Beschluss vom 05.10.2012 -
BVerwG 1 WNB 3.12ECLI:DE:BVerwG:2012:051012B1WNB3.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.10.2012 - 1 WNB 3.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:051012B1WNB3.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 3.12

  • Truppendienstgericht Nord 6. Kammer - 21.12.2011 - AZ: TDG N 6 BLa 2/10

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 5. Oktober 2012 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat keinen Erfolg. Der gerügte Verfahrensmangel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) einer Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO) liegt, soweit prozessordnungsgemäß dargelegt, nicht vor.

2 Nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie von den Revisionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entwickelt worden sind (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1 Rn. 2 = NZWehrr 2009, 258 und vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 WNB 7.10 - Buchholz 450.1 § 22b WBO Nr. 2 Rn. 9 = NZWehrr 2010, 252).

3 Danach setzt die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge unter anderem die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (vgl. Beschlüsse vom 27. Juli 2011 - BVerwG 2 WNB 3.11 - Rn. 5 und vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 <628>). Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (Beschlüsse vom 27. Juli 2011 a.a.O. und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. m.w.N.). Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Aufklärung bietet (vgl. dazu Urteile vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177 f.> = Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 12 S. 17 und vom 13. April 2005 - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 51; Beschluss vom 25. Juni 2010 - BVerwG 9 B 99.09 - Buchholz 310 § 112 VwGO Nr. 13 Rn. 4).

4 1. Der Antragsteller macht geltend (Schriftsatz vom 5. März 2012, Seite 2 f., Handlungskomplex 1), das Truppendienstgericht habe die Umstände, die am 17. November 2009 zu den Verzögerungen beim Start der letzten Maschine infolge eines technischen Defekts und damit zu der Überschreitung der zulässigen täglichen Rahmendienstzeit von 10 Stunden für Oberfeldwebel K. geführt hätten, nicht hinreichend aufgeklärt. Hätte das Gericht Oberfeldwebel K. zur Sache vernommen, so hätte dieser die Ursachen der Verzögerung sowie die Tatsache, dass der Antragsteller hierüber nicht informiert war, bestätigt.

5 Die Aufklärungsrüge kann bereits deshalb nicht durchdringen, weil der Antragsteller einen entsprechenden Beweisantrag auf Vernehmung des Oberfeldwebel K. im Verfahren vor dem Truppendienstgericht nicht gestellt hat. Für das Truppendienstgericht musste sich die vom Antragsteller geforderte weitere Aufklärung auch nicht aufdrängen, weil es nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Feststellung eines Mangels - als Voraussetzung für die Anwendung einer Zusätzlichen Erzieherischen Maßnahme (Nr. 503 ZDv 14/3 B 151) - nicht ausschlaggebend auf die Einzelheiten des Geschehens am 17. November 2009 nach 18:00 Uhr ankam. Denn um 18:00 Uhr hatte Oberfeldwebel K., der sich an diesem Tag seit 8:00 Uhr im Dienst befand, die tägliche Rahmendienstzeit von 10 Stunden überschritten. Das Truppendienstgericht (Beschlussausfertigung <BA> Seite 9) wirft dem Antragsteller zwar vor, er habe es zu verantworten, dass sich der ihm unterstellte Oberfeldwebel K. letztlich bis 21:35 Uhr und damit insgesamt 13:35 Stunden lang im Dienst befand; es hebt jedoch ausdrücklich hervor, dass der Antragsteller bereits zu einer Verlängerung des Dienstes um bis zu zwei Stunden über 18:00 Uhr hinaus nicht befugt war, weil dies nur durch den Führer der Flugsicherungseinheit hätte befohlen werden dürfen (Nr. 632 Abs. 2 ZDv 57/1). Für die Feststellung eines Mangels kam es mithin nicht darauf an, aus welchen Gründen sich der Start der letzten Maschine über die zunächst angenommene Zeit von 18:30 Uhr hinaus noch weiter verzögerte. Denn in jedem Falle hätte Oberfeldwebel K. den Flugberatungsdienst um 18:00 Uhr beenden müssen und der Antragsteller, der seinen Dienst erst um 14:00 Uhr begonnen hatte, nicht den Arbeitsplatz um 18:00 Uhr verlassen dürfen.

6 Aus den genannten Gründen kann der angefochtene Beschluss des Truppendienstgerichts auch nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO).

7 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht weiter geltend (Schriftsatz vom 5. März 2012, Seite 3 f., Handlungskomplex 2), das Truppendienstgericht habe zu Unrecht einen Verstoß gegen die Vorschriften der Betriebsanordnung Nr. 07/98 über die Besetzung der Arbeitsplätze im Flugberatungsdienst angenommen, weil es davon ausgegangen sei, der Antragsteller habe am 5. November 2009 Oberfeldwebel K. ohne Genehmigung vorzeitig um 15:45 Uhr den Dienst beenden lassen. Hätte das Gericht Oberfeldwebel K. oder das Tower-Personal befragt, so hätten diese bestätigt, dass der Antragsteller hierfür die Genehmigung des Wachleiters Tower eingeholt habe. Eine Überprüfung habe auch anhand der Sprachaufzeichnungen erfolgen können, die einer Mindestaufbewahrungszeit in den Flugsicherungsstellen von 30 Tagen unterlägen.

8 Auch diese Aufklärungsrüge führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

9 Zunächst hat der Antragsteller wiederum keine entsprechenden Beweisanträge im Verfahren vor dem Truppendienstgericht gestellt. Der von ihm angegebene Schriftsatz vom 23. Januar 2011, in dem nach seiner Darstellung auf die Notwendigkeit der mit der Aufklärungsrüge angemahnten Sachaufklärung hingewiesen worden sei, ist in der Verfahrensakte des Truppendienstgerichts nicht enthalten. Was die Sprachaufzeichnungen vom 5. November 2009 betrifft, dürften diese im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit beim Truppendienstgericht (Eingangsdatum 27. September 2010) nicht mehr verfügbar gewesen sein; etwaige Versäumnisse im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt werden (Beschluss vom 21. Dezember 2009 - BVerwG 1 WNB 5.09 -).

10 Unabhängig davon kommt es auf eine etwaige Genehmigung des Wachleiters Tower nicht an. Bereits das Truppendienstgericht (BA Seite 10 oben) hat eine entsprechende Rechtfertigung für das Abweichen von den Vorschriften der Betriebsanordnung Nr. 07/98 über die Besetzung der Arbeitsplätze im Flugberatungsdienst nicht als vom Gericht vertretene Rechtsauffassung, sondern lediglich in indirekter Rede als Teil des Vortrags des Antragstellers wiedergegeben („Die Behauptung des Antragstellers, für die Abwesenheit des o.a. Soldaten <gemeint: Oberfeldwebel K.> sei die Genehmigung des Wachleiters Tower - der dazu berechtigt sei - eingeholt worden, konnte nicht bestätigt werden“). Entgegen diesem Vortrag lässt sich der Betriebsanordnung Nr. 07/98 für eine Befugnis des Wachleiters Tower, Ausnahmen von der vorgeschriebenen Besetzung zu genehmigen, nichts entnehmen. Die Betriebsanordnung Nr. 07/98 ordnet für die zum strittigen Zeitpunkt geltende allgemeine Platzöffnungszeit (8:00 bis 17:00 Uhr) die Besetzung mit zwei Flugberatern (und nicht nur einem Flugberater) an (Nr. 1); Ausnahmen, die hier nicht einschlägig sind, sind nur für die gesonderten Platzöffnungszeiten (Nr. 2.b) und beim Einsatz von Wehrübenden (Nr. 2.c) vorgesehen. Der angefochtene Beschluss des Truppendienstgerichts kann deshalb nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) bzw. würde sich jedenfalls im Ergebnis als richtig darstellen (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 144 Abs. 4 VwGO; zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vgl. Beschluss vom 22. August 1996 - BVerwG 8 B 100.96 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 62; s.a. Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 144 Rn. 61 f. m.w.N.).

11 3. Der Antragsteller wendet sich schließlich mit der Aufklärungsrüge dagegen, dass das Truppendienstgericht einen - die Anwendung einer Zusätzlichen Erzieherischen Maßnahme rechtfertigenden - Mangel in der „unsauberen Führung“ der Tagesberichte im Aufgabenbereich des Antragstellers gesehen habe (Schriftsatz vom 5. März 2012, Seite 5, Handlungskomplex 3). Der Antragsteller macht hierzu geltend, dass es zum Führen der Tagesberichte keine klaren Vorgaben, etwa im Rahmen einer Betriebsanordnung oder durch schriftliche oder mündliche Weisungen des Vorgesetzten, gegeben habe.

12 Das Truppendienstgericht (BA Seite 10 Mitte) hat die Annahme eines Mangels damit begründet, der Zugführer des Antragstellers habe „- insoweit auch vom Antragsteller nicht widersprochen bzw. widerlegt - wiederholt die Führung der Berichte bemängelt (z.B. 20.10., 27.10., 30.10., 9.11., 10.11.2009), da Streichungen und Korrekturen nicht entsprechend der Vorschrift durchgeführt worden“ seien. Das Truppendienstgericht hat dabei berücksichtigt, dass die Vorschriften über das Führen der Tagesberichte Unzulänglichkeiten aufwiesen, auf die der Antragsteller jedoch erst nachträglich in seiner schriftlichen Ausarbeitung vom 18. November 2009 hingewiesen habe.

13 Die diese Feststellungen betreffende Verfahrensrüge genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Aufklärungsmangels. Der Antragsteller hat insbesondere nicht die wiederholten Ermahnungen und Weisungen durch den Zugführer an den fünf angegebenen Tagen in Frage gestellt und hierfür weder eine abweichende Sachdarstellung gegeben noch entsprechende Beweismittel benannt. Soweit der Antragsteller in der Sache auf Fehler in der Beweiswürdigung und der Rechtsanwendung durch das Truppendienstgericht abzielt, können diese, weil sie das materielle Recht betreffen, nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

14 4. Soweit mit den Schriftsätzen des Antragstellers vom 8. Mai 2012 (zu den Handlungskomplexen 1 bis 3) und vom 27. September 2012 (zu den Handlungskomplexen 1 und 2) neuer Sachvortrag erfolgte, konnte dieser nicht berücksichtigt werden, weil er erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 5. Mai 2012 eingegangen ist.

15 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.