Beschluss vom 04.05.2006 -
BVerwG 6 B 5.06ECLI:DE:BVerwG:2006:040506B6B5.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 5.06

  • VG Berlin - 06.09.2005 - AZ: VG 23 A 4.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Mai 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und
Dr. Graulich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6.September 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die allein auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2 Die Darlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlichen noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26).

3 Zur Begründung seiner Grundsatzrüge führt der Kläger aus, die Rechtmäßigkeit seiner Entlassung aus dem Zivildienst hänge davon ab, ob der Anwendungsbereich der Ermächtigungsgrundlage, geregelt in § 43 Abs. 1 Nr. 6, §§ 8, 7 ZDG i.V.m. § 8a WPflG in der Fassung des am 1. Oktober 2004 in Kraft getretenen Zweiten Zivildienstgesetzänderungsgesetzes vom 27. September 2004 (BGBl I S. 2358), unter Einbeziehung des Vertrauensschutzgrundsatzes dahingehend einzuschränken sei, dass die tatbestandliche Voraussetzung der Zivildienstunfähigkeit sich für zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits im Dienst befindliche Personen nach der Gesetzeslage vor dem 1. Oktober 2004 beurteilt. Nach dieser früheren Rechtslage seien Personen mit der Einstufung „T 3“ verwendungsfähig mit Einschränkungen in der Grundausbildung und für bestimmte Tätigkeiten, mithin wehrdienstfähig und zivildienstfähig gewesen. Da die Rechtsfolgeseite des § 43 Abs. 1 ZDG die Beklagte in ihrer Entscheidung binde, könne dem Vertrauensgrundsatz nur durch Einschränkung der tatbestandlichen Voraussetzungen bzw. des Normanwendungsbereiches Rechnung getragen werden. Diesem Vorbringen ist keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu entnehmen.

4 Nach § 43 Abs. 1 Nr. 6 ZDG ist ein Dienstleistender zu entlassen, wenn eine der in den §§ 8, 10, 11 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 ZDG bezeichneten Zivildienstausnahmen eintritt. Die auf Zivildienstunfähigkeit beruhende Entlassung des Klägers ist zwar im Zusammenhang mit der Änderung der Tauglichkeitsanforderungen durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes und anderer Vorschriften (Zweites Zivildienstgesetzänderungsgesetz - 2. ZDGÄndG) vom 27. September 2004 (BGBl I S. 2358) zu sehen. Denn die darin enthaltene Änderung von § 8a Abs. 2 Satz 1 WPflG führte zum Wegfall der militärischen Verwendungsfähigkeit sog. „T 3“ gemusterter Wehrpflichtiger und - durch die Bezugnahme für die Zivildiensttauglichkeit in § 7 ZDG auf die Wehrdiensttauglichkeit - somit zur Entlassung des Klägers wegen Zivildienstuntauglichkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 8 ZDG, nachdem sich seine Zuordnung zum Verwendungsgrad „T 3“ ergeben hatte. Das 2. ZDGÄndG bestimmte für die entscheidungserheblichen Rechtsnormen auch keine besondere Übergangsregelung, sondern ordnete deren Inkrafttreten am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Monats an (Art. 6 Abs. 1 2. ZDGÄndG); das war der 1. Oktober 2004. Die vom Verwaltungsgericht festgestellten konkreten Umstände des Falles zeigen jedoch, dass die Zivildienstunfähigkeit des Klägers maßgeblich auf den von ihm selbst zu verantwortenden Rauschmittelmissbrauch zurückgeht und es somit der streitgegenständlichen Entlassungsentscheidung an der für eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verlangten Verallgemeinerungsfähigkeit fehlt. Eine Rechtssache wirft nämlich keine höchstrichterlich bisher noch nicht geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher, d.h. allgemeiner Bedeutung auf, wenn die Beurteilung einer Sache ausschlaggebend von der Würdigung der Umstände des konkreten Falles abhängt und sie infolgedessen gerade nicht auf eine Rechtsfrage führt, die sich in verallgemeinerungsfähiger Weise klären lässt (Beschluss vom 19. Januar 1981 - BVerwG 8 B 25.81 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 193).

5 Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung erfährt die vorliegende Sache nicht deswegen, weil die Bestätigung der angefochtenen Entlassungsverfügung im angefochtenen Urteil letztlich darauf beruht, dass die Eignungsanforderungen an die Ableistung von Wehr- und Zivildienst zum 1. Oktober 2004 gesetzlich verschärft wurden. Die vom Kläger in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage ist nur übergangsweise für solche Personen von Bedeutung, die sich zum genannten Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits in einem Zivildienstverhältnis befanden. Dass der Umfang dieses Personenkreises beträchtlich ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dagegen spricht bereits, dass „T 3“ gemusterte Wehrpflichtige schon ab 1. Juli 2003 Nichtheranziehungszusagen erhalten haben (vgl. Urteil vom 19. Januar 2005 - BVerwG 6 C 9.04 - BVerwGE 122, 331 <335>). Abgesehen davon bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass Zivildienstleistende, die ab dem 1. Oktober 2004 mit Rücksicht auf den Verwendungszweck „T 3“ entlassen wurden, dies in nennenswertem Umfang als Belastung betrachtet und dagegen Rechtsbehelfe ergriffen haben. Angesichts dessen würde die vom Kläger erstrebte Rechtsklärung voraussichtlich nur wenige Einzelfälle betreffen. Der Sinn eines Revisionsverfahrens würde damit verfehlt.

6 Im Übrigen kommt dem Kläger Vertrauensschutz offensichtlich nicht zu. Die Heranziehung zum Zivildienst stellt ebenso wenig wie diejenige zum Wehrdienst eine rechtliche Begünstigung für den Betroffenen dar. Vielmehr wird ihm dadurch - ausschließlich im öffentlichen Interesse - eine staatsbürgerliche Verpflichtung auferlegt (vgl. Urteile vom 22. Januar 2003 - BVerwG 6 C 18.02 - Buchholz 448.0 § 48 WPflG Nr. 3 S. 5 und vom 17. September 2003 - BVerwG 6 C 4.03 - Buchholz 448.0 § 48 WPflG Nr. 4 S. 8 jeweils m.w.N.). Davon kann ihn der Gesetzgeber jedenfalls für die Zukunft aus nicht diskriminierenden Gründen befreien. Die Nichtheranziehung der mit „T 3“ Gemusterten gemäß Neufassung des § 8a Abs. 2 Satz 1 WPflG ist sachgerecht, weil sie dem Umstand Rechnung trägt, dass die Streitkräfte aufgrund des geänderten Anforderungsprofils nur noch Wehrpflichtige benötigen, die unter gesundheitlichen Aspekten ohne Einschränkungen geeignet sind (vgl. Urteil vom 19. Januar 2005 a.a.O. S. 343). Dass dies auch auf den Zivildienst durchschlagen muss, liegt wegen dessen Ersatzcharakter auf der Hand (Art. 12a Abs. 2 GG).

II

7 Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 52 Abs. 2 GKG.