Beschluss vom 05.12.2007 -
BVerwG 3 B 31.07ECLI:DE:BVerwG:2007:051207B3B31.07.0

Beschluss

BVerwG 3 B 31.07

  • VG Greifswald - 16.11.2006 - AZ: VG 6 A 485/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

1 Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

2 Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht ihre Klage gegen den Bescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock vom 24. Juni 2002 zurückgewiesen, mit dem das streitige Grundstück der Beigeladenen zugeordnet worden war. Das Verwaltungsgericht war wie die Beklagte der Auffassung, dass das Grundstück von der Gaststättennutzung im Erd- und Zwischengeschoss seines Hauptgebäudes sowie eines Anbaus geprägt wird, auch wenn das 1. Obergeschoss und zwei Dachgeschosse für Wohnzwecke genutzt werden.

3 1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigelegte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie sieht die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, wie eine Vermögenszuordnung bei Grundstücken mit etwa gleich großen Flächen von erwerbswirtschaftlicher und kommunaler Nutzung zu erfolgen habe. Für die Beantwortung dieser Frage ergeben sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber bereits hinreichende Anhaltspunkte, so dass ein Bedürfnis für die Klärung in einem weiteren Revisionsverfahren fehlt. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Nutzung des beanspruchten Vermögensgegenstandes zu verschiedenen Zwecken für die Zuordnung generell darauf abzustellen ist, für welche Aufgaben dieser Vermögensgegenstand „überwiegend“ bestimmt war bzw. genutzt wurde, sofern nicht ausnahmsweise eine Realteilung in Betracht kommt (vgl. u.a. Urteile vom 13. September 2001 - BVerwG 3 C 31.00 - BVerwGE 115, 97 <101> und vom 7. Oktober 2004 - BVerwG 3 C 43.03 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 30). In weiteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht die Zuordnung davon abhängig gemacht, welche Aufgaben mit einem Vermögensgegenstand „vorrangig und prägend“ erfüllt werden (vgl. u.a. Urteil vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 7 C 57.93 - BVerwGE 97, 240 <244>). Daraus ergibt sich, dass dann, wenn nach den flächenmäßigen Anteilen der verschiedenen Nutzungsarten noch keine eindeutige Zuordnung möglich ist, anhand weiterer Anhaltspunkte zu bestimmen ist, welche der verschiedenen Nutzungsarten den betreffenden Vermögensgegenstand prägt. Welche Faktoren hierfür maßgeblich sind, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles abhängig. So hat der Senat in seinem Urteil vom 13. September 2001 für die Zuordnung eines Grundstücks, das mit einer auch für Vereinszwecke genutzten Gaststätte bebaut war, die Relation zwischen Gaststättenbesuchern mit und ohne Vereinsbezug für wesentlich gehalten (a.a.O. S. 102). Danach ist es hier nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht auf das äußere Erscheinungsbild von Grundstück und Bebauung sowie darauf abgestellt hat, welche Ziele mit der Rekonstruktion der Bebauung auf dem streitigen Grundstück verfolgt wurden und in welchem Zusammenhang zueinander die dort ausgeübten Nutzungen stehen.

4 2. Inwiefern das Verwaltungsgericht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wird in der Beschwerde nicht entsprechend den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO schlüssig dargelegt. Die Klägerin rügt, dass das Verwaltungsgericht die nach dem Urteil des Senats vom 13. September 2001 gebotene Einzelfallbetrachtung unterlassen habe bzw. wegen sachfremder Erwägungen zu einem falschen Ergebnis gekommen sei. Damit wird aber allenfalls eine fehlerhafte Umsetzung der genannten Rechtsprechung geltend gemacht, dagegen wird nicht, wie für eine Divergenzrüge erforderlich, ein vom Verwaltungsgericht angenommener abstrakter Rechtssatz herausgearbeitet, der von einem entsprechenden Obersatz in dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Aus dem angegriffenen Urteil ergibt sich stattdessen, dass sich das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich angeschlossen hat und ebenfalls davon ausgeht, bei einer Mischnutzung komme es darauf an, für welche Aufgaben der Vermögensgegenstand überwiegend bestimmt sei, was auf der Grundlage einer Betrachtung des Einzelfalles zu entscheiden sei. Eine solche Bewertung der besonderen Gegebenheiten des vorliegenden Falles hat das Verwaltungsgericht sodann vorgenommen.

5 3. Schließlich lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufweist. Das Verwaltungsgericht hat insbesondere nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen.

6 Die Klägerin sieht einen solchen Verstoß darin, dass das Verwaltungsgericht die von ihr im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen Flächenangaben zu den Anteilen der Gaststätten- und Wohnnutzung übergangen habe und fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass der Anteil beider Nutzungsarten in etwa gleich sei. Doch werden sowohl ihre Ausführungen, dass der Spitzboden, die Flure und die Freifläche zu Unrecht nicht der Wohnnutzung zugerechnet worden seien, als auch der von ihr ermittelte abweichende Prozentsatz der Wohnnutzung im Urteil referiert. Bereits dieser Umstand spricht dagegen, dass dieses Vorbringen vom Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht bedacht worden ist. Zudem handelte es sich dabei keineswegs um neue Gesichtspunkte, diese Fragen waren ausweislich der Verwaltungsakten bereits im Verwaltungsverfahren streitig gewesen. Dass die Vorinstanz der Berechnung der Klägerin nicht gefolgt und stattdessen unter Ausklammerung der Nebenflächen von keinem deutlichen Überwiegen einer der beiden Nutzungen ausgegangen ist, bewegt sich noch im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung. Das Verwaltungsgericht hat die Prägung des Grundstücks durch die Gaststättennutzung dann im Wesentlichen aus den bereits genannten weiteren Gesichtpunkten hergeleitet.

7 Den geltend gemachten Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz kann die Klägerin auch nicht mit dem Einwand begründen, das Verwaltungsgericht habe eine im Infodienst Kommunal der Bundesregierung wiedergegebene Rechtsauffassung nicht berücksichtigt. Damit verfehlt die Klägerin den Gegenstand des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der die Feststellung aller für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Tatsachen und deren „freie“ Würdigung betrifft (Beschluss vom 30. Juni 2003 - BVerwG 4 B 35.03 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 26). Stattdessen übt die Klägerin in der äußeren Form einer Verfahrensrüge inhaltliche Kritik an der Anwendung des Zuordnungsrechts durch das Verwaltungsgericht. Einen Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung kann die Klägerin mit einem solchen Vorbringen nicht darlegen.

8 Soweit es die Klägerin für verfahrensfehlerhaft hält, dass das Verwaltungsgericht das streitige Grundstück nicht in Augenschein genommen hat, handelt es sich der Sache nach um die Rüge eines Verstoßes gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht nach § 86 VwGO. Einen entsprechenden Beweisantrag hat die bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Klägerin jedoch nicht gestellt, dem Verwaltungsgericht musste sich eine solche Beweisaufnahme auch nicht aufdrängen. Bei den Verwaltungsakten befinden sich mehrere Gutachten zur Nutzung des streitigen Grundstücks, einschließlich detaillierter Grundrisse sowie Photos. Darin konnte das Verwaltungsgericht eine ausreichende tatsächliche Entscheidungsgrundlage sehen, zumal es sein Urteil wesentlich auf Gesichtspunkte gestützt hat, die einem Augenschein ohnehin nicht zugänglich sind.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO; da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Der Wert des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.