Beschluss vom 04.10.2007 -
BVerwG 4 BN 39.07ECLI:DE:BVerwG:2007:041007B4BN39.07.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 39.07

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 10.05.2007 - AZ: OVG 1 KN 22/06

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

3 1.1 Die Beschwerde wirft zunächst die Fragen auf,
Ist ein zentrenrelevanter Sortimentsausschluss auf der Grundlage eines Plankonzepts zulässig, wenn von dem Konzept in anderen Fällen abgewichen wird? Welche Anforderungen sind an ein Plankonzept zum Nachweis besonderer städtebaulicher Gründe unter Beachtung von Art. 14 und 3 GG zu stellen?

4 Diese Fragestellung rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Senats ist - unter anderem im Beschluss vom 10. November 2004 - BVerwG 4 BN 33.04 - (Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 30 = BauR 2005, 818) - bereits geklärt:

5 Rechtsgrundlage für Sortimentsbeschränkungen des Einzelhandels ist § 1 Abs. 9 BauNVO. Hiernach kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, im Bebauungsplan bei Anwendung des hier einschlägigen § 1 Abs. 5 BauNVO festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Das „Besondere“ an den städtebaulichen Gründen besteht nicht notwendig darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu Absatz 5 zusätzlichem Gewicht sein müssen. Vielmehr ist mit „besonderen“ städtebaulichen Gründen gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für die gegenüber Absatz 5 noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss (Urteil vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 <321>; Beschluss vom 21. Dezember 1992 - BVerwG 4 B 182.92 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 15). An der Rechtfertigung durch städtebauliche Gründe fehlt es, wenn die Nutzungsbeschränkungen nicht der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung (vgl. § 1 Abs. 3 BauGB) zu dienen bestimmt sind. Welche städtebaulichen Ziele sich eine Gemeinde setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. Beschluss vom 14. August 1995 - BVerwG 4 NB 21.95 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86). Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie Teile des Gemeindegebiets zur Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellt (vgl. Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - BRS 62 Nr. 19).

6 Der vorliegende Fall gäbe keine Veranlassung, hierzu in Richtung der aufgeworfenen Fragen weitere Rechtsgrundsätze aufzustellen. Denn das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass zwei von ihm aufgeführte Gründe - der Schutz der Innenstadt und eines peripheren Einzelhandelsstandorts sowie die Situation des Grundstücks der Antragsteller in Bezug auf ein um die Grabauer Straße herum entstandenes Wohnviertel - hinreichende städtebauliche Gründe für Sortimentsausschlüsse darstellen und den in der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 9 BauNVO aufgestellten Anforderungen Rechnung tragen. Auch die Beschwerde stellt nicht in Frage, dass die Antragsgegnerin dabei einem grundsätzlichen städtebaulichen Konzept folgt, so dass der in der Beschwerdebegründung angesprochene Fall des Fehlens nachvollziehbarer städtebaulicher Gründe (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Januar 2005 - 8 S 2831/03 - BRS 69 Nr. 34) hier offensichtlich nicht vorliegt.

7 Die Frage, ob und aus welchen Gründen eine Gemeinde von einem vorhandenen Konzept in Einzelfällen abweichen darf, stellt sich, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, erst bei der Überprüfung der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB). Auch hierzu ließen sich in einem Revisionsverfahren keine weitergehenden Rechtsgrundsätze aufstellen. Denn zum einen ist die rechtliche Würdigung von den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls abhängig und entzieht sich daher einer fallübergreifenden Klärung. Zum anderen ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass vorliegend städtebauliche Gründe für das Abweichen von einem vor einiger Zeit erhobenen Gutachten sowie einem Beschluss des Planungs- und Verkehrsausschusses bestanden haben, und begründet dies im Einzelnen (UA S. 10 - 13). Es versteht sich von selbst und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass das endgültig beschließende Gremium einer Gemeinde bei der Aufstellung eines Bebauungsplans aus sachlichen städtebaulichen Gründen auch von einer früher von einem Ausschuss beschlossenen Konzeption abweichen und neueren Entwicklungen Rechnung tragen darf.

8 1.2 Die Frage, ob ein Ausschluss von zentrenrelevanten Sortimenten in innerstädtischen Randlagen unabhängig von den in der Innenstadt vorhandenen Sortimenten möglich ist, legt einen Sachverhalt zugrunde, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Denn dieses ist entgegen der Auffassung der Antragsteller zu dem näher begründeten Ergebnis gelangt, dass Nahrungsmittel in der Innenstadt der Antragsgegnerin zentrenrelevant seien (UA S. 10).

9 1.3 Die Frage, ob eine weitere Differenzierung z.B. nach Tages- und Grundbedarf (für eine fehlerfreie Abwägung) notwendig sei, ließe sich nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls rechtsgrundsätzlich klären.

10 2. Die Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr). Dieser Zulassungsgrund muss in der Beschwerdeschrift nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Oberverwaltungsgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Die - behauptete - unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall rechtfertigt dagegen nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde benennt zwar Rechtsgrundsätze, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelt worden sind, legt aber in keiner Weise dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen davon abweichenden Rechtsgrundsatz aufgestellt und damit den genannten Gerichten die Gefolgschaft versagt hätte.

11 3. Auch die Aufklärungsrüge bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde legt nicht dar, dass sich dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner eigenen materiellen Rechtsauffassung - zu § 1 Abs. 9 BauNVO oder zum Abwägungsgebot - eine Beweiserhebung zum Vorliegen städtebaulicher Gründe aufgedrängt hätte. Im Übrigen trägt sie auch nichts dafür vor, dass sie in der Vorinstanz auf eine derartige Sachaufklärung hingewirkt hätte. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (stRspr).

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.