Beschluss vom 06.10.2003 -
BVerwG 9 B 95.03ECLI:DE:BVerwG:2003:061003B9B95.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.10.2003 - 9 B 95.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:061003B9B95.03.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 95.03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Oktober 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t ,
V a l l e n d a r und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 176,51 € festgesetzt.

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift wirft die Beschwerde zunächst sinngemäß die Frage auf, wer die materielle Beweislast trägt, wenn sich ein Bürger auf die Existenz, die Verwaltung dagegen auf die Nichtexistenz einer Unterschrift auf einer Urkunde beruft, die von der Verwaltung aufzubewahren, jedoch nicht mehr auffindbar ist.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Wer die Darlegungs- und Beweislast trägt, bestimmt sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Recht, hier also nach irrevisiblem Landesrecht. Ihm ist gegebenenfalls durch Auslegung zu entnehmen, ob und inwieweit in Ermangelung einer anderen Verteilung der Beweislast ergänzend der allgemeine Grundsatz gilt, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter ihm günstige Rechtsfolgen herleitet, zu seinen Lasten geht (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - BVerwG 11 C 60.92 - Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr. 4 S. 4 m.w.N.). Auch die allgemeinen Grundsätze sind revisionsrechtlich dem irrevisiblen Landesrecht zuzuordnen, wenn und soweit es sich wie hier um ihre Anwendung in Ergänzung des Landesrechts handelt (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 1994 - BVerwG 1 B 153.93 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 27 S. 10 und vom 28. Dezember 1994 - BVerwG 8 B 201.94 - Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 78 S. 17, jeweils m.w.N.). Dessen Auslegung und Anwendung ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 137 Abs. 1 VwGO). Eine klärungsbedürftige Frage zur Bedeutung und Tragweite einer bundes(verfassungs)rechtlichen Vorschrift, an der die Auslegung und Handhabung des revisiblen Rechts durch das Berufungsgericht sich messen lassen muss, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Auch die zweite von der Revision als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, "wann bei Kenntnis über die Höhe des Investitionsaufwandes der Anlagenbetreiber die endgültigen Abgabensätze zu bestimmen hat", betrifft irrevisibles Landesrecht und kann eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen. Auch insoweit zeigt die Beschwerde Bezüge zum revisiblen Recht nicht auf.
Schließlich wirft die Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam sinngemäß die Frage auf, wie weit der Vertrauensschutz des Bürgers reicht, wenn ihm von der Gemeinde, die von der Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Satzung weiß, vorgetäuscht wird, dass ein Beitragsbescheid aufgrund einer rechtswirksamen Satzung ergeht, und er dadurch darauf vertraut, dass die Beitragserhebung mit dieser Beitragszahlung abgeschlossen sei.
Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Wie die Beschwerde nicht verkennt, genießt im Beitragsrecht ein etwaiges Vertrauen des Betroffenen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von einer Beitragspflicht verschont zu bleiben, keinen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - BVerwG 8 C 170.81 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 21 S. 8). Auch gegenüber erhöhten Nacherhebungsbescheiden kann sich der Betroffene grundsätzlich nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1988 - BVerwG 8 C 92.87 - BVerwGE 79, 163 <170>). Maßgeblich ist insoweit jeweils die Erwägung, dass die Gemeinde ihre Leistung u.a. auch zugunsten des Betroffenen erbracht hat und sie und die hinter ihr stehende Allgemeinheit im Interesse des Haushalts und der Beitragsgerechtigkeit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern können (BVerwG a.a.O.). Auf eine etwaige Kenntnis der Gemeinde von möglichen Unwirksamkeitsgründen kommt es nach dieser Betrachtung nicht an. Auf dieser Grundlage ist ein Klärungsbedarf nicht erkennbar, zumal sich die konkrete Frage der Beschwerde in einem Revisionsverfahren ohnehin nicht stellen würde, weil der Verwaltungsgerichtshof keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Beklagte die Wirksamkeit der Ausgangssatzung "vorgetäuscht" hat. Wegen der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde angesprochenen Gesichtspunkte der Verwirkung und der Verjährung ist wiederum darauf hinzuweisen, dass insoweit irrevisibles Landesrecht in Frage steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 1987 - BVerwG 8 C 60.86 - Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 42 S. 4 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.