Beschluss vom 04.04.2007 -
BVerwG 1 B 30.07ECLI:DE:BVerwG:2007:040407B1B30.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 B 30.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:040407B1B30.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 30.07

  • VGH Baden-Württemberg - 20.12.2006 - AZ: VGH A 12 S 292/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2006 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Beschwerde bliebe zwar mit dem von ihr ausdrücklich geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ohne Erfolg. Mit ihren Ausführungen zur Grundsatzrüge beanstandet sie aber der Sache nach die fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO in einer Weise, welche den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels entspricht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Verfahrensfehler liegt auch vor. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.

2 Die Beschwerde beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe überzogene Anforderungen an den Inhalt der nach § 124a Abs. 6 VwGO erforderlichen Berufungsbegründung gestellt und habe deshalb die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Nach § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Berufungsgründe enthalten. Welche Mindestanforderungen an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt dabei wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Das gesetzliche Erfordernis der Einreichung eines Schriftsatzes zur Berufungsbegründung kann grundsätzlich auch eine auf die erfolgreiche Begründung des Zulassungsantrags verweisende Begründung erfüllen, wenn damit hinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, dass und weshalb das erstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 10 m.w.N.). Das wird auch vom Berufungsgericht nicht verkannt. Dieses meint aber zu Unrecht, dass der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. April 2006 diesen Anforderungen nicht gerecht werde. Im vorliegenden Fall wird aus der kurzen Berufungsbegründung nämlich noch hinreichend deutlich, dass sie sich auf die erfolgreiche Begründung des Zulassungsantrags bezieht. Denn sie erwähnt ausdrücklich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Unterstützungshandlungen des Klägers für die PKK und die als nicht fernliegend gewertete Tatsache, dass der Kläger den türkischen Behörden namentlich bekannt ist. Beide Umstände bilden auch den Ausgangspunkt für die Begründung des Zulassungsantrags des Klägers, der sich auf eine zu § 60 Abs. 8 AufenthG aufgeworfene Rechtsfrage bezieht und diese ausführlich darlegt. Nimmt man zu diesen Begründungselementen der Berufungsbegründung noch die Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen des Klägers „im Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren“ hinzu, so ist dies unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles dahin zu verstehen, dass hiermit insbesondere die Gründe des Berufungszulassungsantrags gemeint sind. Der Zulassungsantrag lässt aber hinreichend erkennen, dass und weshalb das erstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird. Die Verwerfung der Beschwerde durch Beschluss nach § 125 Abs. 2 VwGO verletzt daher Verfahrensrecht.

3 Der Senat weist darauf hin, dass es keiner Entscheidung des Berufungsgerichts über den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers vom 30. Juni 2006 betreffend die Stellung eines bestimmten Berufungsantrags mehr bedarf. Denn aus der Berufungsbegründung wird hinreichend deutlich, dass der Kläger das verwaltungsgerichtliche Urteil in vollem Umfang anfechten und seine erstinstanzlich gestellten Anträge auch im Berufungsverfahren weiter verfolgen will, zumal er auf seinen Zulassungsantrag Bezug genommen hat und das Berufungsgericht daraufhin die Berufung ohne Beschränkung zugelassen hat (vgl. hierzu Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 1 B 13.06 - juris).