten einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft herausgearbeitet habe, sei es unzulässig, wenn dieser Sektenbeauftragte Schriften der von ihm kritisierten Religionsgemeinschaft nach dem Maßstab des Verständnisses außenstehender Leser interpretiere. Auch in diesem Zusammenhang ist die aufgeworfene Frage weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Sie ist nicht klärungsfähig, weil es - wie dargelegt - auf die erneute Überprüfung der Zulässigkeit früherer Äußerungen des Sektenbeauftragten nicht ankommt, der Pfarrer von M. vielmehr mit der hier allein in Streit stehenden Aussage unter Wahrung seiner gesteigerten Sorgfaltspflicht daran anknüpfen durfte, dass diese früheren Äußerungen gerichtlich unbeanstandet geblieben sind. Die Frage ist nicht klärungsfähig, weil - wie ebenfalls bereits dargelegt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch der Staat bei seinen kritischen Äußerungen über eine Religionsgemeinschaft deren Lehren nach dem Maßstab eines außenstehenden Lesers interpretieren und diese Interpretation seiner Kritik zu Grunde legen darf. Für den Sektenbeauftragten einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft gelten jedenfalls keine weitergehenden Anforderungen an die Zulässigkeit kritischer Äußerungen über eine konkurrierende Religionsgemeinschaft als für staatliche Stellen. Solche weitergehenden Anforderungen hat auch der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang nicht gestellt.

23 Unbegründet ist der Vorwurf des Klägers, der Verwaltungsgerichtshof weiche in der Sache von dem Maßstab ab, den der Bundesgerichtshof für die Zulässigkeit von Äußerungen eines Sektenbeauftragten einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft aufgestellt habe und den er deshalb nur scheinbar übernehme. Dieser Vorwurf trifft in der Sache nicht zu, so dass offen bleiben kann, ob sich aus einer solchen „Abweichung“ von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben könnte. Der Kläger greift in diesem Zusammenhang eine frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs auf, in welcher der Verwaltungsgerichtshof der Landesanstalt für politische Bildungsarbeit die Äußerung untersagt hat, in der vom Kläger getragenen Schule finde „eine Manipulation von Kindern im Sinne der Lehre des Universellen Lebens“ statt. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil auf eine frühere Entscheidung vom 18. Dezember 1995 - 7 CE 95.21 08 - Bezug genommen, in der er eine vergleichbare Äußerung des Sektenbeauftragten der Beklagten mit der Begründung unbeanstandet gelassen hat, dieser unterliege anders als die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit bei seinen Äußerungen nicht dem Gebot der Zurückhaltung und Sachlichkeit. Jedoch lässt sich dem jetzt angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht entnehmen, dass nach seiner Auffassung der Pfarrer aus dem Vorwurf einer Manipulation von Kindern im Sinne der Lehre des „Universellen Lebens“ Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Schule hergeleitet hat und herleiten durfte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht vielmehr in anderen unbeanstandet gebliebenen Aussagen des Sektenbeauftragten einen hinreichenden Anknüpfungspunkt und sachlichen Bezug für die jetzt angegriffene Aussage.

24 2. Das angefochtene Urteil weicht nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab.

25 a) Der Kläger entnimmt dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1980 - 1 BvR 797/78 - (BVerfGE 54, 208) den Rechtssatz,
das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze nicht nur vor unrichtigen Zitaten, sondern auch davor, dass eine nach dem Verständnis eines Durchschnittslesers oder -hörers vertretbare Interpretation einer mehrdeutigen Äußerung des Kritisierten als Zitat ausgegeben wird, ohne dass kenntlich gemacht wird, dass es sich um eine Interpretation des Kritikers handelt.

26 Der Kläger legt indes nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil einen abstrakten Rechtssatz gegenteiligen Inhalts aufgestellt hat. Gegenstand der Entscheidung ist allein die beanstandete Äußerung des Pfarrers von M., rechtlich nicht hinreichend geklärt sei bisher die Frage der Verfassungswidrigkeit der vom Kläger getragenen Schule, für die es deutliche Hinweise gäbe.

27 Davon abgesehen besteht kein Gegensatz zwischen dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz und der vom Verwaltungsgerichtshof in anderem Zusammenhang vertretenen Auffassung, der Sektenbeauftragte der Beklagten müsse bei der Interpretation der Lehren der Glaubensgemeinschaft „Universelles Leben“ auf deren authentische Interpretation und deren Selbstverständnis keine Rücksicht nehmen, sondern dürfe sie so wie ein Außenstehender verstehen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es unzulässig, die interpretierte Aussage eines Dritten als Zitat auszugeben, ohne kenntlich zu machen, dass es sich um eine Interpretation des Kritikers handelt. Danach ist es nicht unzulässig, bei Aussagen über eine Religionsgemeinschaft zwischen der Wiedergabe als solcher gekennzeichneter Zitate und deren Interpretation zu trennen. Das Bundesverfassungsgericht verbietet nicht die Interpretation von Aussagen Dritter. Unzulässig ist es lediglich, die interpretierte Aussage in dieser Form dem Dritten als Zitat zu unterschieben.

28 b) Der Kläger entnimmt dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2001 - 2 BvR 943/99 - (NVwZ 2001, 908) den Rechtssatz,
öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften unterlägen bei Äußerungen über andere Religionsgemeinschaft Pflichten, die erhöhte Rücksichtnahme auf die Rechte Dritter beinhalteten.

29 Es ist bereits zweifelhaft, ob das Bundesverfassungsgericht in der angesprochenen Kammerentscheidung tatsächlich einen abstrakten und die Entscheidung tragenden Rechtssatz dieses Inhalts aufgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich dahinstehen lassen, ob bei der Bestimmung der Grenzen zulässiger Äußerungen in Rechnung zu stellen sei, dass den korporierten Religionsgemeinschaften die Pflichten des Grundgesetzes zum Schutz der Rechte Dritter näher lägen als anderen Religionsgemeinschaften, weil sie über besondere Machtmittel und einen erhöhten Einfluss in Staat und Gesellschaft verfügten.

30 Jedenfalls hat der Verwaltungsgerichtshof keinen Rechtssatz aufgestellt, der von demjenigen abweicht, den der Kläger der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts entnimmt. Denn der Verwaltungsgerichtshof legt seinem Urteil ausdrücklich die Auffassung zu Grunde, dass von den öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften bei Äußerungen über andere Religionsgemeinschaften zwar nicht Neutralität verlangt werden könne, wohl aber ein angemessener Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit. Mit dieser erhöhten Sorgfaltspflicht greift der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf, die sich ihrerseits an die vom Kläger erwähnte Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts anlehnt.

31 In Wahrheit macht der Kläger auch in diesem Zusammenhang nur geltend, der Verfassungsgerichtshof hätte bei zutreffender Anwendung dieses Maßstabes zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Die angeblich unzutreffende Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten Rechtssatzes auf den Einzelfall stellt indes keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.

32 3. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

33 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Der Kläger erhebt diesen Vorwurf mit Blick auf Äußerungen des Sektenbeauftragten der Beklagten, auf die der Verwaltungsgerichtshof in der jetzt angefochtenen Entscheidung verwiesen und in denen er einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die nunmehr beanstandete Äußerung des Pfarrers von M. gesehen hat. Der Kläger meint, der Verwaltungsgerichtshof hätte mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Schriften der Religionsgemeinschaft „Universelles Leben“ erörtern müssen, auf die gestützt der Sektenbeauftragte seinerzeit das „Universelle Leben“ als „Entpersönlichungs- und Entsozialisierungssystem“ bewertet hat.

34 Insoweit kann das jetzt angefochtene Urteil aber auf dem angeblichen Verfahrensfehler nicht beruhen. Wie bereits ausgeführt, war für den Verwaltungsgerichtshof nur entscheidungserheblich, dass diese frühere Aussage des Sektenbeauftragten gerichtlich unbeanstandet geblieben und ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die jetzt allein streitige Aussage über eine mögliche Verfassungswidrigkeit der vom Kläger getragenen Schule ist.

35 Abgesehen davon liegt der behauptete Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht vor. Das wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Verwaltungsgerichtshof den Inhalt jener Schriften - soweit es auf ihn ankam - nicht ermittelt hätte. Der Vorwurf des Klägers zielt aber dahin, dass diese Schriften bei richtigem Verständnis den Vorwurf nicht tragen können, das „Universelle Leben“ sei ein „Entpersönlichungs- und Entsozialisierungssystem“. Es geht mithin nicht um den Inhalt der Texte, sondern um deren Interpretation und die Zulässigkeit von Schlussfolgerungen aus ihnen. Damit geht es um die Anwendung materiellen Rechts, nicht aber um die Feststellung des Sachverhalts.

36 b) Der Kläger ist nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Auch diesen Vorwurf erhebt der Kläger mit Blick auf die in Bezug genommene frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und deren Verwertung im vorliegenden Verfahren. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof aber dem Kläger nicht die Möglichkeit abgeschnitten, schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung darzulegen, dass die seinerzeit unbeanstandet gebliebene Äußerung des Sektenbeauftragten auf einer unvollständigen oder missverständlichen Erfassung der Schriften des „Universellen Lebens“ beruht. Der Kläger hatte Anlass, zu dieser Frage vorzutragen, ohne dass der Verwaltungsgerichtshof besonders darauf hätte hinweisen müssen, dass er beabsichtige, jene frühere Entscheidung auch hier heranzuziehen. Denn bereits das Verwaltungsgericht hat - wie der Kläger selbst vorträgt - seine Entscheidung auf die früheren Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs gestützt. Schon deshalb musste der Kläger damit rechnen, dass auch der Verwaltungsgerichtshof sich auf seine früheren Entscheidungen stützen werde.

37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.