Beschluss vom 07.04.2008 -
BVerwG 6 B 69.07ECLI:DE:BVerwG:2008:070408B6B69.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.04.2008 - 6 B 69.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:070408B6B69.07.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 69.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. April 2008
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge als Vorsitzenden
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier und Dr. Bier
beschlossen:

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer sowie der Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und Dr. Graulich wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Das Ablehnungsgesuch bleibt ohne Erfolg.

2 1. Der Senat kann über den Antrag auf der Grundlage der dem Kläger bereits mitgeteilten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO) vom 20./25. Februar 2008 entscheiden, ohne weitere dienstliche Äußerungen zu den mit Schriftsatz des Klägers vom 31. März 2008 geltend gemachten Befangenheitsgründen einzuholen und dem Kläger zur ergänzenden Stellungnahme zuzuleiten. Die abgelehnten Richter haben sich in ihren dem Kläger bekannten Erklärungen dahin eingelassen, dass eine Vorlage der Streitsache an den Europäischen Gerichtshof nur im Revisionsverfahren, nicht aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht komme und dass es aus den im Beschluss vom 19. November 2007 dargelegten Gründen an den Voraussetzungen für die Revisionszulassung gemäß §§ 132, 133 VwGO gefehlt habe, soweit die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen wurde.

3 Einer darüber hinausgehenden Äußerung bedarf es nicht, damit über das Ablehnungsgesuch entschieden werden kann. Ein abgelehnter Richter hat zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen insoweit Stellung zu nehmen, als dies für die Entscheidung notwendig und zweckmäßig ist. Wird ein Ablehnungsgesuch ausschließlich auf behauptete Rechtsverstöße bei der richterlichen Entscheidungsfindung gestützt, ist eine dienstliche Äußerung zu den einzelnen Beanstandungen regelmäßig nicht erforderlich. Denn eine solche Äußerung würde auf die nachträgliche Rechtfertigung der gefällten Entscheidung hinauslaufen und ist verzichtbar, wenn sie zur weiteren Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblichen Sachverhalts nichts beitragen würde (Beschluss vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 9 A 50.07 - NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 2 m.w.N.).

4 So liegt es hier, denn der Kläger wirft den abgelehnten Richtern vor, sie hätten bei der Anwendung des § 132 VwGO die Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 3 EG verkannt und überdies die grundsätzliche Bedeutung einer mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) übersehen. Die abgelehnten Richter sind auf den Ablehnungsantrag hin nicht verpflichtet, ihren in dem Beschluss vom 19. November 2007 dazu vertretenen Standpunkt zu rechtfertigen, denn eine Überprüfung von gerichtlichen Entscheidungen kann nicht im Wege der Richterablehnung erreicht werden.

5 2. Dem Ablehnungsantrag kann in der Sache nicht entsprochen werden. Ihm dürfte bereits der Ausschlussgrund des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO entgegenstehen. Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit u.a. dann nicht mehr ablehnen, wenn sie, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, bei ihm Anträge gestellt hat. Hier hat der Kläger gegen den Beschluss vom 19. November 2007 mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2007 Anhörungsrüge erhoben, über die nach der Geschäftsverteilung des Senats wiederum die drei Richter zu entscheiden hätten, gegen die sich der Ablehnungsantrag richtet; dieser ist aber erst mit Schriftsatz vom 23. Januar 2008 gestellt worden.

6 Unbeschadet dessen ist der Ablehnungsantrag aber jedenfalls unbegründet. Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit setzt nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu rechtfertigen. Hierfür genügt zwar, dass vom Standpunkt der Beteiligten aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit zu zweifeln. Eine rein subjektive Besorgnis, für die vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht aber nicht aus (s. Beschluss vom 23. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 5 m.w.N.).

7 Hinreichende objektive Gründe für die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter sind hier nicht gegeben. Diese haben in dem Beschluss vom 19. November 2007 im Einzelnen dargelegt, dass und aus welchen Gründen ihrer Überzeugung nach die vom Kläger geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision nicht gegeben waren. In ihren dienstlichen Äußerungen vom 20./25. Februar 2008 haben sie darüber hinaus zu erkennen gegeben, dass bundesrechtliche klärungsbedürftige Rechtsfragen, die eine grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufweisen, nach der Entscheidungspraxis des Senats nicht bereits im Beschwerdeverfahren, sondern - nach zugelassener Revision - im Revisionsverfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden. Derartige Rechtsfragen hatte der Kläger allerdings, soweit die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, nach Ansicht der abgelehnten Richter nicht aufgeworfen.

8 Ob den Richtern bei ihrer Überzeugungsbildung etwaige Verstöße gegen das rechtliche Gehör unterlaufen sind, ist Gegenstand der vom Kläger erhobenen und noch nicht beschiedenen Anhörungsrüge. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die drei abgelehnten Richter aufgrund ihrer in dem Beschluss vom 19. November 2007 niedergelegten Rechtsansicht so unverrückbar festgelegt wären, dass sie über die Anhörungsrüge nicht mehr unbefangen entscheiden könnten.

Beschluss vom 08.05.2008 -
BVerwG 6 B 69.07ECLI:DE:BVerwG:2008:080508B6B69.07.0

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    BVerwG, Beschluss vom 08.05.2008 - 6 B 69.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:080508B6B69.07.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 69.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und Dr. Graulich
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 19. November 2007 - BVerwG 6 B 23.07 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 1. Gemäß § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO entscheidet der Senat durch Beschluss.

2 2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass der Senat bei der Entscheidung über seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2006 entscheidungserheblichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hat. Aus der Anhörungsrüge lässt sich ableiten, dass der Kläger den Beschluss vom 19. November 2007 für unrichtig hält. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern zu einem anderen Ergebnis gelangt als es der Beteiligte für richtig hält (Beschluss vom 31. Juli 2007 - BVerwG 6 B 30.07 -). Da es nicht Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO ist, den Senat zu einer Ergänzung oder Erläuterung seiner Entscheidung zu veranlassen (vgl. BTDrucks 15/3706 S. 16), sind lediglich folgende Hinweise angezeigt:

3 Mit dem im Zusammenhang mit der Prüfung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruch hat sich der Senat ausführlich auseinandergesetzt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dazu, dass sich ein Unionsbürger auch gegenüber dem Mitgliedstaat, dem er angehört, unter bestimmten Umständen auf Gemeinschaftsrecht berufen kann, musste nicht eigens angeführt werden, weil es an der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung in Bezug auf einen „qualifizierten Verstoß“ gegen Art. 43 EG fehlte (Rn. 29 des Beschlusses).

4 Mit der Rüge des Vorliegens einer Überraschungsentscheidung hat sich der Senat befasst und unter Rn. 36 ausgeführt: „Da der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen damit rechnen musste, dass das Oberverwaltungsgericht Art. 43 EG nicht zu seinen Gunsten anwenden würde, hat es ihm insoweit auch nicht das rechtliche Gehör versagt.“ Das Verbot einer „Überraschungsentscheidung“ ist ein Ausfluss des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs.

5 3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.