Beschluss vom 05.02.2004 -
BVerwG 7 B 115.03ECLI:DE:BVerwG:2004:050204B7B115.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.02.2004 - 7 B 115.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:050204B7B115.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 115.03

  • VG Berlin - 11.09.2003 - AZ: VG 29 A 45.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. September 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerin, eine niederländische Aktiengesellschaft, macht vermögensrechtliche Ansprüche in Bezug auf ein in Volkseigentum überführtes Grundstück einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Berlin geltend, deren Kapitalanteile sie zu über 99 % gehalten hatte. Die deutsche Aktiengesellschaft wurde auf der Grundlage des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 mit dem Zusatz "deutsche Anteile" in die Berliner "Liste 3" vom 14. November 1949 aufgenommen. Das Grundstück wurde 1951 im Grundbuch in Eigentum des Volkes umgeschrieben. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Restitutionsantrag ab, weil das Grundstück auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden und darum gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Rückübertragung ausgeschlossen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen; dem Restitutionsausschluss stehe weder das Schutzversprechen der Besatzungsmacht zugunsten ausländischen Eigentums noch ein konkretes Enteignungsverbot entgegen. Die Revision gegen sein Urteil hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die vermeintliche Abweichung der angegriffenen Entscheidung von dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 1998 (ZOV 1999, 35) rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision nicht, weil das hier in Rede stehende Grundstück nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden ist, während das Urteil des Bundesgerichtshofs davon ausgeht, dass das Unternehmensvermögen von einer Anteilsenteignung nach der Berliner "Liste 1" nicht erfasst war. Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Enteignung des seit 1945 beschlagnahmten Grundstücks daraus abgeleitet, dass die deutsche Aktiengesellschaft in Vollzug der Enteignung nach der "Liste 3" durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus ihrem Grundstückseigentum verdrängt worden ist. Nach dem für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage maßgebenden, vornehmlich auf faktische Kriterien abstellenden Enteignungsbegriff liegt eine vermögensrechtlich relevante Enteignung dann vor, wenn das Eigentum ungeachtet der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Maßnahmen tatsächlich entzogen worden ist und dies in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck kam (vgl. Urteil vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 50.95 - BVerwGE 104, 84 <87>).
Ebenfalls im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass für mittelbar ausländisches Eigentum kein generelles Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht bestand (vgl. Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 7 C 58.93 - BVerwGE 96, 183 <187 f.>; Urteil vom 13. Februar 1995 - BVerwG 7 C 53.94 - BVerwGE 98, 1 <10 f.>; Urteil vom 27. Juni 1996 - BVerwG 7 C 3.96 - BVerwGE 101, 282 <283 f.>). Die Klägerin war als Eigentümerin der Kapitalanteile der Grundstückseigentümerin durch die Enteignung nicht in Form eines Rechtsverlusts, sondern ausschließlich in Form einer Minderung der wirtschaftlichen Substanz ihrer Anteile betroffen. Für einen Zugriff deutscher Stellen auf Vermögensgegenstände deutscher juristischer Personen mit ausländischer Kapitalbeteiligung lässt sich den in Betracht kommenden Verlautbarungen der Besatzungsmacht kein klares Enteignungsverbot entnehmen (Urteil vom 13. Februar 1995 a.a.O. S. 11). Für Fälle einer ausschließlich ausländischen Anteilseignerschaft gilt nichts anderes, da die einschlägigen Verlautbarungen insoweit nicht eindeutiger waren, als sie es im Hinblick auf juristische Personen mit teilweise deutscher Beteiligung waren (Urteil vom 27. Juni 1996 a.a.O. S. 284).
Auch die sinngemäß aufgeworfene Frage der Beschwerde, ob der in der Berliner "Liste 3" der Unternehmensbezeichnung beigefügte Zusatz "deutsche Anteile" dahin verstanden werden kann, dass er die Enteignung von Betriebsvermögen einschließt, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Das Verwaltungsgericht hat den entsprechenden Eintrag in der Enteignungsliste dahin ausgelegt, dass von der Enteignung nur die ausländischen Anteile ausgenommen waren, die in Treuhandverwaltung genommen werden sollten. Dagegen habe es der Enteignungspraxis im sowjetischen Sektor von Berlin entsprochen, die von Anteilsenteignungen betroffenen Betriebe vollständig in Volkseigentum zu überführen. Diese Enteignungspraxis stimme der Sache nach mit der Anordnung überein, die im SMAD-Befehl Nr. 447 vom 19. Oktober 1948 für ähnliche Anteilsenteignungen getroffen worden sei. Dass das Betriebsvermögen Gegenstand der Enteignung sein sollte, sei auch in dem Enteignungsvorschlag der Deutschen Treuhandverwaltung vom 20. Oktober 1948 zum Ausdruck gebracht worden. Welche allgemeine Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung sich mit dieser tatrichterlichen Auslegung verbindet, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Die Beschwerde begnügt sich in diesem Zusammenhang mit dem Hinweis auf das bereits erwähnte Urteil des Bundesgerichtshofs. Mit diesem Hinweis wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deswegen nicht dargelegt, weil jenes Urteil die seinerzeitige Enteignungspraxis unberücksichtigt lässt, die das Verwaltungsgericht unter zutreffender Anwendung des vom Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung zum alliierten Rückerstattungsrecht (BGHZ 16, 350 <354 f.>) entwickelten faktischen Enteignungsbegriffs herangezogen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.