Beschluss vom 04.09.2006 -
BVerwG 6 B 68.06ECLI:DE:BVerwG:2006:040906B6B68.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 68.06

  • Niedersächsisches OVG - 14.07.2006 - AZ: OVG 7 OB 105/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. September 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2006 wird verworfen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 1. Die weitere Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

2 Die Antragstellerin begehrte vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der zunächst vorgesehenen Vergabe eines Bauauftrags durch die Antragsgegnerin an ein Konkurrenzunternehmen. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein Landgericht verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die trotz zwischenzeitlicher Vergabe des Auftrags an die Antragstellerin erhobene Beschwerde der Antragstellerin dagegen zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

3 Es mag auf sich beruhen, ob die Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts mit der weiteren Beschwerde trotz zwischenzeitlicher Erteilung des umstrittenen Auftrags an die Antragstellerin grob rechtsmissbräuchlich und schon deshalb unzulässig ist. Die weitere Beschwerde ist unabhängig davon unzulässig.

4 Die Beschwerde ist nicht wegen der Bindungswirkung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 17a Abs. 4 Satz 6 GVG zulässig. Nach dieser Vorschrift ist der oberste Gerichtshof des Bundes an die Zulassung der Beschwerde gebunden. Diese Bindung beschränkt sich wie bei einer Revisionszulassung (dazu Beschluss vom 28. März 2006 - BVerwG 6 C 13.05 - NVwZ-RR 2006, 580) auf die Zulassungsentscheidung als eine von mehreren Zulässigkeitsvoraussetzungen. § 17a Abs. 4 Satz 6 GVG verfolgt den Zweck, dass eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung bei einer ihrer Natur nach beschwerdefähigen Entscheidung nicht stattfinden soll. Die Bindungswirkung geht darüber nicht hinaus. Alle weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen bleiben davon unberührt.

5 Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Zurückweisung der Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Beschluss, durch den der Rechtsweg in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren für unzulässig erklärt worden ist, unterliegt nicht der (weiteren) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6 Es ist schon fraglich, ob es mit dem Charakter des gerichtlichen Eilverfahrens überhaupt vereinbar ist, ein auf die Rechtswegfrage beschränktes Beschwerdeverfahren nach § 17a Abs. 4 GVG durchzuführen (vgl. Beschlüsse vom 15. November 2000 - BVerwG 3 B 10.00 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 286 und vom 6. Juli 2005 - BVerwG 3 B 77.05 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 24). Das kann hier auf sich beruhen. Jedenfalls ist in einem solchen Verfahren eine (weitere) Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ausgeschlossen. Aus § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG folgt, dass die weitere Beschwerde der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dienen soll. Diese Voraussetzung zeigt, dass das Gesetz mit der weiteren Beschwerde auf eine Entscheidung zielt, die in ihrem Gewicht einer Revisionsentscheidung nahe kommt. Die Klärung fallübergreifender Probleme widerstreitet dem Ziel des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens, in einem bestimmten Einzelfall bis zur Entscheidung in der Hauptsache zur Erhaltung des bestehenden Zustandes oder zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin oder nach Abwägung der widerstreitenden Vollzugsinteressen eine Regelung zu treffen. Ein Verfahren mit einer solchen Zielrichtung würde durch eine weitere Beschwerde mit dem Ziel der Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nachgerade konterkariert. In einem auf die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen gerichteten Verfahren könnte ein Beschluss erst nach unter Umständen zeitraubender schriftsätzlicher Aufbereitung und unter Auswertung von Gesetzgebungsmaterialien, Rechtsprechung und wissenschaftlichen Äußerungen ergehen, da eine solche Entscheidung über den Fall hinaus gehende Breitenwirkung hätte und Prüfungsmaßstab für Revisionszulassungsentscheidungen wäre (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dies könnte zu einer folgenreichen Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes führen. Es liegt im Wesen eines solchen Antrags, dass die Entscheidung des Gerichts möglichst ohne Verzögerung ergeht. Dementsprechend ordnet § 146 Abs. 4 VwGO für die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an, dass die Beschwerde unverzüglich dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt wird, dass eine Abhilfeentscheidung des Verwaltungsgerichts unterbleibt und dass das Oberverwaltungsgericht nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe prüft. Die weitere Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 152 VwGO ausgeschlossen. In Anbetracht dieser besonderen Vorkehrungen des Gesetzgebers für einen zügigen Abschluss des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht angenommen werden, dass den Beteiligten für den in einem solchen Verfahren angefallenen Zwischenstreit über den Rechtsweg ein weitergehender Instanzenzug eröffnet ist als in dem zugrunde liegenden Verfahren selbst (Beschluss vom 8. August 2006 - BVerwG 6 B 65.06 -).

7 Die von der Antragstellerin angesprochene Frage nach dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist durch den angefochtenen Beschluss verbindlich dahin entschieden worden, dass für das Begehren der Antragstellerin nach Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Rechtswegverweisung nicht nur vom Oberverwaltungsgericht, sondern ein weiteres Mal vom Bundesverwaltungsgericht überprüft wird, hat die Antragstellerin nicht.

8 2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Von der Erhebung der Gerichtskosten war nicht abzusehen, weil die Antragstellerin trotz erfolgter Vergabe des Auftrags an sie und sogar noch in Kenntnis des Beschlusses vom 8. August 2006 - BVerwG 6 B 65.06 - an ihrer weiteren Beschwerde festgehalten hat. Die Zulassung der weiteren Beschwerde durch das Oberverwaltungsgericht war danach nicht mehr ausschlaggebend für das Anfallen der Gebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).