Verfahrensinformation

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, lebt seit 1972 in Deutschland und war bis 1994 als Arbeitnehmer beschäftigt. Seit 1982 ist er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Seitdem er 1994 aus betriebsbedingten Gründen entlassen worden war, hat er keinen Arbeitsplatz mehr gefunden. Das Berufungsgericht ist im Rahmen der Überprüfung einer gegen den Kläger im Jahre 1999 ergangenen Ausweisungsverfügung davon ausgegangen, dass dem Kläger Vergünstigungen aus Art. 6 ARB 1/80 nicht zustehen, weil er die Rechtsstellung eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 6 ARB 1/80, der nach dem Assoziationsrecht nur unter besonderen Voraussetzungen ausgewiesen werden kann, wegen seiner mehrjährigen Arbeitslosigkeit verloren habe. In dem Revisionsverfahren wird u. a. - gegebenenfalls durch Vorlage an den Europäischen Gerichtshof - zu klären sein, ob eine mehrjährige unverschuldete Arbeitslosigkeit zum Erlöschen aufenthaltsrechtlicher Positionen nach Art. 6 ARB führt.


Beschluss vom 17.12.2003 -
BVerwG 1 B 22.03ECLI:DE:BVerwG:2003:171203B1B22.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.12.2003 - 1 B 22.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:171203B1B22.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 22.03

  • Bayerischer VGH München - 29.10.2002 - AZ: VGH 24 B 00.3274

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Dezember 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 29. Oktober 2002 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, welche Auswirkungen eine mehrjährige Arbeitslosigkeit nach unverschuldetem Verlust des Arbeitsplatzes sowie eine anschließende Strafhaft auf eine nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 erworbene Rechtsposition haben.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 35.03 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Beschluss vom 17.05.2004 -
BVerwG 1 VR 1.04ECLI:DE:BVerwG:2004:170504B1VR1.04.0

Beschluss

BVerwG 1 VR 1.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Mai 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Oktober 1999 wiederherzustellen und die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides anzuordnen, wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 2 000 € festgesetzt.

1. Der Antragsteller ist mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Oktober 1999 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden, nachdem er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Bedrohung rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden war. Die von ihm angestrengten Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos. Der Antragsteller wurde daraufhin im August 2001 aus der Strafhaft in die Türkei abgeschoben, wo er sich seitdem aufhält. Seine Klage gegen die Ausweisungsverfügung hatte in erster und in zweiter Instanz keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Beschwerde des Antragstellers hin mit Beschluss vom 17. Dezember 2003 die Revision gegen das Berufungsurteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Mit seinem Antrag erstrebt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ausweisungsverfügung vom 4. Oktober 1999 und die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides durch die Abschiebung in die Türkei. Er macht geltend, die Sach- und Rechtslage habe sich seit den Beschlüssen in den vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wesentlich geändert. Insbesondere wegen des nunmehr offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens sei eine andere Interessenabwägung geboten. Er lebe seit seiner Abschiebung bereits zweieinhalb Jahre straf- und drogenfrei in der Türkei, so dass eine erneute Straffälligkeit im Falle seiner Rückkehr nicht zu befürchten sei. Durch die andauernde Trennung von seiner Ehefrau und seinen Kindern in Deutschland würden zudem seine familiären Belange in schwerwiegender Weise verletzt.
2. Der Antrag des Antragstellers ist nach § 80 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 VwGO zulässig. Aufgrund dieser Bestimmung kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Das Bundesverwaltungsgericht, bei dem das Revisionsverfahren hinsichtlich der Ausweisungsverfügung anhängig ist, ist als Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO berufen, über diesen Antrag zu entscheiden.
Der Antrag ist allerdings unbegründet. Eine Änderung der bisher für die sofortige Vollziehung der Ausweisung maßgeblichen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs, mit denen die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt wurde, wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO, ist nicht geboten. Die Tatsache, dass der Senat inzwischen die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zum Zwecke der Klärung einer grundsätzlichen assoziationsrechtlichen Rechtsfrage im Rahmen des Art. 6 ARB 1/80 zugelassen hat, besagt als solche im vorliegenden Fall noch nichts über deren Erfolgsaussicht. Vielmehr muss die Frage, ob die Ausweisung sich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig oder rechtswidrig erweisen wird, hier als offen angesehen werden. Danach ist eine von der Einschätzung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Beschluss vom 24. März 1994 - BVerwG 1 B 134.93 - InfAuslR 1994, 395). Diese ergibt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles, dass das öffentliche Interesse an der weiteren Fernhaltung des Klägers von der Bundesrepublik Deutschland sein privates Interesse an einer sofortigen vorläufigen Rückkehr in das Bundesgebiet bis zur Entscheidung der Hauptsache auch weiterhin überwiegt. Die Nachteile bei einer sofortigen Wiedereinreise des Klägers und einer späteren Erfolglosigkeit der Revision mit der Folge einer erneuten Aufenthaltsbeendigung sowie gegebenenfalls Abschiebung des Klägers wiegen schwerer als der Nachteil für den Kläger, nicht sofort, sondern erst nach einem erfolgreichen Abschluss des Revisionsverfahrens wieder in die Bundesrepublik Deutschland einreisen zu dürfen. Das Interesse an der Fernhaltung des in schwerwiegender Weise straffällig gewordenen Klägers wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass er - wie er vorträgt - seit seiner Abschiebung bereits zweieinhalb Jahre straf- und drogenfrei in der Türkei lebt. Daraus allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, dass er auch bei einer Rückkehr nach Deutschland straffrei bleiben wird, zumal die Lebensumstände in der Türkei nicht im Einzelnen bekannt und nachprüfbar sind. Ein besonderes Interesse des Antragstellers an der - möglicherweise nur vorläufigen - sofortigen Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland ist derzeit vom Antragsteller weder dargetan noch zu erkennen. Es ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK aus den familiären Belangen des Antragstellers, zumal seine Kinder schon erwachsen sind und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, warum es der aus der Türkei stammenden Ehefrau des Klägers unzumutbar sein sollte, bis zur Entscheidung über die Revision ihren Ehemann in der Türkei zu besuchen oder dort mit ihm zusammen zu leben. Als Inhaberin einer Aufenthaltsberechtigung könnte sie - worauf die Beteiligte zutreffend hinweist - zu diesem Zweck auch eine Verlängerung der Frist von sechs Monaten für die Wiedereinreise nach § 44 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 AuslG erhalten. Im Übrigen hat der Antragsteller nicht dargetan, dass und in welcher Form er während seines bisherigen Aufenthalts in der Türkei den Kontakt zu seiner Familie in Deutschland aufrechterhalten hat.
Kommt danach eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung nicht in Betracht, kann auch der Antrag auf Anordnung der Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Antragsverfahren beruht auf § 13 Abs. 1, § 20 Abs. 3 GKG (vgl. auch I Nr. 7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit NVwZ 1996, 563).

Beschluss vom 05.11.2004 -
BVerwG 1 C 35.03ECLI:DE:BVerwG:2004:051104B1C35.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.11.2004 - 1 C 35.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:051104B1C35.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 C 35.03

  • Bayerischer VGH München - 29.10.2002 - AZ: VGH 24 B 00.3274

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. November 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Nach Annahme des durch den Beschluss vom 26. Oktober 2004 vorgeschlagenen Vergleichs wird das Verfahren eingestellt.
  2. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
  3. Der Wert des Vergleichsgegenstandes beträgt 8 000 €.

Der Kläger und die Beklagte haben den Vergleichsvorschlag des Senats mit Telefax vom 27. Oktober 2004 (Beklagte) und vom 29. Oktober 2004 (Kläger) angenommen. Durch den Abschluss des Vergleichs (§ 106 Satz 2 VwGO) ist das Verfahren beendet. Zur Klarstellung stellt es der Senat in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ein.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1 GKG a.F. i.V.m. § 72 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718). Der Gegenstandswert für den von den Parteien abgeschlossenen Vergleich war gegenüber dem Streitwert für das Ausweisungsverfahren (Auffangwert gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) zu erhöhen, weil die Beteiligten weitere Regelungen in den Vergleich einbezogen haben. Diese bewertet der Senat zusammengefasst ebenfalls in Höhe des Auffangwertes nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., so dass der Vergleichswert in Höhe des doppelten Auffangwertes festzusetzen war.