Beschluss vom 04.05.2004 -
BVerwG 9 VR 6.04ECLI:DE:BVerwG:2004:040504B9VR6.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.05.2004 - 9 VR 6.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:040504B9VR6.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 VR 6.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Mai 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und Prof. Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 6. Februar 2004 wird abgelehnt.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25 000 € festgesetzt.

I


Die Antragstellerin, eine zum 26. Oktober 2003 neu gebildete Gemeinde, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 6. Februar 2004 für den Teilabschnitt Klein Gastrose der Ortsumgehung Guben im Zuge des Aus- und Neubaus der Bundesstraßen B 97 und B 112. Mit ihrer Klage macht sie geltend, zwischen der geplanten Neubautrasse und der Ortslage ihres Ortsteils Klein Gastrose müsse ein größerer Abstand eingehalten werden. Die Fahrbahn der bestehen bleibenden Ortsdurchfahrt der bisherigen Bundesstraße B 112 dürfe nicht in ihrer Breite verkleinert werden. Ferner wendet sie sich gegen die Abstufung dieser Ortsdurchfahrt zur Gemeindestraße sowie gegen die Auferlegung der Unterhaltungslast für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen.

II


Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur Entscheidung über ihre Klage.
Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Klage auf der Grundlage der zur Begründung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorgetragenen Gesichtspunkte voraussichtlich keinen Erfolg haben kann. Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der in § 17 Abs. 6 a Satz 1 FStrG und § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit der Planfeststellung hier abzusehen.
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erhebt die Antragstellerin keine Rügen. Auch eine Verletzung des materiellen Rechts, die einen Anspruch der Antragstellerin auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit begründen könnte, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Hierbei ist zu beachten, dass die Antragstellerin als Gemeinde nur die Verletzung eigener Rechte, insbesondere ihrer Planungshoheit, rügen kann; sie kann hingegen keine Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf die Vereinbarkeit mit Rechten ihrer Einwohner oder sonstigen Bestimmungen des objektiven Rechts, etwa solchen des Umweltschutzes, beanspruchen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1999 - BVerwG 4 A 47.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148 S. 10; stRspr). Deshalb kann die Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht mit Erfolg vorbringen, durch die Trassenführung gingen das Landschaftsbild und der Blick auf die Landschaft für ihre Bewohner verloren und die Planung leide an unzureichender Berücksichtigung der zu erwartenden Lärm-, Schadstoff- und sonstigen Immissionen in ihrem Ortsteil Klein Gastrose.
1. Unter dem Gesichtspunkt der Planungshoheit können sich die Gemeinden gegen eine Fachplanung auf ihrem Gebiet nur wehren, wenn eine eigene hinreichend bestimmte Planung nachhaltig gestört wird oder wenn das Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht (vgl. BVerwGE 81, 95 <106>; 90, 96 <100>; stRspr). Dabei ist die Gemeinde im Anhörungsverfahren und im Prozess hinsichtlich ihrer Planungsvorstellungen und deren Konkretisierungsstadium darlegungspflichtig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 - BVerwG 9 VR 14.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 S. 132 m.w.N.). Der erstmals in einer Stellungnahme der Antragstellerin vom 17. Dezember 2003 enthaltene Vortrag, sie beabsichtige, ihren Flächennutzungsplan in den nächsten zwei Jahren dahin zu ändern, dass der Ortsteil Klein Gastrose als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen werde, reicht hierzu schon inhaltlich nicht aus und wäre im Hinblick auf den planungsrechtlichen Prioritätsgrundsatz auch rechtlich unbeachtlich, nachdem sich die Planung des hier in Rede stehenden Straßenbauvorhabens spätestens mit Auslegung der Planunterlagen im August 2003 bereits ihrerseits hinreichend verfestigt hatte.
Der Vortrag, die Antragstellerin werde dadurch in ihrer Planungshoheit verletzt, dass aufgrund der Lärmimmissionen städtebauliche Missstände entständen, ist schon deshalb unschlüssig, weil der bisherige städtebauliche Missstand, dass der Durchgangsverkehr mit seinen Lärmimmissionen durch die Ortslage Klein Gastrose verläuft, durch das Vorhaben jedenfalls verbessert wird. Dass die Antragstellerin bei Abstimmung ihrer weiteren Planungen auf die so verbesserte Situation nicht in der Lage wäre, die etwa noch verbleibenden Konflikte zu lösen, ist nicht dargetan. Darin, dass sie dieser Aufgabe nicht gänzlich enthoben sein mag, liegt keine Verletzung, sondern im Gegenteil eine Bekräftigung ihrer durch den Verlauf von Fernstraßen im Gemeindegebiet vorbelasteten Planungshoheit.
Mit dem erstmals in der Antragsbegründung enthaltenen Vortrag, dass das Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entziehe, ist die Antragstellerin zum einen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen, nachdem die Gemeinde Gastrose-Kerkwitz als ihre Rechtsvorgängerin hinsichtlich der gemeindlichen Planungshoheit innerhalb der Einwendungsfrist keine derartige Beeinträchtigung geltend gemacht hatte. Abgesehen davon fehlt es auch an der erforderlichen schlüssigen Darlegung einer solchen Beeinträchtigung, da jedenfalls noch nordöstlich der Ortslage Klein Gastrose Raum für Entwicklungsmöglichkeiten bleibt und eine bauliche Entwicklung in die intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen der Neißeaue zwischen Groß Gastrose und Schlagsdorf sich nach der Eigenart von Natur und Landschaft, dem Ortsbild oder sonstigen Faktoren weder abzeichnet noch ernsthaft in Betracht kommt.
Soweit die Antragstellerin der Trassenwahl entgegenhält, sie durchtrenne ersatzlos das untergeordnete Wegenetz im Südosten des Gemeindegebiets, ist diese Einwendung, soweit sie sich auf Rechte der Antragstellerin an ihrem gemeindlichen Wegenetz bezieht, ebenfalls gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen. Denn sie wurde innerhalb der Einwendungsfrist von der Gemeinde Gastrose-Kerkwitz als damaliger Inhaberin solcher Rechte nicht geltend gemacht. Der im Einwendungsschreiben vom 9. September 2003 enthaltene Hinweis auf Bewirtschaftungserschwernisse für einen landwirtschaftlichen Betrieb infolge der Durchschneidung seiner Flächen reicht dafür nicht aus.
2. Mit allen Einwendungen gegen die geplante Fahrbahnbreite der bisherigen Bundesstraße B 112 ist die Antragstellerin gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen, weil die Gemeinde Gastrose-Kerkwitz als ihre Rechtsvorgängerin solche Einwendungen innerhalb der Einwendungsfrist nicht erhoben hat.
Die im festgestellten Plan enthaltene Umstufung zweier Teilstrecken der bisherigen Bundesstraße B 112 zur Gemeindestraße entspricht der Verkehrsbedeutung, die diese Teilstrecken zusammen mit der sie verbindenden, neu zu bauenden Gemeindestraße zwischen Stations-km 0,937 und 1,837 der Bundesstraße B 112 nach der Zielsetzung des Planfeststellungsbeschlusses nur noch haben sollen. Dieser Straßenzug soll in seinem südwestlichen Abschnitt überwiegend der Verbindung der Ortsteile Klein Gastrose und Groß Gastrose und in seinem nordöstlichen Teil überwiegend dem Anschluss von Klein Gastrose an das überörtliche Straßennetz dienen. Straßen mit dieser Zweckbestimmung sind Gemeindeverbindungsstraßen im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 1 BbgStrG und damit Gemeindestraßen.
Die Befürchtung der Antragstellerin, dass diese Zweckbestimmung nicht erreicht werden kann, sondern der in Rede stehende Straßenzug trotz des Baus der Umgehungsstraße und trotz der überwiegend nur 3,50 m betragenden Fahrbahnbreite tatsächlich überwiegend dem überörtlichen Verkehr dienen wird, ist mangels konkreter Anhaltspunkte für ein solches, der Lebenserfahrung widersprechendes Verhalten der Teilnehmer am überörtlichen Verkehr rein spekulativ und deshalb nicht geeignet, eine andere Einstufung zu rechtfertigen. Für die straßenrechtliche Einstufung ebenso unerheblich ist der Hinweis der Antragstellerin auf die ihr durch die Übertragung der Straßenbaulast entstehenden Finanzierungspflichten. Das Letztere, den Antragsgegner hätten veranlassen müssen, auf das Vorhaben insgesamt oder auf die damit als Folgemaßnahme zur Erschließung von Klein Gastrose verbundene Schaffung des genannten Straßenzuges zu verzichten, macht die Antragstellerin selbst nicht geltend. Ob, wie die Antragstellerin meint, der Antragsgegner verpflichtet ist, ihr die erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen, ist für den Erfolg der Anfechtungsklage unerheblich.
3. Soweit die Antragstellerin sich gegen die Auferlegung der Unterhaltungslast für "die als Ersatzmaßnahme festgesetzten Streuobstwiesen" wendet, ist ihr Begehren gegenstandslos, da die Unterhaltung der in Klein Gastrose als Ausgleichsmaßnahme neu anzulegenden Streuobstwiesen abweichend von den im Anhörungsverfahren ausgelegten Planunterlagen durch das Deckblatt zur lfd. Nr. 116 des Bauwerksverzeichnisses der Bundesrepublik Deutschland auferlegt worden ist. Dasselbe gilt für die nach den lfd. Nrn. 108 und 113 als Ausgleichs- bzw. Gestaltungsmaßnahmen neu zu pflanzenden Sträucher und Laubbäume.
Soweit die Antragstellerin auch die Übertragung der Unterhaltungslasten für die als Ausgleichsmaßnahme zu entsiegelnden bzw. zurückzubauenden und mit Laubbäumen zu bepflanzenden Flächen der nicht mehr benötigten Teile der bisherigen Bundesstraße B 112 beanstandet (lfd. Nrn. 109, 110, 111 und 114 des Bauwerksverzeichnisses), ist sie mit ihren Einwendungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen, weil die Gemeinde Gastrose-Kerkwitz als ihre Rechtsvorgängerin diese Einwendungen innerhalb der Einwendungsfrist nicht erhoben hat. Dass das damalige Amt Schenkendöbern als Träger öffentlicher Belange Stellung genommen und dabei u.a. den Ausgleichsmaßnahmen lfd. Nrn. 109, 110 und 111 des Bauwerksverzeichnisses widersprochen hat, konnte entsprechende eigene Einwendungen der Gemeinde nicht ersetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.