Beschluss vom 04.11.2008 -
BVerwG 7 BN 2.08ECLI:DE:BVerwG:2008:041108B7BN2.08.0

Beschluss

BVerwG 7 BN 2.08

  • Bayer. VG München - 13.02.2008 - AZ: VGH 22 N 06.484

In der Normenkontrollsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. November 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen eine Verordnung, durch die das Landratsamt Kitzingen ein Wasserschutzgebiet für eine Anlage der Trinkwassergewinnung festgesetzt hat, die von dem Beigeladenen betrieben wird. Die Brunnen dieser Anlagen liegen zum Teil links, zum Teil rechts des Mains. Bei der Bemessung der Schutzzonen berücksichtigte das Landratsamt, dass der Main nach den eingeholten hydrogeologischen Stellungnahmen hier vom Grundwasser unterströmt wird.

2 Der geplante Ausbau des Mains in diesem Bereich ist Gegenstand eines wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses, gegen den der Beigeladene Klage beim Verwaltungsgerichtshof erhoben hat.

3 Die Klägerin hat gegen die Verordnung zur Festsetzung eines Wasserschutzgebiets einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hilfsweise beantragt, die Akten des Klageverfahrens gegen den Planfeststellungsbeschluss beizuziehen und ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, wie sich der Ausbau des Mains auf die Grundwasserverhältnisse auswirkt.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag der Antragstellerin abgelehnt und dabei unter anderem ausgeführt: Mögliche zukünftige Veränderungen als Folge eines Ausbaus des Mains könnten nicht berücksichtigt werden. Der Beigeladene habe den Planfeststellungsbeschluss angefochten. Im Anfechtungsprozess habe der Verwaltungsgerichtshof einen Beweisbeschluss erlassen. Deshalb sei derzeit nicht absehbar, wann oder ob überhaupt der Main so ausgebaut werde, wie das in dem Planfeststellungsbeschluss vorgesehen sei.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II

6 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

7 1. Die behaupteten Verfahrensfehler liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

8 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO), indem er keinen Beweis über die Tatsache erhoben hat, wie sich der planfestgestellte Ausbau des Mains auf die Grundwasserverhältnisse auswirken wird. Welche Tatsachen einer weiteren Aufklärung bedürfen, richtet sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts. Das Tatsachengericht braucht Tatsachen nicht weiter nachzugehen, auf die es nach seiner materiellrechtlichen Auffassung nicht entscheidungserheblich ankommt.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat im rechtlichen Ausgangspunkt angenommen, ob die Verordnung wirksam sei, beurteile sich grundsätzlich nach der Sachlage im Zeitpunkt des Normerlasses. Die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei maßgeblich, wenn nach dem Normerlass tatsächliche Entwicklungen eingetreten seien, die den Wegfall der Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung zur Folge haben könnten. Dabei seien aber mögliche künftige Veränderungen nicht zu berücksichtigen, deren Eintritt noch nicht mit hinreichender Sicherheit absehbar sei.

10 Mit Rücksicht auf die angeordnete Beweisaufnahme in dem Anfechtungsverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, ob der Main ausgebaut werde, sei nicht mir hinreichender Sicherheit absehbar. Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus gehörte der geplante Ausbau des Mains nicht zu der Sachlage, die für die Beurteilung einer Wirksamkeit der angegriffenen Verordnung maßgeblich ist. Mögliche Auswirkungen eines zwar beabsichtigten, in seiner Durchführung aber unsicheren Ausbaus des Mains auf die Grundwasserverhältnisse waren von daher nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht weiter aufzuklären.

11 Ob die materiellrechtliche Rechtsauffassung des Tatsachengerichts zutrifft, ist für den Umfang seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts unerheblich. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Darstellung der Antragstellerin nicht die rechtlichen Wirkungen eines erlassenen Planfeststellungsbeschlusses verkannt. Er hat lediglich das weitere prozessuale Schicksal des hier ergangenen Planfeststellungsbeschlusses und damit vor allem den tatsächlichen Ausbau des Mains für ungewiss gehalten.

12 b) Der Verwaltungsgerichtshof musste die Akten des Anfechtungsprozesses gegen den wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss auch nicht deshalb beiziehen, um den Stand des Anfechtungsprozesses näher aufzuklären. Weil das Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war, war gerichtsbekannt, dass in diesem Verfahren ein Beweisbeschluss ergangen war. Gerichtskundige Tatsachen sind nicht beweisbedürftig (§ 173 VwGO, § 291 ZPO). Eine förmliche Beiziehung der Akten erübrigte sich deshalb, zumal die Antragstellerin sie auch nicht beantragt hatte, um den genauen Stand des Anfechtungsverfahrens zu ermitteln. Die beizuziehenden Akten des Planfeststellungsverfahrens sollten vielmehr nur eine tatsächliche Grundlage für das von ihr letztlich angestrebte Sachverständigengutachten bilden, weil sich aus diesen Akten Art und Ausmaß des geplanten Ausbaues des Mains ergeben konnten.

13 Dass in dem Anfechtungsprozess gegen den Planfeststellungsbeschluss ein Beweisbeschluss ergangen war, ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, wie die Antragstellerin selbst vorträgt. Das reicht bei nicht weiter beweisbedürftigen gerichtskundigen Tatsachen für deren Verwertung durch das Gericht aus.

14 2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

15 Die Antragstellerin möchte die Frage geklärt wissen,
ob die Verwaltungsgerichte in ihren Entscheidungen Auswirkungen im zu entscheidenden Verfahren nicht streitbefangener behördlicher Genehmigungen bzw. von Planfeststellungsbeschlüssen, deren Wirksamkeit in einem anderweitigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft wird, auf den zu entscheidenden Verfahrensgegenstand zu beachten haben.

16 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie könnte in der gestellten Form ohnehin nicht allgemeingültig in einem Revisionsverfahren beantwortet werden. Die Antwort kann vielmehr nur von Fall zu Fall gegeben werden, weil sie von dem Gegenstand des jeweiligen Verfahrens und dem dafür einschlägigen Recht abhängt. Denn dieses bestimmt, inwieweit anderweit streitige behördliche Genehmigungen oder Planfeststellungen berücksichtigt werden können.

17 Im konkreten Fall ging es im Übrigen nicht darum, ob der Verwaltungsgerichtshof den ergangenen Planfeststellungsbeschluss zu beachten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss mit seinem Erlass wirksam ist und die Anfechtungsklage mit ihrer aufschiebenden Wirkung nicht die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses hinausschiebt, sondern nur dessen Vollzug hemmt. Von möglicher Bedeutung für die Festsetzung des Wasserschutzgebiets ist nicht der Planfeststellungsbeschluss als solcher, sondern der tatsächliche Ausbau des Mains. Dieser hängt aber davon ab, ob der Planfeststellungsbeschluss in dem gegen ihn anhängig gemachten Klageverfahren Bestand haben wird. Wegen der Unsicherheit über den Ausgang des Klageverfahrens und damit wegen der Unsicherheit über den tatsächlichen Ausbau des Mains hat der Verwaltungsgerichtshof diesen in seinen Auswirkungen auf die Grundwasserverhältnisse nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang liegt auf der Hand und ist deshalb nicht weiter klärungsbedürftig, dass für die Wirksamkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebiets zukünftige Entwicklungen allenfalls dann von Bedeutung sein können, wenn sie mit hinreichender Sicherheit eintreten werden.

18 3. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1982 - BVerwG 3 C 6.82 - (BVerwGE 66, 218 = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 71) abgewichen.

19 Die Antragstellerin entnimmt dieser Entscheidung den abstrakten Rechtssatz, der Eintritt der aufschiebenden Wirkung habe nur zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden dürfe, dagegen beseitige die aufschiebende Wirkung nicht die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen gegenteiligen abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Wie bereits dargelegt, leugnet der Verwaltungsgerichtshof die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses trotz dessen Anfechtung nicht. Für den Verwaltungsgerichtshof kam es nicht auf die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses, sondern auf den tatsächlichen Ausbau des Mains an. Dieser war aber nach seiner Auffassung unsicher, weil der Bestand des Planfeststellungsbeschlusses wegen seiner Anfechtung und des offenen Ausgangs des Anfechtungsprozesses unsicher war.

20 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 28.11.2008 -
BVerwG 7 BN 5.08ECLI:DE:BVerwG:2008:281108B7BN5.08.0

Leitsatz:

Die Anhörungsrüge kann nicht darauf gestützt werden, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung eines Verfahrensfehlers der Vorinstanz, namentlich eines angeblichen Verstoßes der Vorinstanz gegen das rechtliche Gehör, ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, ist unzulässig, wenn sie sich nicht gegen eine neue und eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Bundesverwaltungsgericht richtet, sondern sich darauf beschränkt, eine bereits der Vorinstanz unterlaufene Verletzung des rechtlichen Gehörs (erneut) geltend zu machen (wie Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2007 - VI ZR 38/07 - NJW 2008, 923).

Beschluss

BVerwG 7 BN 5.08

  • VGH München - 13.02.2008 - AZ: 22 N 06.484 -

In der Normenkontrollsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. November 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 4. November 2008 wird verworfen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Die Antragstellerin hat entgegen § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht dargelegt, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in dem angegriffenen Beschluss vom 4. November 2008 in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Sie hat nicht aufgezeigt, dass der Senat bei der Beurteilung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision entscheidungserheblichen Vortrag der Antragstellerin in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat.

2 Die Antragstellerin greift im Wesentlichen nur die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs an. Sie wiederholt lediglich rechtliches und tatsächliches Vorbringen aus ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, insbesondere ihren Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof sei ihrem Vortrag zu den Auswirkungen eines Ausbaus des Mains auf die Grundwasserverhältnisse im Einzugsbereich der Trinkwassergewinnungsanlage nicht nachgegangen. Der Senat hat sich in seinem Beschluss hiermit auseinander gesetzt, soweit es für die Beurteilung der erhobenen Verfahrensrügen erheblich war. Dass der Senat dabei zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, als die Antragstellerin für richtig hält, berührt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Die Anhörungsrüge kann nicht darauf gestützt werden, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung eines Verfahrensfehlers der Vorinstanz, namentlich eines angeblichen Verstoßes der Vorinstanz gegen das rechtliche Gehör, ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, ist unzulässig, wenn sie sich nicht gegen eine neue und eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Bundesverwaltungsgericht richtet, sondern sich darauf beschränkt, eine bereits der Vorinstanz unterlaufene Verletzung des rechtlichen Gehörs (erneut) geltend zu machen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2007 - VI ZR 38/07 - NJW 2008, 923).

3 Die Antragstellerin kann ihre Anhörungsrüge nicht darauf stützen, dass der Verwaltungsgerichtshof das Normenkontrollverfahren nach § 94 VwGO hätte aussetzen müssen, bis über die Klage der Beigeladenen gegen den Planfeststellungsbeschluss betreffend den Ausbau des Mains rechtskräftig entschieden ist. Auf die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens brauchte der Senat in seinem Beschluss schon deshalb nicht einzugehen, weil die Antragstellerin die unterbliebene Aussetzung des Verfahrens nicht zum Gegenstand einer Verfahrensrüge gemacht hat (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Entgegen der Andeutung der Antragstellerin in ihrer Anhörungsrüge kam eine Aussetzung des Verfahrens durch den Senat von vornherein nicht in Betracht, weil Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht die Sache selbst, sondern nur die Frage ist, ob ein Grund für die Zulassung der Revision vorliegt. Für die Beurteilung dieser Frage war und ist der Ausgang des Anfechtungsprozesses gegen den Planfeststellungsbeschluss ohne Bedeutung.

4 Soweit die Antragstellerin eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) rügt, ist die Anhörungsrüge ebenfalls unzulässig, weil sie nur auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, nicht auf die Verletzung anderer Verfassungsgarantien gestützt werden kann. Abgesehen davon hat die Antragstellerin auch insoweit nur ihre Angriffe gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wiederholt.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.