Beschluss vom 04.06.2003 -
BVerwG 6 PB 2.03ECLI:DE:BVerwG:2003:040603B6PB2.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.06.2003 - 6 PB 2.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:040603B6PB2.03.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 2.03

  • OVG Berlin-Brandenburg - 04.02.2003 - AZ: OVG 70 PV 2.02

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. B a r d e n h e w e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. G e r h a r d t und B ü g e
beschlossen:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachsenats für Personalvertretungssachen Bund des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 4. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die hier allein erhobene und statthafte Abweichungsrüge greift nicht durch (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 92 a Satz 1 ArbGG). Der angefochtene Beschluss weicht nicht von den in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht überhaupt divergenzfähige abstrakte Rechtssätze des Inhalts aufgestellt hat, den die Beschwerde dem angefochtenen Beschluss entnimmt.
1. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des Ausschlussbegehrens in Abschnitt II 1 des angefochtenen Beschlusses stehen zunächst nicht im Widerspruch zu den Urteilen vom 19. März 1956 - BVerwG 5 C 265.54 - (BVerwGE 3, 208, 211) und vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 7.97 - (Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 78 S. 8, 10) sowie zu dem Beschluss vom 11. Februar 1981 - BVerwG 6 P 20.80 - (BVerwGE 61, 334, 339 ff.). Diesen drei Entscheidungen - dem letztgenannten Beschluss für das hier in Rede stehende personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren - ist jeweils der Rechtssatz zu entnehmen, dass die Prozessführungsbefugnis eine von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung ist.
Von diesem Grundsatz weichen die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts schon deswegen nicht ab, weil dieses zur Prozessführungsbefugnis nicht Stellung genommen hat. Mit der Thematik der Prozessführungsbefugnis will der Beteiligte zu 1 in der Beschwerdebegründung offensichtlich die dazugehörige Frage der Prozessstandschaft ansprechen. Darunter ist die Befugnis einer Person zu verstehen, die Rechte einer anderen Person im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Sie kann auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage beruhen (gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschaft). Die gewillkürte Prozessstandschaft ist die Übertragung der Prozessführungsbefugnis auf einen anderen als den Rechtsinhaber (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1981, a.a.O.). Nicht weiter problematisch und deswegen in der Regel nicht erörterungsbedürftig ist die Frage der Prozessführungsbefugnis, wenn der Rechtsinhaber seinen Anspruch selbst verfolgt. So stellte sich die Sachlage für das Oberverwaltungsgericht hier dar. Entgegen der zumindest missverständlichen - im Übrigen die unmittelbare Erteilung der Prozessvollmacht durch den Verbandsvorsitzenden im zweitinstanzlichen Verfahren nicht berücksichtigenden - Antragstellerbezeichnung im Aktivrubrum hat das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss der Sache nach eindeutig allein den Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verband im CGB als Antragsteller behandelt. So heißt es zu Beginn des Abschnitts I der Gründe: "Antragsteller ist der DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband im CGB), eine in der Zentralen Dienststelle der BfA vertretene Gewerkschaft." In seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Ausschlussbegehrens in Abschnitt II 1 der Gründe spricht das Oberverwaltungsgericht vom "Hauptvorstand des Antragstellers". Hauptvorstand heißt aber allein das Leitungsorgan der Gesamtorganisation, nicht aber auch dasjenige einer Untergliederung (vgl. die als Anlage K 1 der Antragsschrift überreichte Vollmacht vom 14. Juli 2000 sowie §§ 12, 15 der vom Beteiligten zu 1 überreichten DHV-Satzung). Folgerichtig hat das Oberverwaltungsgericht im den Berichtigungsantrag des Beteiligten zu 1 ablehnenden Beschluss vom 25. März 2003 die Frage, "ob die Unterorganisation des Antragstellers nicht ohnehin das Verfahren hätte führen können", als "Alternative", also im angefochtenen Beschluss gerade nicht verfolgte Lösung, bezeichnet. Nicht um die Prozessführungsbefugnis einer Gewerkschaftsuntergliederung ging es somit dem Oberverwaltungsgericht in Abschnitt II 1 seines Beschlusses, sondern um die Frage, ob eine ununterbrochene, den vorliegenden Ausschlussantrag legitimierende Kette von Vollmachten vom Hauptvorstand der antragstellenden Gewerkschaft über den Geschäftsführer ihres Landesverbandes Nordost zum im vorliegenden Verfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt führte. Zu dieser Frage verhalten sich die eingangs zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht.
2. Aus demselben Grunde scheitert die Divergenzrüge, soweit sie sich auf den Senatsbeschluss vom 27. November 1981 - BVerwG 6 P 38.79 - (Buchholz 238.31 § 28 BaWüPersVG Nr. 1 S. 1, 3) stützt. Dieser Beschluss besagt, dass auch Unterorganisationen einer Gewerkschaft wie z.B. Landesverbände berechtigt sein können, die im Personalvertretungsrecht den in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften zuerkannten Antragsrechte auszuüben, sofern sie innerhalb der Gewerkschaft über eine bestimmte Selbständigkeit verfügen, wozu eine eigene kooperative Verfassung, die Fähigkeit, Vermögen zu besitzen, und die Legitimation, die Gestaltung der Dienstrechtsverhältnisse durchzuführen, gehören. Diese Voraussetzungen wurden im damals entschiedenen Fall anhand der Satzung der seinerzeit antragstellenden Unterorganisation geprüft.
Von den vorstehenden Rechtssätzen konnte das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss schon deswegen nicht abweichen, weil es von der Antragstellung der Gewerkschaft als Ganzer, nicht nur ihrer Unterorganisation ausgegangen ist. Dass die Gewerkschaft DHV als solche die Antragsbefugnis für den Ausschlussantrag nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG besitzt, bezweifelt auch der Beteiligte zu 1 nicht.
3. Schließlich weicht der angefochtene Beschluss nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2000 - BVerwG 8 C 13.99 - (Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 24 S. 24, 28) ab.
Nach dieser Entscheidung verlangen die allgemeinen Auslegungsregeln stets die Prüfung, ob der Erklärende mit seiner Erklärung nicht einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, wenn sich dies aus den Umständen, etwa aus Sinn und Zweck der Erklärung, dem Interesse der Beteiligten und weiterhin dem Erklärungsempfänger objektiv erkennbaren Umständen ergibt. Von diesen Auslegungsgrundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in Abschnitt II 1 seines Beschlusses bei der Auslegung der Vollmachtsurkunden sinngemäß ausgegangen. Die Frage, welche Bedeutung der Satzung einer Gewerkschaft für die Auslegung einer von ihrem Hauptvorstand erteilten Vollmacht zukommt, ist weder im vorbezeichneten Urteil noch im zitierten Senatsbeschluss vom 27. November 1981 angesprochen.